Warum ein verheirateter Mann Priester wird
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Hartmut Constien (43) kommt aus Bremen und war evangelischer Pfarrer. Constien ist verheiratet und hat drei Kinder. Der 43-Jährige studierte zunächst evangelische Theologie, wurde 2006 in den Dienst der evangelischen Kirche aufgenommen und war als Pfarrer tätig. 2014 konvertierte er mit seiner Frau und seinen Kindern zur katholischen Kirche. Jetzt will er sich in Regensburg zum katholischen Priester weihen lassen. Wie es dazu kam, erzählt er im Interview.
Frage: Herr Constien, Sie waren evangelischer Pastor. Wie kam es dazu, dass Sie katholisch werden wollten?
Constien: Wie Sie sich sicherlich vorstellen können, war das keine ganz spontane Entscheidung. Zu dem Entschluss, dass ich in die volle Gemeinschaft der katholischen Kirche aufgenommen werden wollte, führte mich ein recht langer Weg des Nachdenkens und der Auseinandersetzung mit der Theologie. Als ich evangelischer Pfarrer wurde, stellte sich mir immer mehr die Frage nach meinem eigenen kirchlichen Standort. Ausschlaggebend war am Ende dann die Erfahrung, dass mein persönlicher Glaube und meine Art den Glauben zu leben katholisch sind. Da war es dann eine Gewissensentscheidung zu sagen: So kann ich nicht länger evangelischer Pastor sein.
Frage: Wie waren die Reaktionen auf Ihre Entscheidung?
Constien: So unterschiedlich wie Menschen sind. Das ging von großer Unterstützung und Verständnis, über Betroffenheit bis hin zu starker Ablehnung und Enttäuschung. Es war dabei aber keineswegs so, dass es vor allem die Katholiken waren, die sich freuten, und die Protestanten, die ablehnend reagierten. Das ging dabei sowohl auf der einen wie auf der anderen Seite sehr ökumenisch durcheinander.
Frage: Sie sind verheiratet und haben drei Kinder. Wie hat Ihre Familie darauf reagiert, als Sie katholisch werden wollten?
Constien: Es war, Gott sei Dank, keine einsame Entscheidung von mir. Vielmehr war es ein gemeinsamer Weg, den meine Frau, die ebenfalls Theologin ist, und ich gegangen sind und den wir weiterhin gemeinsam gehen. Wir haben viel miteinander gesprochen, haben uns mit der katholischen Lehre auseinandergesetzt, um den Glauben der Kirche besser zu verstehen, haben uns Hilfe gesucht bei Freunden und Seelsorgern und nicht zuletzt auch Klarheit im Gebet gefunden, so dass wir 2014 in Regensburg gemeinsam konvertiert sind. Was meine Kinder betrifft: Mein ältester Sohn war damals sechs Jahre alt. Wir hatten die Kinder ohnehin schon vor der Konversion in einem Geist erzogen, der in der katholischen Tradition wurzelte. Wir haben mit ihnen abends etwa das "Gegrüßet seist du Maria" gebetet und sind im Urlaub nur in eine katholische Messe gegangen. Ich glaube für sie war das – abgesehen vom Umzug von Hessen nach Bayern – gar kein so harter Bruch.
Frage: Wie reagieren Ihre Amtskollegen darauf, dass Sie verheiratet sind?
Constien: Man kann natürlich nicht in Menschen hineinschauen. Aber bislang waren die Reaktionen von meinen Mitbrüdern im Priesterseminar sowie in der Pfarrei und im Dekanat immer sehr wohlwollend und interessiert. Vielleicht liegt das auch daran, dass es in unserem Bistum schon seit den 1960er Jahren eine gewisse Tradition gibt, dass immer wieder verheiratete Geistliche aus der evangelischen Kirche in Regensburg zu Priestern geweiht wurden. Dadurch ist das Thema hier durchaus bekannt und erweckt nicht sofort ein großes Erstaunen.
