Wie ausgewechselt
Es war die Woche des Halbzeit-Deserteurs. Vontae Davis hatte einfach die Schnauze voll und meinte, es sei nun genug gewesen. Das Gefühl hat man ja schon mal. Aber Vontae Davis ist einfach gegangen, zur Halbzeit. Hat seine Karriere beendet als Football-Profi der Buffalo Bills. Seine Kluft ausgezogen, den Helm und das alles, die Sporttasche genommen und nach Hause gefahren. Es fühlte sich nicht mehr richtig an, auf dem Platz zu stehen, meinte er. Mit seinen 30 Lenzen.
Was, wenn Papst Franziskus auch einfach zur Halbzeit ginge? Das Gefühl hat man ja schon mal. Seine Kluft auszöge, den Helm und das alles, die Aktentasche nähme und nach Hause führe, zurück ans Ende der Welt? "Es fühlte sich nicht mehr richtig an, auf dem Platz zu stehen", könnte er sagen. Mit seinen bald 82 Lenzen ohnehin. Mal im Ernst: Möchten Sie Vorturner sein in so einem Laden, wo jeden einzelnen Tag neue Schatten der Vergangenheit jedes Hälmchen Hoffnung verdunkeln, das Sie mühsam zu ziehen versuchen? Wo selbst langjährige, überzeugte Schlachtenbummler nur mehr sagen können: Ich schäme mich für meinen Verein?
Aber was wäre dann? Noch ein weiterer Papa emeritus... Dritter Papst zum Skat. Schon sein Vorgänger hat, wie man weiß, die Reißleine gezogen. Mit fast 86 Jahren die Kluft ausgezogen, den Helm und das alles. Viele haben das nicht verstanden, selbst viele seiner Fans. Der Kurienhistoriker Walter Brandmüller (89), den er einst zum Kardinal machte, hat ihn hart für seine Desertion kritisiert – und hat sich nun als Antwort eine Zigarre des Emeritus eingefangen: "Wenn Sie eine bessere Idee haben, lassen Sie es mich wissen", beschied ihm Benedikt XVI. (91) – und es klang nicht wirklich nach dem so zurückhaltenden Klavierspieler Joseph Ratzinger.
Und was war noch? Neapels Kardinal Crescenzio Sepe wurde es ausgerechnet während des traditionellen Blutwunders des heiligen Januarius unwohl. Er musste sich eine Weile hinsetzen und erholen, bevor er dem Volk die Phiole mit der segensreichen Flüssigkeit präsentieren konnte. Und dann war da noch die junge Frau in St. Pauli, die sich in einer Zeremonie in der Kirche selbst heiratete. Klar ist man geneigt zu fragen, wie es denn da mit ehelicher Treue ausschaut, mit gegenseitigen Versorgungsansprüchen oder der Aufteilung in Steuerklasse 3 und 5. Tatsächlich hatte die Sache aber einen durchaus ernsten seelsorglich-psychologischen Hintergrund, eine traurige Geschichte; und es gibt durchaus interessante Fälle von sogenannter "Sologamie".
Wahrscheinlich ist bei solcherart radikalen Ausbrüchen aus den verbliebenen gesellschaftlichen Konventionen für das heraufziehende zweite Quartal des 21. Jahrhunderts überhaupt noch eine Menge Luft nach oben. Da sind Halbzeit-Deserteure sicher nicht das Ende der Fahnenstange.