Was macht der Geheimdienst im Dom?
Hoch über München hängt derzeit ein großes Geheimnis: Was macht der Bundesnachrichtendienst im Turm der Frauenkirche? Der "Spiegel" hatte recherchiert und berichtet, dass im Nordturm der Kathedralkirche eine Funkanlage des Auslandsgeheimdienstes BND installiert ist. Viel mehr scheint man aber selbst bei der Erzdiözese München und Freising nicht darüber zu wissen.
Doch schon der Hinweis auf die Anlage hatte gereicht, für Aufsehen und Kritik zu sorgen. So zeigte sich der Münchner Katholikenrat "verwundert" über die Einrichtung und forderte den Abbau. Die Vorsitzende Johanna Rumschöttel befremdet die profane Nutzung des Gotteshauses. Die ikonischen Türme seien "für Gläubige und auch Nichtgläubige als Symbole und Wahrzeichen unseres christlichen Glaubens in München".
Der BND spricht nicht über seine Arbeit
Unterdessen ist noch nicht klar, welche Gerätschaften im Domturm überhaupt verbaut sind und welchem Zweck sie dienen. Der Bundesnachrichtendienst ließ auf Medienanfragen verlauten, er äußere sich nicht "zu operativen Aspekten seiner Arbeit". Bericht würde man "grundsätzlich nur der Bundesregierung und den zuständigen Stellen des Deutschen Bundestages" erstatten.
In einer Stellungnahme am Mittwoch zeigte sich auch Generalvikar Peter Beer unwissend: "Leider liegen gegenwärtig keine Unterlagen vor, die eine qualifizierte Aussage darüber zulassen, seit wann diese Einrichtung existiert und welchem Zweck sie dient." Gleichwohl nehme die Erzdiözese "die Verärgerung von Teilen der Bevölkerung und Katholiken" zur Kenntnis. Die Verantwortlichen wollen nun prüfen, was hoch über ihrer Kathedrale tatsächlich vonstatten geht.
Anlage gehört wohl zum Observationskommando "QB30"
Hinweise darauf hatte Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom gegenüber dem "Merkur" gegeben. Demnach habe der BND im gut 98 Meter hohen Kirchturm einen Funkverstärker installiert, der den Agenten auf Münchens Straßen einen dauerhaften Kontakt zu ihrer Leitstelle ermöglichen soll. Laut Schmidt-Eenboom wurde das Gerät vom Observationskommando "QB30" genutzt. Die in München unter Tarnnamen stationierte Abteilung des BND befasst sich laut Berichten unter anderem mit der Beschattung eigener Mitarbeiter – und agiert damit potenziell in rechtlichen Grauzonen.
Dieses Engagement könnte laut Erzbistum dann auch ein Zwangsende der Aktivitäten im Domturm bedeuten. Denn "aktive Abhöranlagen" wolle man im Turm nicht dulden. Es müsste noch geprüft werden, "ob der Zweck der Einrichtung mit einem Gotteshaus vereinbart werden kann", erklärte Beer. "Reine Kommunikationsmittel von Sicherheits- und Rettungsdiensten" müsste man dabei jedoch anders beurteilen als geheimdienstliche Spitzeltechnik. Der Domturm beherbergt nach Angaben der Erzdiözese auch Sendetechnik anderer Organisationen, die man in diesem Sinne als vertretbar betrachtet.
Linktipp: Magazin: BND nutzte Liebfrauendom zum Beschatten
Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes hätten Sende- und Empfangsanlagen in die Glockentürme des Domes eingebaut, berichtet der "Spiegel". Nicht ganz klar ist, ob die Anlage weiterhin in Betrieb ist.Dass die BND-Apparatur im Turm des Doms der Kirche grundsätzlich bekannt war, ist kaum zu bezweifeln. Domdekan Lorenz Wolf selbst bestätigte deren Vorhandensein am Donnerstag. Öffentlich bekannt war sie vor dem "Spiegel"-Bericht jedoch nicht. Laut eigenen Angaben war Schmidt-Eenboom auf die "Funkleitzelle" gestoßen, als er im Kreise ehemaliger BND-Mitarbeiter recherchierte. Dabei habe er herausgefunden, dass diese bereits vor 1989 installiert wurde, und sich damit seit drei Jahrzehnten mehr oder weniger unbemerkt im Domturm befindet. Schmidt-Eenboom habe laut "Merkur" schließlich den "Spiegel" auf diese Geschichte aufmerksam gemacht.
Neben vielen anderen Dingen ist nun auch noch ungeklärt, ob die Anlage gegenwärtig überhaupt noch in Betrieb ist. Laut Domdekan Wolf habe der BND gegenüber der Kirche bislang erklärt, das Gerät nicht mehr zu nutzen. Experte Schmidt-Eenboom gab jedoch zu bedenken, dass das Kommando "QB30" nach wie vor bestehe. Denkbar sei zudem, dass es die Einrichtung im Domturm zwar nicht mehr selber nutze, aber an eine andere Behörde weitergegeben hat. So oder so: Wohl auch gefördert durch die öffentliche Kritik beteuerte Wolf, bereits in Gesprächen mit dem BND über einen Abbau der Anlage zu stehen.