Das Preußenkonkordat betrifft die Mehrheit der deutschen Bistümer

Wie Preußen noch heute die Bischofswahl beeinflusst

Veröffentlicht am 11.04.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Wie Preußen noch heute die Bischofswahl beeinflusst
Bild: © KNA
Bischöfe

Bonn ‐ Wohnen Sie auf ehemals preußischem Gebiet? Dann hat das Folgen für die Wahl Ihres Bischofs – so wie jetzt im Bistum Hildesheim. Katholisch.de erklärt, was es mit dem Preußenkonkordat auf sich hat.

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Ein wenig verwundert es schon: Der Freistaat Preußen existiert seit über 70 Jahren nicht mehr – aufgelöst wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg per Gesetz vom Alliierten Kontrollrat. Doch die Spuren Preußens ragen sichtbar bis in die Gegenwart hinein: sei es im Namen von Sportvereinen wie Preußen Münster oder (latinisiert) Borussia Dortmund; sei es als Weiterverwendung preußischer Abzeichen wie des Eisernen Kreuzes oder des Preußischen Adlers; oder sei es in Form der "preußischen Tugenden" wie Pünktlichkeit, Ordnung und Fleiß, die in aller Welt mit den Deutschen assoziiert werden.

Eine weitere preußische Hinterlassenschaft bestimmt darüber hinaus, wer auf welchem deutschen Bischofsstuhl Platz nehmen darf: das sogenannte Preußenkonkordat vom 14. Juni 1929. Es fand erst kürzlich wieder Anwendung bei der Wahl des neuen Hildesheimer Bischofs Heiner Wilmer – und es gilt für 15 der 27 deutschen (Erz-)Diözesen.

Wer heute den Begriff "Konkordat" hört, denkt vermutlich zunächst an das Reichskonkordat, das am 20. Juli 1933 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich geschlossen wurde. Bemühungen um einen solchen "gesamtdeutschen" Staatskirchenvertrag hatte es schon vor Hitler in den 1920er-Jahren gegeben. Die staatliche Neuordnung Europas nach dem Ersten Weltkrieg brachte massive politische wie gesellschaftliche Umwälzungen mit sich – gerade auch für Deutschland. Viele ältere Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche verloren mit der Weimarer Verfassung von 1919 ihre Geltung, sodass die Beziehungen neu geregelt werden mussten.

Ein belastetes Verhältnis

Während jedoch ein Reichskonkordat wegen religionspolitischer Differenzen zwischen Reichsregierung und Kirche zunächst nicht zustande kam, konnte man sich auf Länderebene früher einigen: Auf Betreiben des damaligen Apostolischen Nuntius' im Deutschen Reich und späteren Papstes Pius XII., Eugenio Pacelli, wurden Konkordate mit Bayern (1924), Preußen (1929) und Baden (1932) geschlossen.

Bild: ©scj.de

Gewählt nach den Bestimmungen des Preußenkonkordats: der neue Hildsheimer Bischof Heiner Wilmer.

Ganz einfach erschien das Zustandekommen eines Konkordats mit Preußen nicht: Die Beziehungen zwischen katholischer Kirche und dem protestantisch geprägten Staat galten als belastet, nicht zuletzt wegen der antikirchlichen Gesetzgebung in der Zeit des Kulturkampfes. Nachdem erste Verhandlungen für ein Konkordat bereits im Mai 1920 stattgefunden hatten, kamen sie erst neun Jahre später zu ihrem Abschluss.

Wie das Reichskonkordat haben auch die Konkordate mit Preußen, Baden und Bayern bis heute Gültigkeit. Das Preußenkonkordat wurde nach 1945 zunächst von den auf ehemals preußischem Gebiet neugegründeten Ländern der Bundesrepublik Deutschland, nicht jedoch von der DDR, anerkannt. Nach der Wiedervereinigung lebten die Konkordatsbestimmungen auch in denjenigen neuen Bundesländern wieder auf, die Nachfolgestaaten Preußens sind. Somit gilt das Preußenkonkordat heute in folgenden (Erz-)Diözesen: Berlin, Hamburg, Köln, Paderborn, Aachen, Erfurt, Essen, Fulda, Görlitz, Hildesheim, Limburg, Magdeburg, Münster, Osnabrück und Trier.

