Den Papst in die Verantwortung nehmen
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Wenn Papst Franziskus ein besonderes Mandat mit seiner Wahl bekommen hatte, dann war es die Kurienreform: Mit seiner später veröffentlichten Rede im Vorkonklave hatte er sich als der Mann von außen positioniert, der die selbstbezogene Misswirtschaft im Vatikan aufräumen sollte, die seinen Vorgänger in den Rücktritt getrieben hatte.
Im sechsten Jahr seines Pontifikats ist die Kurienreform nicht wirklich weit gediehen. Einiges wurde umstrukturiert, die Probleme im Kern bleiben bestehen – und jetzt mit dem erneuten Aufflammen der Missbrauchskrise zeigt sich besonders, woran der Apparat krankt: Es fehlt an dem, was die amerikanische Verfassungstheorie "Checks and balances" nennt, es fehlt an einer Kontrolle und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. (An "Gewaltenteilung" ist in der hierarchischen und absoluten Papstmonarchie erst gar nicht zu denken.)
Franziskus scheint von all dem wenig zu halten. Sein jesuitischer Regierungsstil besteht aus Beraten, Bedenken, Unterscheiden – und dann einsam entscheiden. Die versprochenen Gerichtshöfe, die für Bischöfe zuständig sind? Kommen nun doch nicht zugunsten handverlesener Untersuchungsgremien im Einzelfall. Zur Disziplinierung von Bischöfen und Kardinälen wird es weiterhin kein transparentes kirchenrechtliches Verfahren geben, sondern nur Machtworte des Papstes. An eine allgemeine kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit ist schon gar nicht zu denken. Auf die Vorwürfe Viganòs hin scheint der Apparat des Papstes nicht willens oder nicht in der Lage, den angeblichen Verwaltungsvorgang einer Maßregelung des ehemaligen Kardinals McCarrick zu bestätigen oder zu dementieren.
Das ist nicht einmal ein besonderes Versäumnis dieses Papstes. Die Rechtsförmigkeit und Bürokratie von weiten Teilen der Kirche darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kirche keine echten rechtsstaatlichen Strukturen hat – schon weil im Kirchenrecht immer der Trumpf des can. 331 CIC sticht: Der Papst verfügt "kraft seines Amtes in der Kirche über höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt, die er immer frei ausüben kann."
Das mag ekklesiologisch schlüssig sein. Für eine Organisation ist es aber verheerend, wenn keine unabhängigen Überprüfungen möglich sind, wenn Macht und Autorität statt Recht und Gesetz die Abläufe bestimmen. Das sind Strukturen, die nicht nur schlechte Verwaltung erzeugen: Sie begünstigen auch Missbrauch und Vertuschung. Hier müsste eine Kurienreform ansetzen (und zwar auch eine Reform der bischöflichen Kurien): Nicht mehr Verwaltung, sondern eine bessere, eine transparentere Verwaltung, die, soweit es die Ekklesiologie nur zulässt, den Papst und die Bischöfe überprüfbar in die Verantwortung nimmt.