Michaels-Empfang im Zeichen der Missbrauchsstudie

Kardinal Marx: Betroffene wollen bei Aufarbeitung Taten sehen

Veröffentlicht am 11.10.2018 um 09:10 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Der Sankt-Michaels-Empfang der katholischen Kirche in Berlin stand am Mittwochabend ganz im Zeichen des Missbrauchsskandals. Kardinal Reinhard Marx warb in seiner Ansprache für eine konsequente Aufarbeitung.

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Vor dem Hintergrund der jüngst veröffentlichten Studie über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland hat am Mittwochabend in Berlin der traditionelle Sankt-Michaels-Empfang der katholischen Kirche stattgefunden. Dabei rief der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, zu entschiedenem Engagement bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals auf. Dafür sei auch die konstruktive Kritik der Öffentlichkeit wichtig. "Beunruhigen Sie uns, sagen Sie ihre Meinung und stoßen Sie weiter an, damit wir nicht nachlassen", sagte Marx an die Zuhörer gerichtet. Die Kirche dürfe nach dem Missbrauchsskandal nicht wieder in alte Verhaltensweisen zurückfallen.

"Manche Betroffene haben mir gesagt: Es ist jetzt gut mit euren Trauerbekundungen und Betroffenheitsreden. Wir wollen Taten sehen", so Marx weiter. Er wolle sich dafür mit ganzer Kraft einsetzen. Dabei gehe es nicht um die Rettung der Institution, sondern darum, die Botschaft des Evangeliums, die für die Gesellschaft so wichtig sei, wieder in den Mittelpunkt zu rücken. "Und dafür müssen wir uns richtig anstrengen, damit das wieder möglich wird", sagte der Kardinal.

Traditioneller Empfang mit zahlreichen Spitzenpolitikern

An dem Sankt-Michaels-Empfang, der alljährlich im Herbst stattfindet und dem Austausch von Kirche und Bundespolitik dient, nahmen mehrere hundert Gäste teil. Unter den Teilnehmern waren Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), die ehemaligen Bundesminister Thomas de Maiziere, Hermann Gröhe (beide CDU) und Barbara Hendriks (SPD) sowie der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, und Vertreter anderer Religionsgemeinschaften. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahmen – anders als in früheren Jahren – nicht teil.

Bild: ©Markus Nowak

Am Sankt-Michaels-Empfang am 10. Oktober 2018 in der Katholischen Akademie in Berlin nahmen mehrere hundert Gäste teil.

Vor Kardinal Marx hatte der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, ebenfalls über den Missbrauchsskandal in der Kirche gesprochen. Dabei betonte er, dass die Aufarbeitung der "Schandtaten" eine dauerhafte Aufgabe für die Kirche sei. "Kein Bischof darf, wenn der mediale Druck gewichen ist, zur Tagesordnung übergehen", so Jüsten.

Aufarbeitung als Test für die Glaubwürdigkeit der Kirche

Das Verbrechen des Kindesmissbrauchs müsse vor weltliche Gerichte, es sei aber auch ein Verbrechen gegen Gott. "Das Vertuschen der Taten und das Decken der Täter in der Vergangenheit ist für uns heute inakzeptabel", so der Prälat. Genauso inakzeptabel sei es, "wenn diejenigen, die dazu beigetragen haben, dass Täter ihr schändliches Handeln fortsetzen konnten, nicht zur Verantwortung gezogen werden". Einen "Perspektivwechsel" fordere auch das Evangelium – "von den Erwachsenen zu den Kindern, von den Tätern zu den Opfern, von der Institution zu den Betroffenen". Diese Aufgabe dulde keinen Aufschub, betonte Jüsten.

Der Leiter des Katholischen Büros bezeichnete die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals als Test für die Glaubwürdigkeit der Kirche: "Wenn wir es nicht schaffen, endlich die Perspektive der Betroffenen einzunehmen, wie wollen wir dann bei anderen wichtigen Themen etwa die Perspektive der Armen und Entrechteten in der Einen Welt, der vom Klimawandel Betroffenen, der vor Krieg und Menschenrechtsverletzungen Geflohenen, der Alten, der Kranken und Ungeborenen authentisch vertreten?" (hier können Sie die Ansprache von Prälat Jüsten im Wortlaut nachlesen). (stz)