Münster heißt den Katholikentag zum vierten Mal willkommen

Von der heiligen Heerschau zum Münsteraner Manifest

Veröffentlicht am 09.05.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Katholikentag

Münster ‐ 1852, 1885 und 1930 war er bereits da. Nun gastiert der Katholikentag zum vierten Mal in Münster. Immer ging es darum, was das katholische Deutschland bewegt - auch heute wieder.

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Münster hat den Katholikentag wieder. Schon zum vierten Mal findet in der westfälischen Stadt das größte Treffen der katholischen Laien Deutschlands statt. Dieses Mal hat es allerdings lange gedauert: Vor 88 Jahren war der letzte Münsteraner Katholikentag. Zuvor war die ehemalige westfälische Hauptstadt 1852 und 1885 Gastgeberin. Mehr Katholikentage als in Münster gab es nur in Freiburg, Breslau und München und, mit sieben Veranstaltungen einsam an der Spitze, in Mainz.

Die Katholikentage erzählen die Geschichte der Emanzipation der deutschen Katholiken im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Immer lässt sich an den Themen der Veranstaltungen ablesen, was das katholische Deutschland gerade beschäftigte und wie Kirche und Staat miteinander umgingen – so auch in Münster.

6. Katholikentag 1852: Kampf für das katholische Schulwesen

1852 war zum Beispiel für die katholischen Laien eine aufregende Zeit – obwohl der erste Katholikentag erst 1848 in Main stattgefunden hatte, ist das Treffen, das Ende September 1852 in Münster veranstaltet wird, schon der sechste Katholikentag. Damals war er noch kein Massenereignis, sondern Delegiertentreffen der katholischen Vereine. Ein "Zentralkomitee der deutschen Katholiken" gab es damals noch nicht; damals war noch der "Katholische Verein Deutschlands" Veranstalter der Generalversammlungen.

Linktipp: Der Weg der deutschen Katholikentage

Die erste "Generalversammlung des katholischen Vereins Deutschlands" fand 1848 statt. Seitdem ist viel passiert in der wechselhaften deutschen Geschichte. Manches hat sich aber nicht verändert.

Der Durchbruch für die bürgerlichen Freiheitsrechte 1848 hatte es ermöglicht, dass die Katholiken sich so sichtbar zusammenschließen und zu Wort melden. Die Freiheit der Kirche zu bewahren stand auf der Fahne der frühen Treffen. Beim ersten Münsteraner Katholikentag war das große Streitthema Bildung: Der preußische Staat griff nach den katholischen Schülern und ihren Patriotismus stärken. Die Katholiken wollten die konfessionellen Schulen erhalten und so das kirchliche Milieu bewahren.

Konfliktreich war auch die Frage, in welchem Verhältnis Lehrer und Pfarrer zueinander stehen sollen. "Nicht der Schullehrer, sondern der Pfarrer ist der eigentliche vom Heilande selbst durch seine Kirche bestellte Lehrer und Erzieher der Jugend und der ganzen Gemeinde", donnerte der Münsteraner Domkapitular Frans Caspar Krabbe vor den Delegierten. "Der Lehrer ist nur der Gehilfe des Pfarrers, nicht der selbständige Erzieher." Das indes passte natürlich wiederum den Lehrern nicht. Viele von ihnen hatten die 48er-Revolution unterstützt. Heiß diskutiert wurde, ob man "Schulbrüder und Schulschwestern" einsetzen sollte, Ordensleute also – auch das nicht unproblematisch für die Pfarrer, die bei den Orden zu große Unabhängigkeit befürchteten.

Leo XIII. war von 1878 bis 1903 Papst der katholischen Kirche. Dieses Porträt wurde 1878 am Beginn seines Pontifikats aufgenommen.
Bild: ©picture-alliance / akg-images

Unter Papst Leo XIII. (1878-1903) focht die Kirche einen langwierigen Streit mit dem Deutschen Reich aus: den sogenannten Kulturkampf. Die Auseinandersetzung insbesondere mit dem Preußenstaat setzte sich auch auf den Deutschen Katholikentagen fort.

32. Katholikentag 1885: Heerschau des katholischen Deutschlands

Über 30 Jahre später sah es schon anders aus: Die Katholikentage waren enorm gewachsen. Bei Ausgabe 32 im Jahr 1885 schien das Ende des Kulturkampfes zum Greifen nahe, und die Katholiken wollten ihre Stärke demonstrieren. Der Präsident der Tagung, der spätere Zentrumspartei-Vorsitzende Ernst Lieber, prägte das Wort von der "Heerschau" des Katholizismus: Münster sollte ein Rekord-Katholikentag werden, "hell leuchtendes Fanal" – indes: die Stadt war zu klein, nirgends schien es genügend große Veranstaltungsräume zu geben, moderne Messehallen und Sportstadien gab es noch nicht. Wohl aber Zirkuszelte. 5.000 Sitzplätze hatte die Spielstätte des "Zirkus Carré", ein riesiger Bretterverschlag in Zeltform.

2.600 Delegierte kamen zum Katholikentag, 2.400 weitere Teilnehmer waren nicht stimmberechtigt. Tausende Karten für einzelne Veranstaltungen wurden verkauft, eine Ausstellung zieht 9.000 Besucher an, ein Gartenfest sogar 15.000– und das Zirkuszelt war dann doch zu klein für den Andrang. Der Präsident musste aus Furcht vor Gedränge und Massenpanik sogar die geschlossene Versammlung abbrechen.

