Was ist ein Kardinal?
Am 28. Juni nimmt Papst Franziskus 14 neue Mitglieder in das Kardinalskollegium auf. Damit steigt die Gesamtzahl der Kardinäle in der Weltkirche auf 226. Dennoch ist die Anzahl derjenigen, die einen neuen Papst wählen dürften, weit geringer: Nur 125 Purpurträger haben die Altersgrenze von 80 Jahren noch nicht erreicht und wären somit in einem Konklave wahlberechtigt. Dass die Kardinäle den Pontifex Maximus wählen, dürfte selbst kirchenfernen Menschen ein Begriff sein. Doch was sollte man sonst noch über die Herren in "Purpur" wissen?
Das Wichtigste direkt zu Beginn: Anders als "Diakon", "Priester" oder "Bischof" bezeichnet das Wort "Kardinal" kein Amt in der katholischen Kirche. Der Begriff stammt vom lateinischen "cardinalis" (wichtig, vorzüglich) und steht für eine vom Papst verliehene Würde – genauer für die nach dem Pontifex Maximus höchste Würde der Kirche. Gleichwohl handelt es sich um mehr als "nur" einen päpstlichen Ehrentitel: Der auf Lebenszeit verliehene Kardinalstitel beruft den Träger zur besonderen Mitverantwortung an der Gesamtleitung der Kirche sowohl im Kardinalskollegium (dem "Senat" des Papstes) als auch an der Römischen Kurie. Hinzu kommt das Recht – bis zur Vollendung des 80. Lebensjahres –, an einer Papstwahl teilzunehmen.
Wie man Kardinal wird
Aber wie kommt man eigentlich zu dieser außerordentlichen Würde? Grundsätzlich hat der Papst wortwörtlich die freie Wahl und verleiht den Kardinalstitel nach eigenem Ermessen. Zumeist handelt es sich um verdiente Bischöfe. Die Annahme, dass ausschließlich Bischöfen die Würde verliehen wird, ist hingegen ein weit verbreiteter Irrtum. Laut dem Kirchenrecht müssen Kardinäle "wenigstens die Priesterweihe empfangen haben, sich in Glaube, Sitte, Frömmigkeit sowie durch Klugheit in Verwaltungsangelegenheiten auszeichnen" (Can. 351 §1 CIC). Jeder geweihte Priester kann also prinzipiell Kardinal werden, was durchaus vorkommt: So war zum Beispiel der deutsche Kardinal Walter Brandmüller zum Zeitpunkt der Bekanntgabe seiner Aufnahme ins Kardinalskollegium lediglich Priester – wurde dann aber kurz vor seiner Kardinalserhebung zum Bischof geweiht. Denn "wer noch nicht Bischof ist, muss die Bischofsweihe empfangen", führt das Kirchenrecht weiter aus. Allerdings kann der Papst hiervon dispensieren, sodass nicht jeder Kardinal Bischof ist.
Auch wenn potenziell alle Priester respektive Bischöfe der Weltkirche Kardinäle werden können, so lässt sich in verschiedenen Fällen eine Kardinalserhebung doch leicht vorhersagen: Die Leiter der römischen Kongregationen etwa befinden sich traditionell im Kardinalsstand – sind sie es bei ihrem Amtsantritt noch nicht, geschieht die Erhebung meist (relativ) zeitnah. So wird der im vergangenen Juli ernannte Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof Luis Ladaria, nun ein Jahr nach seiner Amtsübernahme in den Kardinalsstand erhoben. Ebenfalls ist das Amt des vatikanischen Staatssekretärs, des "zweiten Manns" hinter dem Papst, für gewöhnlich mit dem Titel verbunden, weshalb die Funktion gemeinhin als Kardinalstaatssekretär bezeichnet wird; derzeit ist das Kardinal Pietro Parolin. Neben weiteren Dikasterien-Leitern an der Kurie ist auch bei den Oberhirten so mancher Diözesen eine Kardinalserhebung vorhersehbar: In Deutschland beispielsweise sind die Erzbistümer Köln sowie München und Freising traditionell mit dem Kardinalstitel verbunden.
