Großmufti von Jerusalem warnt vor einem "Religionskrieg"

Scharfe Kritik an jüdischen Besuchen auf dem Tempelberg

Veröffentlicht am 23.07.2018 um 12:47 Uhr – Lesedauer: 
Israel

Amman/Ramallah/Jerusalem ‐ Der Tempelberg ist nicht nur für Muslime von Bedeutung. Am Sonntag gedachten die Juden dort der Zerstörung ihres Tempels. Jetzt droht die Eskalation. Der Großmufti spricht sogar von einem "Religionskrieg".

  • Teilen:

Jüdische Besucher auf dem Tempelberg in Jerusalem haben für scharfe Kritik gesorgt. Jordanien verurteile "die anhaltenden israelischen Verletzungen und Provokationen gegen die Al-Aksa-Moschee und den Haram al-Scharif-Bezirk aufs Schärfste", sagte die jordanische Regierungssprecherin Jumana Ghneimat laut örtlichen Medienberichten.

Bis zu 1.400 Juden hatten den Tempelberg laut Berichten am Sonntag zum jüdischen Gedenktag der Zerstörung des Jerusalemer Tempels "Tischa Be'Av" besucht. Dabei kam es laut Polizei zu 15 Festnahmen wegen unzulässiger Gebetsgesten und "demonstrativ-jüdischer" Aktivitäten.

Ghneimat: Heiligkeit des Ortes verletzt

Die unter Polizeischutz durchgeführten jüdischen Besuche verletzten die Heiligkeit des Ortes sowie die Gefühle muslimischer Beter, kritisierte Ghneimat laut Berichten. Gleichzeitig verletze Israel seine Verpflichtungen als Besatzungsmacht unter internationalem Recht und Völkerrecht. Jordanien forderte Israel zu einem sofortigem Stopp der Besuche auf.

Die palästinensischen Autonomiebehörde (PA) sprach unterdessen von einem "schwarzen Tag in der Geschichte der Stadt Jerusalem und in der Geschichte Palästinas". Juden auf dem Tempelberg seien eine Herausforderung für die arabischen und islamischen Nationen sowie eine Verletzung internationalen Rechts.

Bild: ©Fotolia.com/Robert Hoetink

Die Klagemauer in der Jerusalemer Altstadt ist die wichtigste Gebetsstätte des Judentums.

Der Großmufti von Jerusalem, Scheich Mohammed Hussein, warnte angesichts der wiederholten jüdischen Besuche vor einem Religionskrieg. Jüdische Israelis sorgten mit ihren Besuchen für eine "Atmosphäre extremer Spannung", erklärte er. Die Al-Aksa-Moschee sei eine ausschließlich islamische Stätte, auf die weder Siedler noch andere Anrecht hätten. Die arabischen Rechte an Jerusalem und seinen heiligen Stätten würden "um keinen Preis" aufgegeben. Zuletzt hatte der Großmufti bereits archäologische Ausgrabungen Israels unter dem Tempelbergareal kritisiert. Dabei würden islamische Funde zerstört und die Identität der Stadt zugunsten einer Judaisierung verändert.

Der Tempelberg, auf dem nach biblischer Überlieferung die Tempel des Salomo und des Herodes standen, ist für Juden, Muslime und Christen eine wichtige Heilige Stätte. Für Christen ist er von Bedeutung, da das Neue Testament mehrfach von Jesus im Tempel berichtet. Der Tempelberg wird damit zu einer der von Jesus besuchten Stellen, die sich anders als andere biblische Stätten mit unsicherer Identifikation zweifelsfrei lokalisieren lässt. Auch die Erschaffung Adams und Evas und die Opferung Isaaks sind mit dem Ort verbunden. Seit dem 13. Jahrhundert beten Juden an der sogenannten Klagemauer, die dem zerstörten Allerheiligsten des Tempels am nächsten ist.

Immer wieder Zusammenstöße am Tempelberg

Auch für Muslime ist der Berg mit dem Felsendom und der El-Aksa-Moschee von zentraler Bedeutung. Nach koranischer Überlieferung trat der Prophet Mohammed von dort aus seine nächtliche Himmelsreise an. Die Al-Aksa-Moschee ist das dritte Heiligtum nach Mekka und Medina.

Der geltende Status Quo gestattet Nichtmuslimen den Besuch; das öffentliche Gebet auf dem Tempelberg ist Muslimen vorbehalten. An Besuchen nationalistischer Israelis auf dem Tempelberg sowie an jüdischen Forderungen nach dortigen Gebetsrechten entzündete sich in der Vergangenheit wiederholt teils gewalttätiger Protest von Palästinensern. (bod/KNA)