Eckhard Nordhofen über Ostern und Pfingsten

Nach dem Kollaps aller Illusionen

Veröffentlicht am 06.04.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Eckhard Nordhofen über Ostern und Pfingsten

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Pfingsten in Sicht. Im Kopf fängt es schon an zu brausen. Schon wieder ein Jahr herum! Geht immer schneller! Und Ostern? Auch wieder vorbei. Pessach, das alte Fest des Vorübergangs. Es bleibt immer derselbe Vorübergang, der vorübergeht. Wo gibt es da einen Standpunkt? Was kann das überhaupt sein? Bin ich nicht als einer, der einen Standpunkt bezieht, schon immer ein Hochstapler? Das Förderband im Flughafen belehrt mich über die Zeit: Ob ich stehe oder gehe, ich werde transportiert, wie mein Koffer. Auf dem Zeitstrahl zwischen Alpha und Omega kann es, streng genommen, keinen Standpunkt geben. Oder doch?

Als Enkel des Exodus haben wir an Pessach wieder mal Glück gehabt. Wir wurden nicht umgebracht wie die Erstgeburt der Ägypter. Wir sind aufgebrochen in die Freiheit, in die Wüste. "Das ist heute"! So hatte es auch an jenem Abend in Jerusalem geheißen. Exodus, immer wieder Exodus, jedes Jahr zum Abschluss des Festes der ungesäuerten Brote. Auch der Jude Jesus hatte sich am Sederabend an dieser Suspendierung der Zeit beteiligt. Aber mit jenem: "Das ist mein Leib", hatte er dem ungesäuerten Brot, mitten in der aufgehobenen Zeit, eine einzigartige Bedeutung  gegeben. Heilsgeschichte abgebildet im Jahreskreis - was für ein Zeitzauber! Ein Zyklus rollt auf dem Zeitstrahl. Ein Ostern jagt das andere und es soll doch immer das eine, das erste sein, das die Zeit geknackt hatte, damals - aber ein für alle mal.

Vorher lag der Kollaps aller Illusionen: Sie hatten Jesus umgebracht. Zwei Jünger, Kleopas & Co. fliehen aus Jerusalem. Sie hatten gehofft, dass "er es sei, der Israel erlösen werde". Sie treffen auf einen, den sie nicht erkennen, der ihnen alles erklärt, und sie wollen dass er bleibt: "Herr bleibe bei uns." Im Brotbrechen, im Verschwinden erkennen sie Jesus jenseits des Todes, jenseits der Zeit. Im Erkennen sehen sie ihn nicht mehr, im Brot aber war er geblieben. Da rennen sie los, zu den anderen, zurück nach Jerusalem. Von einem Standpunkt war da nicht die Rede.

Von Eckhard Nordhofen

Der Autor

Eckhard Nordhofen ist ein deutscher Theologe und Philosoph. Von 2001 bis 2010 war er Leiter des Dezernates Bildung und Kultur im Bistum Limburg. Bis 2014 lehrte er außerdem theologische Ästhetik und Bildtheorie an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Hinweis

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