Barley: Kirche muss Akten und Archive öffnen
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) pocht nach der Veröffentlichung der Studie zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland darauf, dass alle Unterlagen zu diesem Thema durch die Bistümer offen gelegt werden. "Natürlich erwarte ich von der Kirche, dass sie ihre Akten zugänglich macht", sagte die Politikerin der Wochenzeitung "Die Zeit" (Donnerstag).
Zugleich übte Barley harte Kritik an der Vertuschung von Kindesmissbrauch durch die Diözesen. "Akten zu manipulieren, um jemanden vor der Strafverfolgung zu schützen, kann eine strafbare Handlung sein. Das wird in der Regel den Tatbestand der Strafvereitelung erfüllen und kann mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden", betonte die Ministerin. Der Rechtsstaat akzeptiere keine Geheimarchive. Alle Unterlagen in den kirchlichen Archiven könnten von den Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt und ausgewertet werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorlägen.
Konkreter Anfangsverdacht als Voraussetzung
Voraussetzung sei stets ein konkreter Anfangsverdacht: "Man kann im Rechtsstaat nicht einfach eine Hundertschaft Staatsanwälte in die Archive schicken, und die lesen auf gut Glück alles durch", erläuterte Barley. Wenn die Ermittler jedoch einen Anhaltspunkt hätten, "dann müssen sie sogar die Öffnung von Archiven, die Herausgabe von Unterlagen verlangen, dann können sie auch Durchsuchungsbeschlüsse erwirken."
Themenseite: Missbrauch
2010 wurde erstmals eine größere Zahl von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche in Deutschland bekannt. Seitdem bemüht sich die Kirche um eine Aufarbeitung der Geschehnisse. Bei ihrer Vollversammlung haben die deutschen Bischöfe am 25. September 2018 eine Studie veröffentlicht, die die Missbrauchsfälle im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz zwischen 1946 und 2014 dokumentiert.Auf die Frage, ob es sich bei der systematischen Vertuschung von Kindesmissbrauch um organisierte Kriminalität gehandelt habe, sagt Barley: "Nein, das hat mit organisierter Kriminalität nichts zu tun." Denn es sei nicht der Daseinszweck der katholischen Kirche, Kinder zu missbrauchen. Das Problem liege "in einer Wagenburgmentalität, die lieber die Organisation schützt als das Wohl der Kinder".
Forscher kritisierten mangelnden Aufklärungswillen
Der Studie zum sexuellen Missbrauch in der Kirche war Ende September bei der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda offiziell vorgestellt worden. Aus der Untersuchung geht hervor, dass zwischen 1946 und 2014 insgesamt 1.670 katholische Kleriker 3.677 meist männliche Minderjährige sexuell missbraucht haben. Der Leiter der Untersuchung, Harald Dreßing, hatte nach deren Veröffentlichung einen mangelnden Aufklärungswillen in weiten Teilen der Kirche beklagt. Das Ausmaß des Missbrauchs als auch der Umgang der Verantwortlichen damit sei erschütternd gewesen.
Die Studie war 2014 von der Bischofskonferenz in Auftrag gegeben worden. Kritiker bemängelten, der tatsächliche Umfang des Missbrauchs habe nicht annähernd abgebildet werden können. Den Autoren der Untersuchung sei etwa kein Zugang zu Originaldokumenten in den Kirchenarchiven eingeräumt worden. Zudem fehlten Aussagen von Opfern, auch seien Missbrauchsfälle etwa in katholischen Heimen, Anstalten und Psychiatrien oder in den zahlreichen Ordensgemeinschaften nicht berücksichtigt worden. Obendrein werden in der Studie keine Namen genannt. (stz/dpa/KNA)