Frage: Gab es auch negative Reaktionen – wie sind Sie damit umgegangen und wie argumentieren Sie?
Constien: Wirklich negative Reaktionen gab es vor allem von einigen Protestanten, die mit großem Unverständnis reagierten. Ich habe immer wieder versucht zu erklären, dass ich mich nicht gegen meine ehemalige Kirche gewendet habe, sondern ich habe mich für die katholische Kirche und damit für die Einheit der Kirche entschieden. Unter Katholiken gab es viel seltener solche negativen Reaktionen. Wenn, dann waren es immer solche Leute, die sich selbst ohnehin mit der katholischen Kirche schwer taten. Da hilft es vielleicht zu zeigen, dass ich eine andere Perspektive, mehr von außen auf die katholische Kirche drauf habe, aus der sich der große Schatz des Glaubens anders erschließt.
Frage: Warum wollen Sie katholischer Priester werden?
Constien: Der Wunsch Geistlicher zu werden ist schon in meiner Jugend gewachsen. Als ich dann Abitur gemacht habe wurde mir bald klar, dass ich mich von Gott ganz in den Dienst nehmen lassen wollte. In meiner lutherischen Kirche bin ich aufgewachsen und dort dann auch Pastor geworden. Als ich 2014 konvertiert bin, gab es keine definitive Zusage, dass ich Priester werden könnte. Ich wollte vor allem katholisch sein. Dass Gott mich diesen besonderen Weg hierher nach Regensburg geführt hat – anders kann ich es nicht ausdrücken –, war für mich ein großes Glück. Denn Bischof Rudolf war bereit, in seinem Bistum den Weg mit mir auch zum Priestertum zu gehen. Ich wollte Pfarrer sein und ich wollte dann irgendwann auch katholisch sein. Dass nun beides mit päpstlicher Dispens (Ausnahmeregelung) möglich wird, dafür bin ich sehr dankbar.
Frage: Welche Eigenschaften sollte Ihrer Meinung heute ein guter Priester haben?
Constien: Ich glaube es gibt drei wichtige Grundeigenschaften: Erstens sollte ein guter Priester eine lebendige Beziehung zu Gott haben. Das heißt, ein Priester muss selbst ein geistlicher Mensch sein, der seinen Glauben lebt. Wenn ich beispielsweise nicht gerne Ski fahre, sollte ich besser nicht Skilehrer werden. Das muss für einen Priester auch gelten. Seine Aufgabe ist es, den Glauben zu vermitteln, Menschen für Gott zu gewinnen und zu beten. Zweitens muss er sich für die Inhalte des Glaubens interessieren. Ganz seltsam finde ich es, wenn Geistliche – egal ob evangelische oder katholische – und auch angehende Geistliche an den Glaubensinhalten, der Kirchengeschichte, der Exegese und allen Bereichen der Theologie kein Interesse zeigen. Wieder mein Beispiel: Wenn ich keinen Schnee und keine Berge mag, kann ich nicht Ski fahren und es anderen schon gar nicht vermitteln. Ich finde: Priester müssen gute Theologen sein. Sie müssen die Grundlagen des Glaubens kennen, den sie vermitteln wollen, sie müssen in der Kirche stehen, in der sie Priester sind. Und drittens muss ein Priester ein Menschenfreund sein. Wenn ich sehe, wie sehr Gott die Menschen liebt, wie er in seinem Sohn Jesus Christus sein Letztes gibt für sie, dann dürfen mir die Menschen um mich herum nicht egal sein. Das gilt im Grunde für jeden Christen, für die Priester aber in besonderer Weise. Papst Franziskus hat der Kirche und ihren Priestern die tätige Nächstenliebe sehr deutlich noch einmal ins Stammbuch geschrieben.
Frage: Sie werden am 6. Juli in der Regensburger Schottenkirche geweiht. Warum nicht mit ihren Mitbrüdern am 30. Juni im Dom?