Besondere Regeln bei der Bischofswahl

Wie im Badischen Konkordat stechen vor allem die Regelungen zur Bischofswahl hervor. In der Sedisvakanz – der Zeit des unbesetzten Bischofsstuhl – räumt das Preußenkonkordat dem betreffenden Metropolitan- oder Domkapitel sowie den Diözesanerzbischöfen und -bischöfen auf preußischem Gebiet ein Vorschlagsrecht ein: Sie dürfen Listen geeigneter Kandidaten für die Wahl eines neuen Bischofs erstellen und dem Heiligen Stuhl vorlegen; laut Kirchenrecht hat eigentlich der Apostolische Nuntius allein das Privileg, eine entsprechende Vorschlagsliste zu erarbeiten. Nach Sichtung der Listen soll laut Konkordat dann der Heilige Stuhl die sogenannte "Terna" – eine Liste mit drei geeigneten Kandidaten – erstellen und an das jeweilige Bistum zurücksenden. Aus diesen dreien wählt das Metropolitan- oder Domkapitel den Bischof, wofür eine absolute Mehrheit erforderlich ist.

Bis hierhin sind die Regelungen vergleichbar mit denen des Badischen Konkordats, das ebenfalls eine Terna vorsieht. Baden weist jedoch eine Besonderheit auf: Auf der von Rom erstellten Terna muss immer mindestens ein Kandidat aus den betreffenden (Erz-)Bistümern – Freiburg, Dresden-Meißen, Mainz, Rottenburg-Stuttgart – stehen. In diesen Diözesen ist es deshalb bei jeder Wahl möglich, dass der neue Bischof tatsächlich aus dem eigenen Bistum stammt. Anders beim Preußenkonkordat: Hier heißt es lediglich, dass der Heilige Stuhl "unter Würdigung" der Vorschlagslisten die Terna erarbeitet. De facto kann der Papst die vorgeschlagenen Kandidaten auch übergehen und eine Dreierliste mit neuen Namen erstellen.

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Video: © Mediaplus X und Bernward Medien

Ein Beitrag der Serie "Katholisch für Anfänger".

Die unterschiedlichen Regelungen zur Bischofswahl schlagen sich mal mehr, mal weniger deutlich in den Bischofsernennungen nieder. Eindeutig im Vorteil sind die Diözesen unter dem Badischen Konkordat: In Freiburg und Rottenburg-Stuttgart stammten alle Bischöfe seit Konkordatsschluss aus dem eigenen Bistum, in Mainz und Dresden-Meißen immerhin die Hälfte. Ganz so klar ist die Lage in den preußischen Diözesen nicht: Paderborn ist das einzige Bistum, in dem sämtliche Oberhirten seit Inkrafttreten des Konkordats aus der eigenen Diözese stammten; in Trier war es immerhin noch eine Mehrheit (3/5), in Limburg, Münster und Osnabrück zumindest die Hälfte. Doch auch in den meisten übrigen Diözesen saß seit Konkordatsschluss mindestens ein Oberhirte aus dem eigenen Bistum auf dem Bischofsstuhl.

Die Dreierliste und die Wahl durch das Domkapitel bringen also sichtbar Vorteile. In Bayern sieht die Sache anders aus: Die dortigen Domkapitel haben bei Bischofsernennungen nur ein sehr eingeschränktes Vorschlagsrecht, die Wahl des neuen Bischofs ist dem Heiligen Stuhl vorbehalten. Dadurch kamen in den bayerischen Bistümern deutlich weniger Einheimische zum Zug als außerhalb Bayerns. Bestätigt werden muss ein neugewählter Bischof indes auch in den Bistümern unter dem Badischen und dem Preußenkonkordat vom Papst.

Territoriale Neuordnung

Unter den weiteren Bestimmungen des Preußenkonkordats ragen die territorialen Veränderungen heraus: Paderborn und Breslau wurden zu Erzbistümern erhoben, das bisher zur Diözese Breslau gehörende Berlin wurde eigenes Bistum – erst 1994 erfolgte hier die Erhebung zum Erzbistum. Außerdem wurden die bisherigen nordischen Missionsgebiete den Diözesen Hildesheim, Osnabrück und Paderborn einverleibt. Und schließlich: Auf dem westlichen Territorium des Erzbistums Köln wurde das Bistum Aachen neu errichtet.

Von Tobias Glenz