Berittene Verkünder
Die Menschen drängen sich am Ostersonntag in Hoske, einem kleinen Dorf im sorbischen Teil der Oberlausitz. Nur 150 Menschen wohnen hier. Heute sind mehr als fünfmal so viele Besucher im Dorf unterwegs. Einmal im Jahr, am Ostersonntag, strömen Menschen von überall her. "Wir wollen die Osterreiter sehen", sagt Manja Schubert. Die 30-Jährige ist mit ihrem Mann Jens und den beiden Töchtern Anna und Lea nach Hoske gekommen.
"Das gehört zu Ostern einfach dazu", sagt sie und erklärt, dass sie selber gar nicht in der Kirche sei. "Aber unsere Eltern haben uns als Kinder zu DDR-Zeiten auch schon hierher mitgenommen", ergänzt Jens Schubert. Die Familie wartet auf die Reiter aus Wittichenau, die auf ihrem Ritt in das Dorf Ralbitz an Hoske vorbeikommen. Dabei verkünden Sie mit Gebeten und Liedern in sorbischer Sprache die Auferstehung Jesu Christi.
Ursprung im 15. Jahrhundert
Das Osterreiten in der sorbischen Oberlausitz ist seit mehr als fünf Jahrhunderten Tradition. Die Reiterprozession von Wittichenau nach Ralbitz ist dabei die älteste. Ihre Ursprünge gehen bis in das 15. Jahrhundert zurück. Damals fanden zwischen Hoyerswerda und Wittichenau Reiterprozessionen statt. Seit 1541 zog die Prozession von Wittichenau nach Ralbitz, da in Hoyerswerda die Reformation eingeführt worden war. Bei den Prozessionen ist es üblich, dass ein sogenannter Gegenbesuch stattfindet: Die Wittichenauer reiten nach Ralbitz, die Ralbitzer reiten nach Wittichenau. Dabei wird darauf geachtet, dass die Prozessionen sich nicht begegnen und an möglichst vielen Orten vorbei kommen, um die Osternachricht zu verbreiten.
In Hoske ist jetzt die Wittichenauer Prozession angekommen. Reiter mit roten Fahnen führen sie an. Darauf sind traditionell das Osterlamm oder das Christusmonogramm "XP"gestickt. Manja Schubert zeigt ihren Töchtern zwei Reiter, die besonders wichtig sind. Der Kreuzträger und der Träger der Christusstatue reiten voran. Auch die anderen Männer tragen alle Frack und Zylinder, einige zudem Kränze an der Brust. Die Mutter erklärt: Einen grünen Kranz tragen junge Männer, die zum ersten Mal mitreiten; einen silbernen Kranz trägt, wer seit 25 Jahren Osterreiter ist. Und auch goldene Kränze sind an diesem Sonntag zu sehen. Wer solch einen Kranz trägt, ist seit 50 Jahren dabei.
Nur eine Prozession hat auch einen deutsprachigen Teil
Rund 1.600 Reiter sind an diesem Ostersonntag unterwegs. Ihre Zahl erhöht sich seit Jahren leicht – und das, obwohl ihnen erhebliche Opfer abverlangt werden. An arbeitsfeiern Tagen bereiten sie sich auf das fest vor. Der Pferdebestand in der Lausitz ist begrenzt; viele Tiere werden über mehrere hundert Kilometer hergebracht. Als der Transport der Tiere noch nicht in dem Maße möglich war, waren weitaus weniger Reiter unterwegs: 1974 sank die Zahl der Osterreiter auf nur noch rund 500.
Heute gibt es neun katholische Osterreiterprozessionen in der. Die Prozession von Wittichenau nach Ralbitz ist dabei die einzige mit einem deutschsprachigen Teil. Alle anderen sind rein sorbisch. Nach der Wende ist eine weitere Prozession in der Niederlausitz neu belebt worden. Seit 1998 reiten evangelische Osterreiter von Zerkwitz aus durch den Spreewald.
Einen ähnlichen Hintergrund hat das Saatreiten in Ostritz an der Neiße, das es seit 385 Jahren gibt, an dem rund 100 Reiter teilnehmen. Von den Osterreitern in der sorbischen Lausitz unterscheidet sich der Ritt in Ostritz dadurch, dass neben dem Verkünden der Osterbotschaft die Bitte um gutes Wachstum der Saat auf den Feldern und um Gottes Hilfe für Mensch und Natur im Vordergrund steht. Seit 1993 wird der Brauchökumenisch gepflegt. Auch die katholischen und evangelischen Geistlichen der Region lassen es sich nicht nehmen, den Zug hoch zu Ross zu begleiten.
Von Markus Kremser