Fünf Jahre neues Gebet- und Gesangbuch

Als die "Höhner" "Segne du Maria" ins Gotteslob brachten

Veröffentlicht am 04.12.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ 2013 wurde das neue Gotteslob eingeführt. Der Kölner Diözesankirchenmusiker Richard Mailänder und die Rottenburger Fachreferentin für Liturgie und Ökumene Margret Schäfer-Krebs haben daran mitgearbeitet und halten nun fünf Jahre später eine Rückschau: Sie erzählen von Anekdoten, Pannen und Lieblingsliedern.

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Vor fünf Jahren wurde das Gotteslob für die Diözesen Deutschlands, Österreichs und Bozen-Brixen neu aufgelegt und zum ersten Advent eingeführt. Zumindest offiziell geplant. Manche der insgesamt 37 beteiligten Diözesen warteten länger auf das rund 1300 Seiten umfassende Buch mit Liedern, Gebeten, Psalmen und geistlichen Impulsen. Denn weil die Papierstärke zu dünn war, musste die erste Auflage eingestampft und nachgedruckt werden. "Das war unangenehm", sagt der Kölner Kirchenmusikdirektor Richard Mailänder, der damals im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz die Arbeitsgruppe "Lieder" leitete. Aber es ließ sich nicht vermeiden, weil die Rückseite der einzelnen Seiten wegen ihrer zu hohen Durchsichtigkeit für ältere Menschen nicht lesbar war, erklärt Mailänder den Grund.

Heute haben fast alle Kirchengemeinden in Deutschland das neue kirchliche Gebet- und Gesangbuch in Verwendung. Das sind bislang sechs Millionen verkaufte Exemplare, so Mailänder. Es werde zwar laufend nachbestellt, aber es sei noch Luft nach oben, vergleicht er die Verkaufszahlen mit denen des alten Gotteslobes aus dem Jahr 1975.

Die Diözese Rottenburg-Stuttgart hat sich etwas Besonders ausgedacht, um das neue Gotteslob im Rahmen der Erstkommunion einzuführen. Jedes Erstkommunionkind, das ein neues Gotteslob kauft, bekommt von seiner Kirchengemeinde zehn Euro geschenkt. Eine Aktion, die sich lohnt, denn schon im ersten Jahr wurden etwa 65.000 Euro bezuschusst. Deshalb wird diese Aktion jedes Jahr mit Erfolg neu gestartet. Wichtig sei, so Schäfer-Krebs, dass das Liederbuch in den Familien und Kirchengemeinden genutzt werde. Sie berichtet von den positiven Erfahrungen aus ihrer Gemeinde St. Moritz in Rottenburg am Neckar. Regelmäßig stellt der dortige Kirchenmusiker vor dem Sonntagsgottesdienst ein neues "Lied des Monats" vor. Nach einer didaktischen Einführung werden Melodie und Text von der Gemeinde eingeübt, so dass es auch gleich in der Feier gesungen werden kann. Das komme richtig gut an, schwärmt Schäfer-Krebs. Schrittweise gehen so viele noch unbekannte Gesänge in das Repertoire der Gemeinde über.

Nahaufnahme des neuen Gotteslobs.
Bild: ©KNA

Das neue Gotteslob mit grauem, roten und schwarzem Einband.

Das sei nicht überall so, setzt Mailänder dem entgegen, denn viele Ortspfarrer bleiben lieber beim Altbekannten. Daher müssten Kirchenmusiker und Organisten unbedingt gegensteuern. Außerdem sei die die Arbeitsgruppe "Lieder" der Unterkommission "Gemeinsames Gebet und Gesangbuch" der Deutschen Bischofskonferenz einige Jahre mit der Auswahl für den Stammteil beschäftigt gewesen. Im Juli 2004 erhielten die Experten den Auftrag: Geistliche Lieder und Hymnen christlicher Prägung für das neue Gesangbuch auszuwählen. 3.000 Lieder wurden durchgesehen und zum Teil durchgesungen. Schließlich blieben davon 554 übrig. Doch auch das waren zu viele, erinnert sich Mailänder. "Wir mussten nochmals auswählen". Und das war gar nicht einfach, denn es gab lange Wunschlisten.

Bereits seit 1975 wurden Zuschriften und Umfrageergebnisse aus Kirchengemeinden am Liturgischen Institut in Trier gesammelt und erfasst. "Von guten Mächten" GL 430 und "Macht hoch die Türe" GL 218 waren darunter die Renner. Es stellte sich heraus, dass fremdsprachige und mehrstimmige Lieder nicht gewünscht werden, mit Ausnahme von Taizé-Gesängen. War ein Lied gut singbar, kam es in die engere Auswahl. Am Schluss blieben 286 Lieder für den Stammteil des Gotteslobes übrig. 2011 war die Auswahl abgeschlossen.

