Für den EKD-Ratsvorsitzenden ist jede Übersetzung eine Interpretation

Bedford-Strohm schaltet sich in Vaterunser-Debatte ein

Veröffentlicht am 13.01.2018 um 11:25 Uhr – Lesedauer: 
Gebet

München ‐ Mit seiner Kritik an der deutschen Übersetzung hatte der Papst eine Kontroverse ausgelöst. Für den EKD-Ratsvorsitzenden ist das nichts Neues. Er kennt die Diskussion schon aus der Evangelischen Kirche.

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Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sieht beim Vaterunser keinen Änderungsbedarf. Biblische Texte könne man nicht einfach umschreiben, sagte der Landesbischof am Freitag im Münchner Presseclub. Allerdings gelte es zu bedenken, dass jede Übersetzung auch interpretiere. Er habe aber nichts dagegen, wenn das Vaterunser Gegenstand einer öffentlichen Debatte sei.

Papst kritisiert deutsche Übersetzung

Hintergrund ist die Kritik von Papst Franziskus an der italienischen Übersetzung des Vaterunsers, in der es ähnlich wie in der deutschen Fassung sinngemäß heißt: "Führe uns nicht in Versuchung". Dies sei "keine gute Übersetzung", hatte der Papst in einem Fernsehgespräch gesagt. Es sei nicht Gott, der den Menschen in Versuchung stürze, um zu sehen, wie er falle. "Ein Vater tut so etwas nicht; ein Vater hilft sofort wieder aufzustehen. Wer dich in Versuchung führt, ist Satan", so der Papst. Er unterstützte ausdrücklich eine neuere französische Text-Fassung, die ähnlich wie die seit langem übliche spanische Übersetzung darum bittet, Gott möge die Menschen "nicht in Versuchung geraten lassen".

Bild: ©KNA/Jan Schmidt-Whitley

Menschen halten sich an den Händen und beten das Vaterunser.

Bedford-Strohm betonte, dass die Debatte nicht neu sei. Der Papst habe nur Dinge aufgenommen, die unter anderem der evangelische Erwachsenenkatechismus behandele. "Gott möchte nicht, dass wir das Böse tun", so der Rats-Chef. Die Bitte ist deshalb seiner Ansicht nach so zu verstehen, dass Gott den Menschen führen möge, wenn er die Versuchung spüre. Denn es gehöre zu den Alltagserfahrungen als Mensch, Dinge zu tun, "die wir eigentlich nicht tun wollen".

Auch katholische Bischöfe gegen Änderung

Auch mehrere katholische deutsche Bischöfe hatten sich für die Beibehaltung des jetzigen Texts ausgesprochen. So sagte bereits im Dezember der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, "man sollte den Text so lassen, aber ihn besser interpretieren". Er habe mit Franziskus persönlich gesprochen: Der Papst habe mit seinem Interview "keine Handlungsanweisung gegeben". Ähnlich äußerte sich auch der Trierer Bischof Stephan Ackermann, der auch Vorsitzender der Liturgiekommission ist. Er könne die Kritik des Papstes zwar nachvollziehen, aber "ich würde trotzdem bei unserer Übersetzung bleiben", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Sowohl Marx als auch Ackermann betonten, nach ihrem Wissen seien die meisten deutschen Bischöfe der gleichen Auffassung. (gho/KNA)

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