Constien: Ich hatte schon erwähnt, dass es für die Priesterweihe eines verheirateten Mannes einer Ausnahme bedarf, die der Papst im Einzelfall selbst gibt. Dieser sogenannte Dispens wurde unter bestimmten Bedingungen von Papst Franziskus gewährt. Und eine dieser Bedingungen lautete, dass ich in einem gesonderten Gottesdienst die Priesterweihe empfangen soll. Diese Entscheidung des Papstes setzt das Bistum damit um.
Frage: Worauf freuen Sie sich beim Weihegottesdienst?
Constien: Ich freue mich, dass meine Weihekurs-Kollegen zum größten Teil und viele Seminaristen dabei sein werden. Ich freue mich, dass viele Freunde aus meinem persönlichen Umfeld, aus dem Studium und meiner ehemaligen Wirkungsstätte am Institut Papst Benedikt XVI. sowie aus meiner Pfarrei diesen Gottesdient mitfeiern, besonders dass meine Familie dabei sein wird. Und ich freue mich, dass Bischof Rudolf Voderholzer die Weihe persönlich vornehmen wird.
Frage: Welche Aufgaben werden Sie als Priester nach der Weihe übernehmen? Gibt es hierbei irgendwelche Einschränkungen?
Constien: Also grundsätzliche Einschränkungen gibt es hierfür nicht mehr. Es ist die Aufgabe des Bischofs darüber zu entscheiden, wo ein Priester eingesetzt wird. Im Bistum Regensburg erfahren die Kandidaten erst nach der Priesterweihe, wo das sein wird. Ich freue mich jedenfalls auf die Aufgaben, die mich dann erwarten werden.
Frage: Was fasziniert Sie an der katholischen Kirche und was nicht?
Constien: Es gibt in der katholischen Kirche ein Bewusstsein dafür, dass der Gläubige nicht für sich allein glaubt und lebt. Das fasziniert mich besonders: Wir sind Teil einer lebendigen Gemeinschaft von Glaubenden über den ganzen Erdkreis und auch über die ganze Geschichte der Kirche hinweg. Dieses Bewusstsein der sichtbaren Einheit der Kirche gibt es in den evangelischen Kirchen so nicht. Das macht "katholisch" im Ursprung des Wortes aus: allumfassend, zu allen Zeiten und an allen Orten. Das gilt besonders für die Liturgie, wenn der Glaube mit allen Sinnen erfahrbar wird.
Frage: Wenn Sie an die aktuelle Debatte um die Kommunionfrage denken, wie ist Ihre Meinung dazu?
Constien: Ich kann sagen, was ich selbst getan habe, als ich noch evangelisch war: Zwischen dem Wunsch nach der vollen Gemeinschaft der katholischen Kirche bis zur Konversion lag nämlich eine ganze Weile. In dieser Zeit hatte ich wirklich einen eucharistischen Hunger. Aber ich habe sehr bewusst darauf verzichtet, mir die Eucharistie in der katholischen Kirche zu nehmen. Ich glaube vielmehr, dass die Kommunion der höchste Ausdruck kirchlicher Gemeinschaft ist und damit Ziel von ökumenischen Bemühungen sein muss. Und so wurde bei meiner Konversion der erste Empfang der Kommunion zum sichtbaren Ausdruck: Jetzt bin ich Teil der katholischen Kirche! Die Spaltung der Kirche ist wirklich eine echte Verletzung des Leibes Christi. Das tut weh. Aber dieser Schmerz ist meines Erachtens auch notwendig, damit wir alles daran setzen, die sichtbare Einheit der Kirche zu verwirklichen und erst dann gemeinsam die Kommunion zu feiern.
Frage: Wem danken Sie als erstes, wenn Sie geweiht wurden?
Constien: Gott! Denn er hat mich wunderbar geführt.