Die Neuen werden bei ihrer Aufnahme ins Kardinalskollegium nicht zum Kardinal "ernannt" und schon gar nicht geweiht: Sie werden "kreiert" – also geschaffen. Dies geschieht per Dekret des Papstes, das bei einem sogenannten Konsistorium – der Versammlung der Kardinäle – verkündet wird. Konsistorien dienen der Beratung mit dem Papst, und nicht immer werden dabei neue Kardinäle benannt oder kreiert. Man unterscheidet zwischen ordentlichen und außerordentlichen Konsistorien. Bei ersteren werden die in Rom lebenden Kardinäle einberufen, bei letzteren sind alle Kardinäle verpflichtet teilzunehmen. Erst durch die Verkündung des Dekrets vor dem Kardinalskollegium erlangt die Erhebung zum Kardinal Rechtswirksamkeit.
Wenn sich Kleidung und Anrede ändern
Durch die Kardinalskreierung ändert sich die Kleidung des entsprechenden Klerikers. Beim Konsistorium bekommt er vom Papst den speziellen Kardinalsring sowie das Kardinalsbirett als Kopfbedeckung verliehen. Wie auch der Talar und die Mozetta – der Schulterüberwurf – eines Kardinals ist das Birett in Scharlachrot gehalten. Die zweite Kopfbedeckung – das als "Pileolus" bezeichnete runde Scheitelkäppchen – ist ebenfalls in Rot gehalten. Dass dennoch bis heute die Kardinäle als "Purpurträger" bezeichnet werden, hat historische Gründe: Früher trugen sie nach dem Tod des Papstes und zum darauffolgenden Konklave einen Talar in einem fast violett wirkenden dunklen Purpur. Außerhalb der Liturgie trägt der Kardinal heute eine schwarze Soutane mit rotem Nahtbesatz und roten Knöpfen. Das Scharlachrot soll die Würde des Titels zum Ausdruck bringen und verweist darauf, dass die Kardinäle bereit sein sollen, unter allen Umständen – gewissermaßen bis zum Martyrium gehend – für den christlichen Glauben einzustehen. Der früher übliche große Kardinalshut mit herabhängenden roten Quasten wurde 1969 von Paul VI. abgeschafft und erscheint heute nur noch im Wappen eines Bischofs im Kardinalsrang.
Linktipp: Konsistorium, Kardinal und Co.
Katholisch.de erklärt wichtige Begriffe rund um die Zeremonie im Petersdom.Der vollständige Titel eines Kardinals lautet "Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinalis" ("Kardinal der Heiligen Römischen Kirche"). Als Namensbestandteil wird das Wort "Kardinal" üblicherweise zwischen Vor- und Familiennamen geführt; die protokollarische Anrede lautet "(Eure) Eminenz". Darüber hinaus "absorbiert" der Kardinalstitel sämtliche anderen Titel einer Person, sodass es zum Beispiel keinen "Kardinal Prof. Dr. XY" gibt. Mit der Würde sind zudem eine Reihe von Rechten und Pflichten verbunden. Der Kardinal besitzt das Recht, in seiner eigenen Kirche begraben zu werden, er kann überall in der Welt das Bußsakrament spenden, er darf bei Verfehlungen gegen das Kirchenrecht nur vor das Gericht des Papstes gezogen werden und den Ort zur Zeugenvernehmung selbst bestimmen. Die Kurienkardinäle sind zur Residenz in Rom verpflichtet und müssen sich beim Papst "abmelden", wenn sie die Ewige Stadt verlassen. Zudem sind alle Kardinäle dazu verpflichtet, sich jederzeit auf Wunsch des Papstes nach Rom zu begeben.
Kardinal ist nicht gleich Kardinal
Kardinal ist aber längst nicht gleich Kardinal. Man unterscheidet vielmehr drei Klassen: Aufsteigend sind das Kardinaldiakone, Kardinalpriester und Kardinalbischöfe. Um die Verbindung der Kardinäle mit dem Papst deutlich zu machen, wird ihnen ein "Titelsitz" in Rom oder der unmittelbaren Umgebung zugewiesen; somit gehören Kardinäle auch zum Klerus der Ewigen Stadt. Bei den Kardinaldiakonen – unter die Klasse fallen Kurienkardinäle – ist dieser Sitz eine römische Diakonie; das meint spezielle Gebäude innerhalb Roms, die historisch mit der Armenfürsorge im jeweiligen römischen Stadtteil verbunden waren. Nach frühestens zehn Jahren haben Kardinaldiakone das Recht, den Papst um die Erhebung in den Stand eines Kardinalpriesters zu bitten (vgl. Can. 350 §5 CIC). Der dienstälteste Kardinaldiakon wird Kardinalprotodiakon genannt. Er verkündet den Namen des neugewählten Papstes von der Benediktionsloggia des Petersdoms aus der Öffentlichkeit. Derzeitiger Kardinalprotodiakon ist Renato Raffaele Martino.
