Die Wurzel allen Übels ist nicht der Priestermangel
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Priestermangel in Deutschland? Na klar, schon so lange ich denken kann, lautet so das Hauptmonendum von Kirchenleitungen und Pfarrgemeinden. "Wenn wir doch nur mehr Geistliche hätten, keines unserer vielen katholischen Probleme wäre unlösbar." Doch halt: "Mangel" scheint ein relativer Begriff zu sein. So lehrt uns zumindest das gestern publizierte Statistische Jahrbuch der katholischen Kirche.
Den größten Priestermangel gibt es demnach – gemessen an der Zahl der Katholiken pro Priester – in Südamerika: Dort kommen auf einen Priester 7.200 Katholiken, in Europa sind es 1.600, dazwischen liegen Afrika mit einem Verhältnis von 1:5.000 und Asien mit 1:2.200. In Europa trifft man zudem auf die kleinsten Bistümer. Während hier ein Bischof im Schnitt 13.000 Quadratkilometer bereisen muss (das größte deutsche Bistum, Hamburg, hat 32.500) sind es in Ozeanien über 105.000 Quadratkilometer.
Für deutsche Katholiken muss das frustrierend sein: Kann schon kein "reaktionärer" römischer Papst mehr herhalten für das Hinken und Knirschen der deutschen Frömmigkeit – wie unglaublich inspirierend unser Papst ist, zeigt uns aktuell der faszinierende Film von Wim Wenders – so taugt nun auch der Priestermangel nicht mehr, um als Wurzel allen Übels die katholische Welt zu erklären.
Was also tun? Nicht wenige Diözesen organisieren ja tatsächlich Reisen zur Südhalbkugel, um von dortigen Basisgemeinden und Großpfarreien zu lernen, in denen – wie im brasilianischen Amazonasgebiet – bisweilen nur einmal im Jahr ein geweihtes Haupt zum Spenden der Sakramente vorbeischaut. Und tatsächlich dürfte die weitverbreitete Konsumhaltung unter Katholikinnen zur aktuellen Lähmung eigener Aktivitäten Wesentliches beitragen.
Doch muss tatsächlich erst Personal und Struktur auf brasilianische Verhältnisse "gesundgeschrumpft" sein, damit in Gemeinden wieder der Wind des Heiligen Geistes weht? Da sei Gott vor. Das Bewusstsein, dass die aktuelle keine Notlage ist, sondern im weltweiten Vergleich immer noch nicht nur finanziell, sondern auch personell luxuriös, könnte nun so manches Lamentieren im Keim ersticken. Nicht nur der letzte Katholikentag macht zudem Hoffnung, dass die Gläubigen sich ihrer Aufgabe und der Freude, die das aktive Leben des eigenen Glaubens bringen kann, auch ohne die gewohnt enge Betreuung (und Kontrolle) durch einen Priester, wieder neu bewusst werden.