Benjamin Leven über Forderungen aus dem Innenministerium

Was soll ein deutscher Islam sein?

Veröffentlicht am 25.07.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Benjamin Leven über Forderungen aus dem Innenministerium

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Die Muslime in Deutschland hätten die Aufgabe, einen "deutschen Islam" zu definieren – "auf dem Boden unserer Verfassung". Das sagte kürzlich der für "Heimat" zuständige Staatssekretär im Innenministerium, Markus Kerber, der "Bild"-Zeitung. Kerber kündigte an, zum Neustart der Islamkonferenz im Herbst sollten auch Einzelpersonen eingebunden werden, darunter "kritische muslimische Stimmen zum Islam".

Die Aussagen des Staatssekretärs wecken ungute Assoziationen. Man stelle sich vor, die Regierung berufe von ihr ausgewählte Personen – darunter Vertreter der Giordano-Bruno-Stiftung – in ein Gremium, das die Aufgabe habe, ein "deutsches Christentum" zu definieren. Man könnte sich auch an die Forderung der kommunistischen Führung Chinas erinnert fühlen, die Religionen müssten sich "sinisieren", also chinesisch werden.

Natürlich hat der Staat ein berechtigtes Interesse, dass sich Religionsgemeinschaften auf der Grundlage der Verfassung bewegen. Was sollte aber darüber hinaus in einer liberalen Demokratie den Religionen an "Deutschsein" abverlangt werden können? Was soll also ein deutscher Islam sein – ein weniger religiöser Islam etwa, der auch "Islamkritik" mit einschließt? Ali Kizilkaya, der Vorsitzende des Islamrats, einem der vier großen muslimischen Dachverbände in Deutschland, bezeichnete Kerbers Äußerungen mit Recht als Anmaßung.

Zur von der Verfassung garantierten Religionsfreiheit gehört, dass die Religionen selbst darüber befinden, wie sie sich organisieren wollen und was ihre Identität ausmacht. Daran, dass das so bleibt, muss im Übrigen auch die katholische Kirche ein Interesse haben. Mehrere australische Bundesstaaten wollen katholische Priester künftig per Gesetz zwingen, das Beichtgeheimnis zu brechen, um Missbrauchsfälle besser aufklären zu können. Vieles, was traditionell Teil katholischer Glaubensüberzeugung ist, ist heute gesellschaftlich unplausibel – und der Anpassungsdruck wächst. Immer wieder fordern deutsche Politiker die Kirche zu "Reformen" auf. Die Bischöfe sollten darauf – auch in Zeiten guter Beziehungen zur Regierung – sehr zurückhaltend reagieren.

Von Benjamin Leven

Der Autor

Benjamin Leven ist Redakteur der Herder Korrespondenz in Berlin und Rom.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.