Der zweiten Klasse der Kardinalpriester wird jeweils eine römische Titelkirche zugewiesen. Dabei handelt es sich um meist geschichtsträchtige Gotteshäuser im Rang einer Pfarrkirche, deren Zahl sich derzeit auf etwa 150 beläuft. Der Priester-Klasse gehören mit weitem Abstand die meisten Kardinäle der Weltkirche an, so zum Beispiel auch Kardinal Reinhard Marx und Kardinal Rainer Maria Woelki. Der höchsten Klasse der Kardinalbischöfe schließlich sind die sogenannten suburbikarischen Bistümer zugeordnet. Als suburbikarisch werden jene Bistümer bezeichnet, die zu den ältesten Diözesen der Kirche überhaupt gehören und die sich alle im Umkreis von Rom befinden: Im Einzelnen handelt es sich um Ostia, Albano, Frascati, Palestrina, Porto-Santa Rufina, Sabina-Poggio Mirteto und Velletri-Segni. Den Bischöfen dieser Bistümer kam historisch die Sonderrolle zu, dem Papst bei der Leitung der Gesamtkirche zu assistieren. Daraus entwickelten sich die Kardinalbischöfe. Ob Titelkirche oder -bistum: Die Kardinäle üben dort faktisch keine Leitungsgewalt aus, sondern haben lediglich eine Schirmherrschaft darüber inne.
Der ranghöchste Kardinal heißt Kardinaldekan und ist Vorsitzender des gesamten Kardinalskollegiums. Zurzeit nimmt diese Position Kardinal Angelo Sodano ein. Der Kardinaldekan wird aus den Reihen der Kardinalbischöfe gewählt und erhält zusätzlich immer den Titel Kardinalbischof von Ostia. Mit dem Titel des Dekans gehen vor allem repräsentative Aufgaben einher. Als "primus inter pares" (Erster unter Gleichen) hat der Kardinaldekan keine Leitungs- oder Jurisdiktionsgewalt über die übrigen Kardinäle. Zum Zuge kommt er vor allem während der Sedisvakanz: Er ruft die Kardinäle der Welt zum Konklave nach Rom zusammen, leitet bis zur Papstwahl die täglichen Generalkongegrationen des Kardinalskollegiums zur provisorischen Kirchenleitung, steht für gewöhnlich dem Beerdigungsgottesdienst für den verstorbenen Papst vor und leitet schließlich das Konklave in der Sixtinischen Kapelle.
Lange Geschichte, kurz erzählt
Die Geschichte der Kardinäle ist lang: Es handelt sich um die älteste kirchliche Ehrenfunktion, bereits in der Alten Kirche fungierten die ranghöchsten Priester als Berater des römischen Bischofs. Papst Silvester I. (314-335) sprach von den "presbyteri et diaconi cardinales". Um 1100 war die Entwicklung der drei Kardinalsklassen abgeschlossen, im Jahr 1130 wählten die Kardinäle erstmals gemeinsam den Papst. Endgültig erhielten sie das ausschließliche Papstwahlrecht im Jahr 1179 unter Alexander III. Im Laufe des Mittelalters und der frühen Neuzeit nutzten die Päpste ihr freies Recht auf Kardinalsernennungen häufig, um die eigene Macht zu vermehren respektive aus (kirchen-)politischen Interessen. Der Borgia-Papst Alexander VI. (1492-1503) beispielsweise machte kurz nach seiner Wahl den eigenen, erst 17-jährigen Sohn Cesare zum Kardinal.
Während das Kardinalskollegium ursprünglich vorwiegend aus Italienern, in späterer Zeit zumindest noch primär aus Europäern bestand, hat sich seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) eine zunehmende Internationalisierung im Reigen der Purpurträger vollzogen; noch immer stellt jedoch Europa unter den Kontinenten die meisten Kardinäle. Auch die Anzahl der Würdenträger stieg im 20. Jahrhundert massiv an. Papst Johannes Paul II. etwa kreierte in 26 Amtsjahren insgesamt 231 Kardinäle. Aus Deutschland stammen derzeit acht Kardinäle, von denen drei in einem Konklave wahlberechtigt wären: Friedrich Wetter (90), Walter Brandmüller (89), Walter Kasper (85), Karl-Josef Rauber (84), Paul Josef Cordes (83), Gerhard Ludwig Müller (70), Reinhard Marx (64) und Rainer Maria Woelki (61).