Dogmatiker Jürgen Bründl erklärt die Rhetorik von Papst Franziskus

Der Teufel und der Papst

Veröffentlicht am 17.10.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Theologie

Bamberg/Bonn ‐ Immer wieder spricht Papst Franziskus vom Teufel. In vielen seiner Predigten und Ansprachen findet man Passagen über den "entzweienden Säer von Unkraut", den "Spalter von Gemeinschaften" oder die personifizierte Versuchung. Im Interview mit katholisch.de erklärt der Bamberger Dogmatiker Jürgen Bründl was der Papst damit erreichen will und welche theologischen Aussagen dahinter stehen.

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Frage: Herr Professor Bründl, warum spricht Papst Franziskus so häufig vom Teufel?

Jürgen Bründl: Der Papst ist jemand - das haben die verschiedenen Biographen herausgearbeitet - der auch über seine italienischstämmigen Vorfahren sehr in der Volksfrömmigkeit verwurzelt ist. Ich denke, dass seine rhetorischen Formen aus diesem Umfeld kommen. Das betrifft natürlich auch seine Rede von der Hölle und vom Teufel. Ich würde sagen, für den Papst ist der Teufel eine Möglichkeit, "böse Strukturen" anschaulich zu machen. Und das tut er in der Sprache des Volkes, er schaut den Leuten aufs Maul. Das ist eine Eigenart, die der Papst so an sich hat.

Bild: ©

Frage: Wenn der Papst in seinen Reden den Teufel bemüht, ist das also keine theologische, sondern eine kulturelle Aussage?

Bründl: Es ist eine Aussage über seinen Stil. Jorge Mario Bergoglio hatte in wesentlichen Zügen das Schlussdokument der lateinamerikanischen Bischofskonferenz von Aparecida verfasst und er hat als Papst Evangelii Gaudium veröffentlicht. In beiden Dokumenten betont er vor allem eines: Der allgemeine Glaube der einfachen Leuten, also das, was wir Volksfrömmigkeit nennen, ist der Ort, von dem die Inkulturation des christlichen Glaubens seine höchste und selbstverständlichste Stufe erreicht.

Bergoglio war ja ursprünglich kein Befreiungstheologe , sondern, überspitzt formuliert, ein Gegner dieser Theologie. Aber er teilt eines der grundsätzlichen Anliegen, wenn er sagt: Glaube ist eine kontextuelle Angelegenheit und der Ort, wo er Wirklichkeit wird, ist das Volk. Und daraus zieht er eine sehr beachtliche Konsequenz. Und zwar, dass es gilt, diese Volksfrömmigkeit als einen Ort der Theologie ganz neu zu entdecken und viel mehr wertzuschätzen.

Ich glaube auch, dass wir heute viele Probleme, in der Lehre haben, weil eine Schere zwischen der wissenschaftlichen Theologie und den Problemen und den Erfahrungen der Leute aufgegangen ist. Und ich glaube, es ist der Ansatz des Papstes, genau darauf einzugehen.

Frage: Vom Teufel wird oft im Zusammenhang bestimmter Personen gesprochen. Wie ist das einzuordnen?

Bründl: Der Teufel ist eine Sprachform, die in der Regel Gewalt legitimiert. Wenn Sie jemanden zum Teufel machen, dann dürfen Sie alles mit ihm tun. Das ist diese Gotteskrieger-Mentalität, die wir sehr anschaulich am 11. September beobachten konnten - und zwar auf beiden Seiten. Die eine Seite bezeichnet den Westen als Satan und deswegen darf man offenkundig die Flugzeuge in die Hochhäuser fliegen. Und die andere Seite bezeichnet das, mit einer fast spiegelbildlichen Rhetorik, als einen Angriff auf die westliche Kultur und hat dann die Legitimation, ein ganzes Land in die Steinzeit zu bombardieren.

Der Teufel ist also eine hochgefährliche Sprachfigur, wenn man in Richtung einer Gewaltlegitimation kanalisiert. Und das ist immer wieder geschehen, nicht nur im Christentum oder im Islam.

„Es genügt, eine Zeitung aufzuschlagen und wir sehen die Gegenwart des Bösen, wir sehen, dass der Teufel wirkt“

—  Zitat: Papst Franziskus am 12. Juni 2013

Andererseits ist der Teufel als personale Figur eine Metapher für das Böse. Zurechnungsfragen wie "Wer ist Schuld daran?" funktionieren heutzutage nicht mehr. Denken Sie an die Weltwirtschaftskrise oder die Armutsproblematik. Es geht hier auch um strukturelle Phänomene. In diesem Zusammenhang einer strukturellen Beschreibung des Bösen hat für mich auch eine Theologie des Teufels einen Ort. Weil sie etwas kann, das auch Franziskus nutzt: nämlich Sachen anschaulich zu machen und genau damit auf den Punkt zu bringen. Man muss natürlich aufpassen, dass es nicht zu einer Verteufelung kommt.

Wenn man Hitler, Gaddafi und so weiter als Teufel bezeichnet, dann unterstelle ich ihnen, dass sie faktisch nicht mehr zu retten seien. Und das wäre ein Umgang mit der Rede vom Teufel, den ich als Theologe dezidiert kritisieren würde, da er unmenschlich und entwürdigend ist.

