Eine Analyse des dreiwöchigen Bischofstreffens im Vatikan

Was von der Jugendsynode bleibt

Veröffentlicht am 29.10.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Bei ihren Beratungen mussten die Bischöfe ungewohnten "Lärm" aushalten: Die Jugendlichen applaudierten begeistert oder schwiegen - je nachdem, was sie von den Beratungen hielten. Für Christoph Schönborn war es schon deswegen die "beste" Synode - aber nicht alle Bewertungen sind so euphorisch wie die des Wiener Kardinals.

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Die Weltbischofsynode ist zu Ende. Am Samstagabend hatten die Bischöfe über alle 170 Artikel des Abschlussdokuments abgestimmt, am Sonntag beschloss der Papst die Jugendsynode mit einem Gottesdienst im Petersdom – und mit einer Entschuldigung dafür, dass die Kirche den Jugendlichen oft nicht zugehört habe. Nach mehr als dreieinhalb Wochen in Rom reisen die mehr als 260 Bischöfe und knapp 50 Gasthörer wieder nach Hause – mit Arbeit im Gepäck, wie viele Teilnehmer betonen. Denn nun gehe es in den Ortskirchen um die Umsetzung.

Anders als die Familiensynode

Vor allem am Abschlusswochenende der Synode zeigte sich, wie anders diese Jugendsynode im Vergleich zu den Familiensynoden in den Jahren 2014 und 2015 war: Damals gab es eine Blockbildung mit Blick auf den Kommunionempfang von wiederverheirateten Geschiedenen und die Streitigkeiten zwischen den Bischöfen wurden teilweise in der Öffentlichkeit ausgefochten. Journalisten taten alles daran, vorab an das Abschlussdokument zu kommen, um es gegebenenfalls vor dem Ende des Treffens durchzustechen.

Im Jahr 2018 sah das anders aus: Es war ruhiger in den Medien, dafür aber lauter in der Synodenaula selbst. Bereits im Laufe der Woche zeichnete sich ab, dass allzu konkrete Formulierungen aus dem Entwurf im Abschlusspapier selbst nicht mehr auftauchen werden. Die heftig diskutierte Abkürzung LGBT für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender wurde gestrichen. Insgesamt 364 Änderungen, die von den 14 Sprachgruppen eingebracht worden waren, wurden in den Entwurf des Schlussdokuments eingefügt, berichtete die italienische Soziologin Chiara Giaccardi, die als Mitarbeiterin der Synodenleitung mitwirkte. Die Eilmeldungen, die am späten Samstagabend zur Jugendsynode über den Ticker gingen, bezogen sich dann darauf, dass Frauen in der Kirche mehr Leitungspositionen bekommen sollen – das Weiheamt war damit freilich nicht mitgemeint.

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Video: © katholisch.de

Die deutschen Synodenteilnehmer zogen eine positive Bilanz, erklärten aber auch, von welchem Teil des Abschlussdokuments sie enttäuscht seien. Katholisch.de dokumentiert die Pressekonferenz.

Dieser Punkt ist aber keine wirkliche Überraschung, denn die Beteiligung von Laien war nicht nur in den knapp vier Wochen der Synode ein Thema, sondern seit Monaten und Jahren. Kurz nachdem der Papst im Oktober 2016 das Thema der Synode bekanntgab – "Die Jugend, der Glaube und die Berufungsunterscheidung" – wurden Stimmen nach einer Beteiligung von jungen Leuten laut. Es gab eine weltweite Online-Umfrage und eine Vorsynode im März dieses Jahres, an der 300 junge Erwachsene teilnahmen. Einige von ihnen wurden auch zur Bischofssynode selbst eingeladen, etwa der Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, Thomas Andonie. Und zum Beginn der Synode demonstrierten Frauen vor dem Vatikan, in dem sie daran erinnerten, dass sie die Hälfte der Kirche ausmachen.

Direktes Feedback durch Applaus oder Schweigen

Andererseits ist die Beteiligung von Frauen auch eine Konsequenz eben der Anwesenheit von 36 Gasthörern, die unter 30 Jahre alt sind: Viele von ihnen durften zwar nur einmal vier Minuten lang vor dem Plenum sprechen, aber sie merkten bald als Gruppe, dass sie den Synodenvätern mit Applaus oder Schweigen eine direkte Rückmeldung geben konnten, welche Themen sie interessierten und welche nicht.

"Die Jugendsynode war für mich die beste Synode, die ich erlebt habe," twitterte der Wiener Kardinal Christoph Schönborn über diese Neuerung. Die jungen Auditoren hätten mit ihren erfahrungsbezogen und konkreten Ansprachen das gesamte Bischofstreffen geprägt. Auch Papst Franziskus, der an fast allen Sitzungen teilnahm, bemerkte dies dankbar: "Ich möchte den jungen Menschen für die Musik danken, die sie in die Synode einbrachten – und Musik ist das diplomatische Wort für Lärm", scherzte er in seiner Abschlussansprache am Samstag.