Ludwig Windthorst, die "kleine Exzellenz"

Doch die Veranstaltung war dennoch ein Erfolg: Die Delegierten ließen den Zentrumspolitiker Ludwig Windthorst hochleben, den großen Gegenspieler des Reichskanzlers Bismarcks. Dem kleinwüchsigen Abgeordneten zu Ehren sangen sie auf die Melodie von "Prinz Eugen, der edle Ritter" das "Lied von der kleinen Exzellenz": "Doch besonders jenem Einen, / Jenem riesengroßen Kleinen / Sei ein jubelnd Hoch gebracht! / Mög' nach jahrelangem Streiten / Ruhmbekränzt er bald geleiten / Uns als Sieger aus der Schlacht."

Inhaltlich ging es beispielsweise um Sozialpolitik. Frauen- und Kinderarbeit sollte verboten oder wenigstens beschränkt werden. Caritative Vereine wurden geplant, die sich Witwen und Waisen kümmern sollten. Auch Weltkirche wurde damals noch anders gedacht: Die deutschen Katholiken sprachen sich für die Mission in den deutschen Kolonien aus und gründeten einen Palästina-Verein, der in einem "Kreuzzug im friedlichen Sinn" für ein christliches Palästina kämpfen sollte. Einige Jahre später vereinigte er sich mit dem "Verein vom Heiligen Grabe" zum heute noch bestehenden "Deutschen Verein vom Heiligen Lande".

Bild: ©

Sprache und äußere Form der früheren Treffen erinnern kaum noch an die Glaubensfeste heutiger Zeit. Doch eines ist gleich geblieben: Die Katholikentage sind thematisch stets am Puls der Zeit.

69. Katholikentag 1930: Gegen den Völker- und Rassenhass

Bis zum nächsten Münsteraner Katholikentag sollte einige Zeit ins Land gehen: 1930 begrüßt die Stadt zum einzigen Mal im 20. Jahrhundert die Katholiken zum 69. Treffen. Der Katholikentag war mittlerweile eine Massenveranstaltung geworden: Allein 30.000 Jugendliche nahmen teil. 130.000 feierten den Abschlussgottesdienst mit, der Chor bestand aus 2.500 Menschen – und insgesamt wurden 1.673 "Altarkarten" zu 50 Pfennig an auswärtige Priester verkauft, die in Münster zelebrieren wollten.

Wiederum war Sozialpolitik ein großes Thema, und die Versammlung beschloss Forderungen: Schutz des Sonntags, die 48-Stunden-Woche, Verbot der Nachtarbeit, bezahlter Urlaub, ein freier Nachmittag pro Woche, bevorzugt am Samstag "mit Rücksicht auf die Sonntagsheiligung", weil damals schon Sport und Freizeitaktivitäten oft sonntags an Stelle von Gottesdienst und Besinnung standen.

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Trotz zahlreicher Reformbewegungen blieb die grundsätzliche Romtreue der Katholikentage auch im 20. Jahrhundert bestehen. Die Geschichte der Deutschen Katholikentage - Teil zwei.

Der Ton der 1930er klingt im Wissen um das Kommende erschreckend: Der Münchener Kardinal Michael von Faulhaber spricht angesichts sinkender Geburtenzahlen von "völkischem Selbstmord". Später sollte Faulhaber sich als einer der deutlichsten bischöflichen Stimmen gegen Hitler stellen. Er gehört zu den Kirchenmännern, die Pius XI. bei seiner Enzyklika "Mit brennender Sorge" (1937) beraten haben. Schon damals wurde auf dem Münsteraner Katholikentag "jede Überspannung des gesunden nationalen Gedankens zu Völker- und Rassenhass" verurteilt. Die "germanische Rasse" sei "nicht der Gesetzgeber der sittlichen Ordnung, sondern ein Untertan der von Gott gegebenen Sittengesetze".

101. Katholikentag 2018: Den anderen anerkennen

Heute klingen Verlautbarungen des ZdK anders. Doch 2018, zum 101. Katholikentag, dem vierten in Münster, stehen wieder ähnliche Themen auf der Tagesordnung: "Suche Frieden" ist das Motto der Veranstaltung anlässlich einer aufgeheizten Weltlage. Unmittelbar vor der Eröffnung des Katholikentags wollen die Delegierten der Räte und Verbände ein "Münsteraner Manifest" beschließen, in dem sie sich gegen jede Form von Ausgrenzung, Rassismus, Ausländer- und Behindertenfeindlichkeit aussprechen.

ZdK-Präsident Thomas Sternberg nannte "Respekt, Vertrauen und die gegenseitige Anerkennung der jeweils Anderen" als Grundvoraussetzungen für ein friedliches Miteinander. Der "weiße Fleck", ein Programmpunkt, der immer erst zum Schluss mit einem besonders aktuellen Thema gefüllt wird, widmet sich dieses Mal dem Thema Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. Die Diskussionen über die Teilnahme des kirchenpolitischen Sprechers der AfD-Bundestagsfraktion, Volker Münz, haben über Monate die Diskussion bestimmt.

Damit setzt auch 2018 der Katholikentag fort, was Katholikentage immer getan haben: Sie zeichnen ein Bild dessen, was die Gesellschaft und das katholische Deutschland umtreibt. 1852 der Kampf um katholische Emanzipation; 1885 der abebbende Kulturkampf; 1930 der aufbrandende völkische Nationalismus – und 2018 der Auftrag aus dem Psalm: "Suche Frieden".

Von Felix Neumann

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Sie haben den Anspruch, für über 23 Millionen Katholiken in Deutschland zu sprechen: Zu diesem wichtigen Auftrag des ZdK von heute gesellt sich jedoch auch eine große Vergangenheit.