Eine Silberkette mit Kruzifix liegt auf einer Pistole.
Bild: ©JcJg Photography/Fotolia.com

Kirche und Mafia

Frage: Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Warnung des Papstes an Mitglieder Mafia, in der Hölle zu landen, sollten sie den Weg der Kriminalität nicht verlassen?

Bründl: Ich kann mir vorstellen, dass der Mafioso schon in der Hölle ist. Natürlich nicht in einem metaphysischen Sinn. Aber ich würde sofort unterschreiben, dass es höllisch ist, ein kriminelles Leben in einer doch so offensichtlich menschenverachtenden Institution zu führen. Wenn Sie nach der Wirklichkeit der Hölle suchen, dürfen Sie nicht ins Jenseits schauen. Wir haben die Hölle in unserer Welt, ganz manifest.

So funktioniert die Anschaulichkeit solcher Bilder. Religionen finden Sprachformen, um uns etwas in unserer Wirklichkeit aufzuzeigen. Und das benenne ich dann beispielsweise als teuflisch oder höllisch. Als Theologe muss ich aber dazu sagen, wie das tatsächlich gemeint ist, um nicht missverstanden zu werden. Und ich glaube nicht, dass das in einer Predigt möglich ist.

Da tickt Franziskus vielleicht ein bisschen anders, weil in ihm der Volksglauben verankert ist. Es ist natürlich anfechtbar und man kann fragen, ob das nicht genau die Rhetorik ist, die wir nicht haben wollen. Aber wenn ich mir anschaue, wie er auftritt, kann ich mir nicht vorstellen, dass er das so meint.

„Wenn man Jesus Christus nicht bekennt, bekennt man die Weltlichkeit des Teufels, die Weltlichkeit des Bösen.“

—  Zitat: Papst Franziskus am 14. März 2014

Frage: Was sagt das kirchliche Lehramt eigentlich zum Teufel?

Bründl: Das ist einfach zu beantworten, denn es gibt zum Teufel faktisch nur eine einzige lehramtliche Äußerung. Die einzige Aussage zum Teufel stammt vom Vierten Laterankonzil von 1215 . Hier werden zwei Dinge gesagt: Der Teufel ist, wie alle anderen Geschöpfe, gut geschaffen und von sich aus Böse geworden, der Mensch aber sündigte aufgrund der Versuchung durch den Teufel. Der Mensch ist nicht der Erfinder des Bösen, sondern bereits sein Opfer. Der Mensch selber ist nicht das absolut Böse, er tut aber wirklich Böses. Ein Realismus, der Zugleich zum Umgang mit den Tätern befähigt.

Diese einzige Erwähnung deute ich so, dass der Teufel für uns Katholiken eigentlich kein Thema ist, weil es bei uns ums Heil und um die Erlösung geht. Mit einer kleinen kritischen Anmerkung: Wenn es um Erlösung geht, dann ist es manchmal notwendig, auch Stellung zu beziehen bei Sachen, die eben unerlöst sind. Ein theologisches Thema ist der Teufel also eminent! Insofern sage ich ganz klar: Es braucht so etwas, wie eine Theologie des Teufels.

„Der Teufel drängt uns, dem Herrn nicht treu zu sein.“

—  Zitat: Papst Franziskus am 28. November 2013

Frage: Fehlen in der kirchlichen Kultur und Sprache in Deutschland solche starken Bilder, wie das des Teufels in den Ansprachen des Papstes?

Bründl: Es gibt bestimmte Formen von öffentlicher Frömmigkeit, die zu einer Beschaulichkeit, beinahe einem verharmlosenden Lebenskult führen. Und ich würde auch sagen, dort bestehen theologische Defizite. Auch weil gerade die katholische Theologie in ihrer Geschichte manchmal zu wenig politisch war.

Als Joseph Ratzinger noch Chef der Glaubenskongregation war, hatte er ganz andere Weichen gestellt. Ich würde sagen, da hätte die europäische Kirche vielleicht mehr von den Theologien der Befreiung lernen können, als sie es getan hat. Und Franziskus kommt jetzt deswegen so gut an, weil er dieses Register des sozialen und sozialkritischen Engagements glaubwürdiger bespielt, als es unter Benedikt XVI. wahrgenommen worden ist. Und das halte ich schon für eine gute Entwicklung.

Frage: Also ist die Rede des Papstes vom Teufel letztlich eine soziale Rede?

Bründl: Im weitesten Sinne ja. Das Anliegen des Papstes ist sicherlich keine Teufelsmetaphysik, sondern sich für die Menschen, dort wo sie geknechtet und unterdrückt werden, wo sie unter Strukturen leiden, wo sie konkret nicht erlöst sind, einzusetzen. Und da muss die Kirche hin.

Das Interview führte Kilian Martin

Zur Person

Jürgen Bründl ist Professor für Fundamentaltheologie und Dogmatik an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Im Jahr 2000 wurde er mit der Arbeit "Masken des Bösen. Eine Theologie des Teufels." zum Doktor promoviert.