Themenseite: Jugendsynode

Was beschäftigt junge Menschen heute? Woran glauben sie? Und wie kann die Kirche sie bei einem gelingenden (Glaubens-)Leben unterstützen? Darüber diskutierten die Bischöfe bei ihrerer weltweiten Synode vom 3. bis 28. Oktober 2018 im Vatikan.

Dass die Hälfte der Kirchenmitglieder von Entscheidungen allein aufgrund ihres Geschlechts ausgeschlossen sein sollen, war den jungen Menschen augenscheinlich nicht zu vermitteln. Am Ende bekam jedes Kapitel des Abschlussdokuments die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Das war bei der Familiensynode nicht der Fall und darf als Erfolg gewertet werden. Allerdings bekamen die Themen, bei denen sehr konservative Kirchenvertreter keine Bewegung wünschen, die meisten Gegenstimmen: Frauen (je nach Kapitel 30 und 38 Gegenstimmen), Seelsorge für Homosexuelle (65) sowie der Wunsch nach einer Erklärung der Kirche zu Geschlechteridentität, Fortpflanzung und Homosexualität (43) und zu guter Letzt auch alle Kapitel zur Synodalität der Kirche (33 bis 51). Womöglich sei einigen Synodenteilnehmern das von Franziskus favorisierte Konzept einer synodalen Kirche noch zu unklar, sagte Kardinal Reinhard Marx dazu. Der Papst hatte dies schon vor drei Jahren bei dem 50-Jahr-Jubiläum der Institution Bischofssynode angesprochen.

Jesuit Blattert: Abschlusstext hat an Kraft verloren

Wie ist die Jugendsynode am Ende zu bewerten? Die sechs deutschen Teilnehmer sprachen am Ende von einem "gewaltigen Schritt in der Kirche" (Bischof Felix Genn) und von einer "Revolution des Zuhörens" (Pater Clemens Blattert). Die Erfahrung, wirklich zuzuhören und nicht schon im Hinterkopf eine Antwort "aus dem Schatz meines theologischen Wissens" zu formulieren, wolle er umsetzen, auch wenn es nicht einfach werde, sagte Genn. Durch die Einarbeitung der vielen Anmerkungen habe der Abschlusstext allerdings an Kraft verloren, kritisierte der Jesuit Blattert. "Man merkt, dass der Text nur versucht, gegensätzliche Positionen so aufzunehmen, dass sich alle Seiten darin wiederfinden können." Das betrübe ihn, schrieb der 40-Jährige Leiter der Frankfurter "Zukunftswerkstatt", der als Experte an der Synode teilnahm, in seinem Blog.

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Video: © katholisch.de

Eine eigene Jugendsynode in Deutschland, um die Ergebnisse der Bischofsynode umzusetzen? "Nein, danke", sagt Pater Clemens Blattert. Die Synode in Rom habe die Probleme bereits klar angezeigt: Den Umgang mit der Sexualität und mit Frauen sowie den Missbrauchsskandal.

Auch wenn am Ende Formulierungen wie "Geschwür des Klerikalismus" fehlen: Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, versteht das Abschlussdokument als einen "Appell gegen Machtstrukturen und Klerikalismus, gegen Missbrauch und kirchliche Arroganz". Der BDKJ-Vertreter Andonie zieht ein positives Fazit und freut sich, dass es in der Weltkirche bei allen vier Themenfeldern, die er vorstellte, weitergehe: Er hatte zu sexueller Gewalt, den Frauen in der Kirche, der Sexualmoral und der Begleitung junger Menschen gesprochen. Bei der Sexualmoral habe er sich allerdings mehr erhofft: "Die Liebe in Treue und Verantwortung, die junge Menschen auch außerhalb oder vor der Ehe leben, muss wertgeschätzt werden", sagte er am Sonntag gegenüber katholisch.de. Bereits bei der Familiensynode sei ein Bild entstanden, das er für einen guten Ansatz halte: "Kirche sollte in die Wohnzimmer und nicht zuerst in die Schlafzimmer blicken."

Die Weltbischofssynode ist ein Beratungsorgan des Papstes. Das 60 Seiten lange Papier kann – und wird – der Papst nutzen, um in den kommenden Monaten ein eigenes Dokument zu "Jugend, Glaube und Berufungsentscheidung" zu verfassen. Und in den Ortskirchen? Alle Teilnehmer der deutschen Abschlusspressekonferenz waren sich einig, dass die Jugendsynode ein Impuls sei, der nicht zu Ende gehe. "Es gibt viel zu tun, packen wir es an", so Weihbischof Johannes Wübbe von der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz. Die Jugendsynode ist ein Weg, der gerade erst begonnen hat.

Von Agathe Lukassek