Raus aus der Sakristei – rein ins Leben
Wenn Pater Ryszard Krupa Inspiration sucht, geht er gerne vor die Tür. Dort, mitten im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, läuft der 56-Jährige kreuz und quer durch die Straßen, guckt sich bunte Schaufenster an und redet mit Menschen, die ihm unterwegs begegnen. "Wenn man mit offenen Augen durch den Kiez läuft, kommen einem oft die besten Ideen", erzählt Krupa von seinen Spaziergängen. Welche Ideen der Pater bei seinen Ausflügen konkret entwickelt, kann man meist einige Zeit später nachlesen: im Veranstaltungsprogramm der Herz-Jesu-Priester.
Die Dehonianer, wie die Priester nach ihrem Ordensgründer Leon Gustave Dehon auch genannt werden (siehe Stichwort), haben es mit ihren Veranstaltungen in den vergangenen Jahren zu einer gewissen Bekanntheit in Berlin gebracht. Inspiriert durch die Nachbarschaft im Szene-Kiez geht das Kloster in der Greifswalder Straße mit unkonventionellen Angeboten regelmäßig neue Wege, um Menschen mit Glaube und Kirche in Berührung zu bringen.
Nicht nur "kirchentypische" Angebote
Nicht alle Aktionen seien dabei "kirchentypisch", sagt Pater Markus Mönch, der die Veranstaltungen gemeinsam mit Ryszard Krupa konzipiert. "Aber gerade das wollen wir: Die Kirchenschwelle insbesondere auch für Menschen ebnen, die der Kirche nicht nahestehen." Wie das konkret aussieht, zeigt sich beispielhaft an den vergangenen Monaten. So luden die Herz-Jesu-Priester im Januar unter dem Motto "Do it yourself! Zimmermann kann jede(r)" zu einem Schreiner-Workshop ein – Josef von Nazaret war schließlich auch Zimmermann. Im Gemeindesaal einer nahegelegenen Kirche werkelten junge Erwachsene einen Nachmittag lang unter Anleitung eines Profi-Zimmermanns, und währenddessen boten sich die Patres zum Gespräch an.
Einige Wochen später hieß es dann "Ab ins Beet! Kloster-urban-garden-Pflege mit biblischen Impulsen". Dabei wurde der Klostergarten auf dem Gelände an der Greifswalder Straße umgegraben und neu bepflanzt. Darüber hinaus gibt es regelmäßig wiederkehrende Programmpunkte, zum Beispiel den jährlichen Single-Gottesdienst zum Valentinstag, Tiersegnungs-Gottesdienste unter dem Motto "Sitzt ein Kaninchen in der Kirchenbank" oder die monatlichen Kneipenabende "Über Gott bei Gagarin". Dabei trifft sich Pater Krupa in der Berliner "Bar Gagarin" mit Interessierten zum Gespräch über Gott und die Welt.
Kaum eine Idee – so scheint es – ist zu unkonventionell, als das die Herz-Jesu-Priester sie nicht ausprobieren würden. Das Konzept dahinter erklärt Pater Krupa so: "Wir wollen mit den Menschen in Kontakt kommen und mit ihnen über Dinge sprechen, die sie in ihrem Alltag wirklich betreffen." Die oftmals augenzwinkernden Titel der Veranstaltungen seien dabei Mittel zum Zweck. "Wir müssen eine weltliche Sprache sprechen, um attraktiv zu sein", ist der aus Polen stammende Pater überzeugt. Neue Besucher spreche man schließlich nur selten über die "Vermeldungen" in Gottesdiensten an.
Mit ihren Veranstaltungen orientieren sich die Herz-Jesu-Priester an der Mission ihres Ordensgründers. Der hatte seinen Patres einst den Auftrag gegeben, aktiv auf die Menschen zuzugehen. "Geht raus aus der Sakristei", lautet ein von Dehon überlieferter Ausspruch. "Wir wollen die Menschen treffen, wo sie sind. Und wenn es an der Kneipentheke ist", sagt Ryszard Krupa. Gerade junge Menschen treffe man eher in der Bar als in die Kirche.
Das Angebot des Berliner Herz-Jesu-Klosters existiert seit fünf Jahren. Als die Patres 2013 in die Stadt kamen, waren sie nach eigener Aussage selbst noch Suchende. Zuerst galt es für die kleine Gemeinschaft nämlich, die Menschen in ihrer Umgebung kennenzulernen und mit ihnen in Kontakt zu kommen. "Wir wollten verstehen, was die Menschen um uns herum bewegt und ihnen auf ihre Fragen eine Antwort aufzeigen, die aus dem Glauben an Jesus kommt", erzählt Krupa. Um insbesondere kirchenferne Menschen anzusprechen, entschied sich der Orden bewusst für einen Standort im ehemaligen Ostteil der Stadt.
Offen für "pastorale Experimente"
Inzwischen hat sich das Angebot der Dehonianer in Prenzlauer Berg fest etabliert. Zwar wisse man gerade bei "pastoralen Experimenten" wie der "Ab ins Beet!"-Aktion vorher nie, wie viele Menschen kämen, die meisten Veranstaltungen seien aber gut besucht, erzählt Krupa. Bei besonderen Aktionen sei die Klosterkirche manchmal mit bis zu 200 Besuchern restlos überfüllt, bei anderen Angeboten kämen meist zwischen 20 und 30 Personen. "Das zeigt, dass die Menschen offen sind für kirchliche Angebote, auch in einer solch bunten Stadt wie Berlin", ergänzt Markus Mönch.
Erfreut sind die Patres vor allem, dass sie mit ihrem Angebot tatsächlich auch Menschen ansprechen, die vorher noch nie in einer Kirche waren; auch zu den Gottesdiensten kämen mitunter Leute, die nichts mit Glaube oder Kirche am Hut hätten. "Die Menschen schätzen es, bei uns über Kernfragen des Lebens nachdenken und sprechen zu können", hat Ryszard Krupa beobachtet. Und deshalb werden er und sein Mitbruder nicht aufhören, sich neue Formate auszudenken. Spätestens bei ihrem nächsten Kiez-Spaziergang werden sie überlegen, wie sie die Menschen auch künftig mit ihren Ideen überraschen können.