Dieser belgische Priester begründete die Urknall-Theorie
Google Doodles, die kleinen animierten Bildchen, die das Logo der Suchmaschine verändern und an ein Ereignis oder eine Person erinnern, erreichen immer wieder eine große Aufmerksamkeit. An diesem 17. Juli sieht man einen Priester, der mit geschlossenen Augen zufrieden lächelt, während aus seinem Kopf heraus Sterne und Galaxien entstehen und auseinanderdriften. Es handelt sich um Georges Lemaitre (1894-1966), den belgischen Priester und Astrophysiker, der die Urknall-Theorie begründete. In einem Dutzend Ländern ist dieses Doodle auf der Startseite der Suchmaschine zu sehen, etwa in Frankreich und Großbritannien – in Deutschland allerdings nicht.
Viele hätten von der Big-Bang-Theory gehört, aber nur wenige von Lemaitre, erklärt Google seine Auswahl. Edwin Hubble, der 1929 beobachtete, dass sich das Universum ausbreitet, sei viel bekannter, auch wegen der von ihm entdeckten Hubble-Konstante und des nach ihm benannten Weltraumteleskops. Allerdings war es Lemaitre, der bereits 1927 seine Ideen zur Expansion des Universums aufschrieb und veröffentlichte – basierend auf der Relativitätstheorie von Albert Einstein. Laut der kurzen Information, die dem Google-Doodle angefügt ist, hat Einstein Lemaitres Arbeit mit folgenden Worten kritisiert: "Deine Berechnungen sind korrekt, aber deine Physik ist grauenvoll." Für ihn suggerierte die Theorie zu viel Schöpfung. "Die Hypothese des Ur-Atoms ist die Antithese zur übernatürlichen Erschaffung der Welt", hielt Lemaitre Einstein zwei Jahre später während einer gemeinsamen Reise entgegen. Danach revidierte Einstein seine Meinung.
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Der aus Charleroi stammende Lemaitre wollte schon als Junge Priester und Wissenschaftler werden. Nach dem Ersten Weltkrieg, bei dem er als Freiwilliger in der belgischen Armee kämpfte, studierte er an der Katholischen Universität Löwen Physik und Mathematik und trat ins Priesterseminar der Erzdiözese Mechelen ein. Nach seiner Weihe im Jahr 1923 setzte Lemaitre seine Studien an der britischen Universität Cambridge und am US-amerikanischen "Massachusetts Institute of Technology" (MIT) fort. Zurück in Löwen übernahm er 1925 eine Teilzeitprofessur und begann, seine Theorie vom "Uratom" oder vom "kosmischen Ei" aufzuschreiben. Diese Grundlagen der Urknall-Theorie folgerte er aus der Expansion des Universums und dem Auseinanderdriften der Galaxien von einem konzentrierten Punkt aus.
Lemaitre versuchte allerdings nie, ein Erstentdeckerrecht auf die Theorie vom "Big Bang" zu beanspruchen. Erst 1931 übersetze er seinen Aufsatz über die Idee des Urknalls ins Englische – und kürzte dabei entscheidende Passagen. Hubble habe die Konstante und Berechnungen über die Ausdehnungsrate des Universums bereits 1929 detaillierter dargelegt, lautete seine Begründung.
Lob von Einstein
Ganz übergangen wurde Lemaitres Leistung freilich nicht: Nach einer Vorlesung in Kalifornien lobte ihn der einst kritische Einstein öffentlich und sagte, es handele sich um die "schönste und am meisten zufriedenstellende Erklärung der Erschaffung ", die er je gehört habe. 1934 erhielt Lemaitre die höchste wissenschaftliche Auszeichnung Belgiens, den Francqui-Preis, zwei Jahre später den französischen Astronomenpreis Prix Jules-Janssen und von 1960 bis zu seinem Tod war er Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften.
„Weder hat die Wissenschaft meinen Glauben erschüttert, noch war die Religion je Ursache, Schlussfolgerungen in Frage zu stellen, die ich durch wissenschaftliche Methoden erlangt habe.“
Bereits 1951 hatte die Päpstliche Akademie Lemaitres Theorie akzeptiert. Für den Priester habe es keinen Widerspruch zwischen Glaube (einschließlich Schöpfungsglauben) und Wissenschaft gegeben, erklärte der Direktor der vatikanischen Sternwarte, der US-Jesuit Guy Consolmagno, im vergangenen Jahr. "Die Schöpfung Gottes erfolgt kontinuierlich. Wenn wir glaubten, dass der Schöpfergott nur im Moment des Big-Bang handelte, hieße das, ihn auf eine Figur wie Jupiter zu reduzierten – der nicht ein Gott ist, an den die Christen glauben."
Lemaitre war auch Vorbild für einen konstruktiven Austausch unterschiedlicher wissenschaftlicher Ansätze. Bei einer Akademie-Sitzung 1957 im Vatikan sei er mit seinem wissenschaftlichen Gegenspieler, dem britischen Astronomen Fred Hoyle zusammengetroffen, berichtet Consolmagno. Der Vertreter der konkurrierenden "Steady-State-Theorie" (Gleichgewichtstheorie) hätte sich dabei ausführlich mit Lemaitre ausgetauscht, sie seien Freunde geworden und später sogar gemeinsam in Urlaub gefahren. Ansonsten pflegte Lemaitre wenig Kontakte, schrieb kaum Briefe und blieb ein Einzelgänger. Kurz vor seinem Tod am 20. Juni 1966 erfuhr er noch, dass die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung entdeckt wurde – wieder etwas, das seine Theorie stützte.