Seit Januar ist der Verband eine Körperschaft des öffentlichen Rechts

Humanistischer Verband ist Kirchen gleichgestellt

Veröffentlicht am 14.01.2018 um 14:40 Uhr – Lesedauer: 
Land Berlin

Berlin ‐ Seit Jahren wurde es angestrebt, nun ist auch der Berliner Landesverband eine Körperschaft des öffentlichen Rechts - und genießt damit Privilegien, die er selbst lange kritisierte.

  • Teilen:

Die Landesverbände in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen haben den Status schon länger. Nun zieht der Humanistische Verband auch in der Hauptstadt nach. Dennoch ist es mehr als ein Achtungserfolg, denn der Körperschaftsstatus bietet auch handfeste finanzielle Vorteile für die Arbeit des Verbands in seinen zahlreichen Geschäftsfeldern. Die "Privilegien", die der HVD bisher mit Blick auf die Kirchen immer kritisiert hatte, nimmt er nun selbst in Anspruch - und feiert dies am Sonntag mit einem Festakt.

Erstaunliches Mitgliederwachstum

Der erste, 1996 eingereichte Antrag des Verbands war wegen zu geringer Mitgliederzahlen abgelehnt worden; Klagen dagegen bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht wurden abgewiesen. Damals hatte der Landesverband nach eigenen Angaben 3.206 Mitglieder, davon 533 ordentliche, 262 fördernde und 2.411 "betreute Mitglieder" - letztere waren Teilnehmer an den "Jugendfeiern", die bis zur Volljährigkeit beitragsfrei und mit eingeschränkten Rechten dem Verband angehören konnten.

Euro-Münzen und -Scheine
Bild: ©KNA

Der neue Status bringt dem Humanistischen Verband einige finanzielle Vorteile.

Nun gibt der Verband seine Mitgliederzahl mit mehr als 13.000 an - ein erstaunliches Wachstum in knapp zwei Jahrzehnten, zumal laut Vorstand Katrin Raczynski "das Organisationsbedürfnis Konfessionsfreier nicht so ausgeprägt ist". Allein von 2015 bis 2016 verzeichnete der HVD Berlin Brandenburg einen Zuwachs von rund 1.450 neuen Mitgliedern, von denen allerdings die meisten (1.280) auf den Jugendverband entfallen, der wiederum vor allem "Jugendfeier"-Teilnehmer aufnimmt.

Einen Hinweis auf die Mitgliederstruktur ergibt auch die Gewinn- und Verlustrechnung: Demnach nahm der Verband 2016 rund 186.000 Euro an Mitgliedsbeiträgen ein. Daraus ergibt sich, dass die Mehrheit der 13.000 Mitglieder nicht einmal den Mindestbeitrag für natürliche Personen von 5 Euro pro Monat bezahlt, sondern allenfalls den symbolischen Beitrag von einem Euro pro Monat oder als Mitglieder der Jugendverbände beitragsfrei sind. Durchschnittlich kommen von jedem Mitglied etwa 14 Euro im Jahr. Zum Vergleich: Die katholischen und evangelischen Christen in Deutschland zahlen im Schnitt jährlich gut 250 Euro Kirchensteuer.

Im Verhältnis zur gesamten Geschäftstätigkeit des Verbands, der rund 60 Einrichtungen und Projekte wie Sozialstationen, Hospize und Kindertagesstätten betreibt, 1.200 hauptamtliche Mitarbeiter beschäftigt und Lebenskundeunterricht für rund 60.000 Schüler an öffentlichen Schulen anbietet, ist das Beitragsaufkommen marginal. Es macht gerade einmal 0,3 Prozent des Gesamtumsatzes von 60 Millionen Euro aus. Noch einmal zum Vergleich: Die Evangelische Kirche in Deutschland und ihre 20 Gliedkirchen erzielen mehr als 50 Prozent ihrer Gesamteinnahmen von mehr als zehn Milliarden Euro aus der Kirchensteuer, also aus Mitgliedsbeiträgen. Bei den Humanisten kommen hingegen mehr als 78 Prozent der Erträge aus öffentlichen Zuwendungen.

Linktipp: Humanisten: Mikroskop statt Kreuz auf Schlosskuppel

Die Debatte um das Kreuz auf dem Berliner Stadtschlosses geht weiter: Der Humanistische Verband fordert ein Zeichen der Wissenschaft auf der Kuppel. Und auch Architekt Franco Stella meldete sich zu Wort.

Deutlich mehr als durch seine Mitglieds- und Förderbeiträge nimmt der HVD laut Geschäftsbericht durch Spenden und Erbschaften ein; 2016 waren es 2,67 Millionen Euro. Da kommt es gelegen, dass er künftig von der Körperschaftssteuer, der Umsatzsteuer und der Erbschaftssteuer befreit ist. Zudem unterliegt er als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht der "zeitnahen Mittelverwendung". "Wir müssen Gelder dann nicht mehr innerhalb einer festen Frist ausgeben, sondern können das machen, wenn es sinnvoll ist", erläutert Raczynski. Außerdem gelte eine Körperschaft im Insolvenzrecht als insolvenzunfähig - was im Fall einer Zahlungsunfähigkeit zulasten der Mitarbeiter gehen könnte.

Gut vernetzt

In Berlin strebt der HVD jetzt einen Staatsvertrag an, in Brandenburg will er ebenfalls den Körperschaftsstatus beantragen. Dabei kommt ihm seine gute Vernetzung mit den Regierungsparteien zugute. Stellvertretende Präsidentinnen des Landesverbands sind etwa die ehemalige Berliner SPD-Abgeordnete Felicitas Tesch und die brandenburgische Staatssekretärin im Ministerium der Finanzen, Daniela Trochowski (Linke). Im Kuratorium finden sich ebenfalls aktive oder ehemalige Politiker von SPD und Grünen. Auch Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) sympathisiert mit den Humanisten, auch wenn er selbst kein Mitglied ist.

Von Norbert Zonker (KNA)