Neujahrsansprache von Franziskus an Vatikan-Diplomaten

Papst kritisiert Westen für Missachtung der Familie

Veröffentlicht am 08.01.2018 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
Papst kritisiert Westen für Missachtung der Familie
Bild: © KNA
Vatikan

Vatikanstadt ‐ Ob Klima, Flucht oder Familie: Der Papst hat in seiner Neujahrsansprache an die Vatikan-Diplomaten zahlreiche Mahnungen ausgesprochen. Doch es gab auch Worte des Dankes. Zum Beispiel an Deutschland.

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Papst Franziskus hat westliche Gesellschaften dafür kritisiert, dass sie die Familie "als eine veraltete Institution" betrachteten. "Der Stabilität eines endgültigen Projekts zieht man heute flüchtige Bindungen vor", sagte das Kirchenoberhaupt am Montag in seiner Neujahrsansprache an Diplomaten im Vatikan. Es sei daher dringlich, "wirksame politische Fördermaßnahmen zugunsten der Familie" zu ergreifen. Denn ohne diese werde es "keine Gesellschaft geben, die den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist". Die Familie sei "die Gemeinschaft der treuen und unauflöslichen Liebe, die Mann und Frau eint", so Franziskus.

Seine Neujahrsansprache an das beim Heiligen Stuhl akkreditierte Diplomatische Corps befasste sich schwerpunktmäßig mit der vor 70 Jahren verabschiedeten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Wenn die katholische Kirche von Menschenrechten spreche, bedeute das für sie vor allem, immer wieder auf die zentrale Würde des Menschen, der von Gott gewollt sei, hinzuweisen, sagte Franziskus.

Dank an Deutschland und Griechenland

In seinen Ausführungen zu Flucht und Migration, denen Franziskus auch seine diesjährige Botschaft zum katholischen Weltfriedenstag am 1. Januar gewidmet hatte, dankte er besonders Deutschland und Griechenland für ihren Einsatz bei der Flüchtlingsaufnahme. Viele Flüchtlinge und Migranten wollten nach Europa, weil sie wüssten, dass sie dort Frieden und Sicherheit fänden. Diese seien Früchte des europäischen Projekts nach dem Zweiten Weltkrieg. Europa müsse auf dieses Erbe stolz sein. "Die Ankunft der Flüchtlinge sollte Europa dazu anspornen, das eigene kulturelle und religiöse Erbe wiederzuentdecken", sagte der Papst. "Wenn es sich der Werte bewusst wird, auf die es erbaut wurde, dann mag es sowohl die eigenen Traditionen wachhalten als auch weiterhin ein gastfreundlicher Ort sein, der Frieden und Entwicklung verspricht."

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Auch die Türkei, der Libanon und Jordanien verdienten "die Anerkennung und die Unterstützung der ganzen internationalen Gemeinschaft" bei der Aufnahme syrischer Flüchtlinge. Zur Beendigung des Syrienkriegs und für den Wiederaufbau seien Vertrauen und eine stabile Sicherheitslage nötig, so der Papst. Die geflüchteten Menschen müssten eine Möglichkeit zur Rückkehr in ihre Heimat erhalten.

Papst ruft zur Deeskalation im Israel-Konflikt auf

Franziskus erinnerte an die gegenseitigen Rechte und Pflichten bei der Integration von Flüchtlingen und Migranten. "Wer jemanden aufnimmt, muss dessen ganzheitliche Entwicklung fördern", sagte der Papst. Gleichzeitig müsse sich, wer aufgenommen werde, "den Regeln des Landes, das ihn beherbergt, unbedingt anpassen und dessen Identitätsprinzipien respektieren". Der Vatikan werde zwar "nicht in Entscheidungen eingreifen, die den Staaten zustehen". Dennoch sei es Pflicht der Kirche, "auf die Prinzipien Menschlichkeit und Brüderlichkeit hinzuweisen".

Regierungen weltweit ermahnte Franziskus zudem zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens. Auch wenn die Natur "von sich aus grausam" sein könne, gebe es eine wesentliche Verantwortung des Menschen. Der Klimawandel mit dem globalen Temperaturanstieg und dessen zerstörerische Folgen seien "auch Folgen des menschlichen Handelns", sagte er. Franziskus nannte die Sorge um den Planeten "eine besonders dringende Pflicht" für Staaten und für jeden einzelnen. Die heute Lebenden müssten gemeinsam Verantwortung dafür übernehmen, den kommenden Generationen eine schönere und lebenswertere Welt zu hinterlassen. "Dafür müssen wir daran arbeiten, im Licht der 2015 in Paris getroffenen Verpflichtungen die Abgasemissionen, die für die Atmosphäre schädlich sind als auch der menschlichen Gesundheit schaden, zu reduzieren."

Weitere Themen waren aktuelle Konfliktherde in Korea, Irak, dem Südsudan und Venezuela. Im Israel-Konflikt rief der Papst zur Deeskalation auf. Es gelte, jede Initiative zu prüfen, um eine Zuspitzung der Konfrontation zu vermeiden, sagte Franziskus. Zugleich bekräftigte er "die gemeinsame Verpflichtung zur Achtung des Status quo von Jerusalem" und verlangte die Beachtung der betreffenden Resolutionen der Vereinten Nationen. Nach 70 Jahren Auseinandersetzungen sei es dringlicher denn je, eine politische Lösung für zwei unabhängige Staaten innerhalb international anerkannter Grenzen zu finden, so der Papst. "Selbst unter Schwierigkeiten bleibt der Wille zum Dialog und zur Wiederaufnahme der Verhandlungen der Königsweg, um endlich zu einer friedlichen Koexistenz der beiden Völker zu gelangen." (bod/KNA)