Katholisch.de erklärt den Papsterlass zu "Amoris laetitia"

Wie verbindlich ist das "authentische Lehramt"?

Veröffentlicht am 07.12.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Papst Franziskus verlässt die Synodenaula
Bild: © KNA
Kirche

Bonn ‐ Lange wurde über die Verbindlichkeit von "Amoris laetita" diskutiert. Jetzt hat Papst Franziskus eine Auslegung von argentinischen Bischöfen zu "authentischem Lehramt" erklärt. Aber was bedeutet das?

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Das katholische Lehramt ist ein vielschichtiger Korpus. Nicht jede Frage, die es behandelt, ist gleich wichtig. Und nicht jede Antwort, die es gibt, ist gleichermaßen bindend. In diese gestufte Verbindlichkeit hat nun Papst Franziskus die Richtlinien argentinischer Bischöfe zum Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene eingeordnet. Er erklärte sie zum "authentischen Lehramt" der Weltkirche – ein einfaches, aber effektives Instrument.  

"Die Bischöfe sind authentische, das heißt mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer", sagt die Dogmatischen Konstitution "Lumen gentium" des Zweiten Vatikanischen Konzils (LG 25). Anders als beim Papst erstreckt sich der Einflussbereich der meisten Oberhirten jedoch nur auf das Gebiet ihrer Diözese oder, wenn sie eine gemeinschaftliche Erklärung abgeben, etwa auf den Bereich einer Bischofskonferenz. Die Richtlinien der argentinischen Bischöfe zu "Amoris laetitia" waren damit zwar bereits zuvor "authentisches Lehramt", erst der Papst hat dessen Geltungsbereich jedoch auf die Weltkirche ausgeweitet.

Authentisches Lehramt fordert Gehorsam

Gerade nach der teils erbitterten Debatte um die Auslegung von "Amoris laetita" dürfte ein Merkmal des "authentischen Lehramts" besondere Bedeutung haben: Kein Gläubiger kann gezwungen werden, ihm auch tatsächlich im Glauben zuzustimmen. Entsprechenden Lehren des Papstes ist jedoch sehr wohl "religiöser Verstandes- und Willensgehorsam" entgegen zu bringen; "nämlich so, dass sein oberstes Lehramt ehrfürchtig anerkannt und den von ihm vorgetragenen Urteilen Anhänglichkeit gezollt wird, entsprechend der von ihm kundgetanen Auffassung und Absicht", heißt es in den Worten "Lumen gentiums" (LG 25).

Von den Gläubigen wird damit gefordert, sich zunächst äußerlich an die verkündete Lehre zu halten. Das bedeutet auch, "sorgsam zu meiden, was ihr nicht entspricht", wie es im Kirchenrecht heißt. Darüber hinaus sollen die Katholiken sich jedoch auch bemühen, eine authentische Lehre als ihre persönliche Überzeugung zu übernehmen. Die "hartnäckige Ablehnung" einer Aussage des authentischen Lehramts, und damit ein Bruch der Gehorsamspflicht, ist unter Strafandrohung verboten. Gläubigen, die eine entsprechende Lehraussage trotz allem für falsch halten, rät etwa der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller zu Gehorsam und Schweigen.

Unsere Gebete: Das Glaubensbekenntnis

Das Glaubensbekenntnis ist mehr als das sprichwörtliche Amen in der Kirche. Es ist Ausdruck des gemeinsamen Glaubens der Christen. Das Gebet eint den Glauben.

Dies gilt jedoch nicht für die fundamentalen Lehrsätze des katholischen Glaubens, wie etwa das Glaubensbekenntnis. Hier wird von den Gläubigen mehr verlangt. Denn der Papst oder die Gemeinschaft der Bischöfe handeln unfehlbar, wenn sie solch hochrangige Lehraussagen als "definitiv als verpflichtend" erklären. Diese Form der Verkündigung heißt daher auch definitives oder außerordentliches Lehramt.

Pius XII. verkündete Dogma von Himmelfahrt Mariens

So müssen Katholiken alles glauben, was in definitiver Weise als göttliche Offenbarung festgehalten wird. Das gilt etwa für die Inhalte des Glaubensbekenntnisses, aber auch für deren Auslegung. Dies tat Papst Pius XII. (1939-1958), als er im Jahr 1950 die leibliche Himmelfahrt Marias unfehlbar als Dogma verkündete.

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Mit "Amoris laetitia" hat Papst Franziskus nicht unfehlbar Glaubenslehren verkündet. Verbindlich ist das Nachsynodale Schreiben dennoch.

Zwar nicht glauben, aber "fest annehmen und bewahren" müssen Katholiken grundsätzliche kirchliche Aussagen zu Glaube und Sitte, wenn sie entsprechend bekannt gegeben werden. Ein bekanntes Beispiel dafür gab Papst Johannes Paul II. (1978-2005) im Jahr 1994 im Apostolischen Schreiben "Ordinatio sacerdotalis". Dort schrieb er zur Frage der Weihe von Frauen: "Ich erkläre Kraft meines Amtes (…), dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben".

Mit der besonderen Formulierung folgte der Papst einer Vorgabe, wonach eine endgültige Lehre auch eindeutig als solche erkennbar sein muss (vgl. c. 749 §3). Zugleich zeigt das Beispiel eine wichtige Eigenschaft vieler päpstlicher Schreiben. Denn diese können Lehraussagen unterschiedlicher Verbindlichkeit enthalten. So müssen definitive, vom Papst unfehlbar vorgetragene Lehren auf "feierliche" Weise verkündet werden. Es reicht somit in der Regel nicht, sie etwa als einen Teil in einem größeren Schreiben wie einer Enzyklika unterzubringen.

Franziskus zieht Strich unter Fußnoten-Debatte

Zugleich können einzelne Teile solcher Texte besonders betont und in ihrer Verbindlichkeit bekräftigt werden. So ist Papst Franziskus nun auch mit "Amoris laetitia" verfahren. Schließlich geht es in der Auslegung der argentinischen Bischöfe, die er nun in sein lehramtliches Vermächtnis aufnahm, nur um einen Abschnitt des Nachsynodalen Schreibens; namentlich die Fußnote 351. Unter der Debatte um diesen heiklen Punkt hat der Papst nun einen Strich gezogen. Zweifel an seiner Aussage sind zwar weiterhin erlaubt, jedoch dürfen sie nicht mehr öffentlich geäußert werden. Das Debattenverbot gilt jedoch nicht für die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion selbst. Denn das authentische Lehramt sagt in diesem Fall: Es gibt keine definitive Zu- oder Absage, sondern in jedem Einzelfall muss neu entschieden werden.

Von Kilian Martin