Jerusalemer Kirchenstreit: Israel legt Pläne auf Eis
Nach der Schließung der Grabeskirche in Jerusalem lenkt Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Streit mit den Kirchen ein. Er kündigte an, ein umstrittenes Gesetzesvorhaben sowie konkrete Steuerforderungen der Stadt Jerusalem an die Kirchen auf Eis zu legen. Es solle zunächst Verhandlungen mit allen Beteiligten geben, hieß es in einer Mitteilung aus Netanjahus Büro am Dienstag. Aus Protest gegen den Gesetzesentwurf sowie die Steuerforderungen hatten Kirchenoberhäupter am Sonntag die Grabeskirche bis auf Weiteres geschlossen.
Ob den Kirchenführern Netanjahus Schritt weit genug geht, war unklar. In einem sehr scharf formulierten gemeinsamen Schreiben der griechisch-orthodoxen und der armenischen Kirche sowie der Kustodie des Heiligen Landes war am Sonntag die Rede von einer "systematischen Kampagne gegen die Kirchen und die christliche Gemeinde im Heiligen Land". Zudem verglichen sie den Gesetzentwurf mit "Gesetzen ähnlicher Natur, die gegen die Juden in den dunklen Zeiten in Europa erlassen wurden".
Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat habe sich mit Netanjahu in der Steuerfrage darauf geeinigt, mit mehreren Ministerien eine Lösung zu erarbeiten und mit den Kirchenvertretern zu sprechen, teilte Netanjahus Büro mit. Die dafür zu bildende Arbeitsgruppe soll vom Minister für regionale Angelegenheiten, Tzachi Hanegbi, geleitet werden. Dabei gehe es um Abgaben für Kirchengebäude, die keine Gotteshäuser sind, wie Gästehäuser.
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Warten vor verschlossenen Toren? Das passiert an der Jerusalemer Grabeskirche sonst so gut wie nie. Am Sonntag aber schlossen die Kirchenführer die Heilige Stätte aus Protest gegen die israelische Politik.Der Protest der Kirchen wendet sich zudem gegen einen Gesetzesentwurf, der dem Staat die Enteignung von Grundstücken ermöglichen soll, die die Kirchen seit 2010 an Privatinvestoren verkauft haben. Die für den Gesetzesentwurf zuständige Parlamentsabgeordnete Rachel Asaria hatte die Enteignungspläne verteidigt. Es gehe darum, Bewohner zu schützen, deren Häuser von den Kirchen verkauft worden seien. Dabei gehe es um zahlreiche Grundstücke in Jerusalem. Die neuen Eigentümer würden nun extrem hohe Gebühren von den Bewohnern verlangen.
Die Grabeskirche ist eines der wichtigsten Heiligtümer der Christenheit. Sie steht an der Stelle, an der Jesus Christus gekreuzigt, zu Grabe gelegt und wieder auferstanden sein soll. Das Goteshaus in der Jerusalemer Altstadt ist jedes Jahr Ziel Hunderttausender Besucher. Die Kirche ist heute gemeinsamer Besitz verschiedener Konfessionen. Die größten Teile entfallen auf griechisch-orthodoxe, westlich-katholische (lateinische) und armenisch-orthodoxe Christen. Die drei Kirchen teilen sich die Besitzrechte und sind für den Status quo sowie die Verwaltung der heiligen Stätten im Heiligen Land verantwortlich. (luk/dpa)