Bild: ©Privat/KNA

Richard Mailänder, Erzdiözesankirchenmusikdirektor im Erzbistum Köln.

Gerne erinnert sich Mailänder an eine Begebenheit mit dem damaligen Würzburger Diözesanbischof Friedhelm Hofmann, der damals für das neue Gotteslob in der Bischofskonferenz zuständig war und gebürtiger Kölner ist. "Wir waren zu einem Konzert der Kölner Band "Höhner" eingeladen und kamen danach mit den populären Künstlern ins Gespräch. Ein Bandmitglied meinte zum Bischof: "Das Lied "Segne du Maria" muss unbedingt in das neue Gotteslob". "Selbstverständlich kommt das rein!", antwortete der Bischof. Mein Kommentar dazu war: "Darüber haben wir in der Arbeitsgruppe noch nicht gesprochen". So einfach ging es bei der Liedauswahl dann doch nicht zu, sagt Mailänder und lacht. Doch das genannte Marienlied ist im neuen Gotteslob unter der Nummer 535 zu finden, auch weil es sehr beliebt sei. Allerdings liegt es heute in verschiedenen Versionen vor, wie viele Lieder, die vor 1900 entstanden sind. Sie sind nicht im Original erhalten, weil zur Zeit der Aufklärung einige Lieder aus den Gesangbüchern aussortiert wurden.

Es war daher eine Aufgabe der Arbeitsgruppe, die Urfassungen zu rekonstruieren. Dafür war das Katholische Gesangbuch des Mainzer Liederdichters Heinrich Bone aus dem Jahr 1851 eine hilfreiche Grundlage. Bone rettet viele Lieder durch Übertragungen in die Gegenwart. Dadurch haben bekannte Lieder im neuen Gotteslob oft eine neue Melodie erhalten wie etwa "Herr send herab uns deinen Sohn" GL 222, "Maria durch ein Dornwald ging" GL 224, "Wir ziehen vor die Tore der Stadt" GL 225 oder "Tochter Zion" GL 228. "Bei manchen Liedern blieben wir aber lieber bei den alten Fassungen, weil sie emotional tief bei den Gläubigen verankert sind. Wir haben den einzelnen Diözesen geschrieben, diese für die Eigenteile zu  berücksichtigen wie etwa "Tauet, Himmel, den Gerechten" GL 727, "Wunderschön prächtige" GL 854 oder "Fest soll mein Taufbund immer stehen" GL 835", sagt Mailänder.

Mailänder selbst habe mit den unterschiedlichen Liedvarianten keine Schwierigkeiten. Einen Großteil der Lieder im neuen Gesangbuch könne er sowieso auswendig, verrät er. Bei "Großer Gott" GL 380 singt er sogar fünf Strophen, ohne dabei in das Buch zu schauen. Die beiden Lieder "Die Nacht ist vorgedrungen“ GL 220 und "Wer nur den lieben Gott lässt walten" GL 424 sind ihm besonders ans Herz gewachsen. "Es geht darin um ein tiefes Gottvertrauen und einen starken Glauben", aber auch die Melodien seien grandios, findet der Kirchenmusikdirektor.

Bischof Dr. Friedhelm Hofmann (links) überreicht Papst Franziskus bei einer Audienz auf dem Petersplatz eine Ausgabe des neuen "Gotteslob".
Bild: ©Fotografia Felici

Bischof Friedhelm Hofmann überreicht Papst Franziskus bei einer Audienz auf dem Petersplatz eine Ausgabe des neuen "Gotteslobs".

Geordnet sind die Lieder im neuen Gotteslob nach den Festkreisen im Kirchenjahr. Am Anfang steht immer ein Signallied. Der Advent eröffnet also mit "Macht hoch die Tür" GL 218, die Osterzeit startet mit "Christ ist erstanden" GL 318. Weil der Advent nur vier Wochen dauert, die Fastenzeit hingegen acht, brauchte man dafür mehr Liedmaterial, erklärt Mailänder. Auch für den Advent seien sieben neue Lieder hinzugekommen wie etwa "O Herr, wenn du kommst" GL 233 oder "Dein Reich komme, ja dein Reich komme! Maranatha" GL 232. Rausgenommen aus dem alten Kanon wurde etwa das lateinische Te Deum, vor allem aus praktischen Gründen, weil es sechs Seiten einsparte und kaum noch gebetet wird. "Wir mussten halt auch ein wenig rechnen", erklärt Mailänder.

Der Kirchenmusiker ist sich sicher: "Wenn wir heute Lieder aussuchen würden, wären wieder ganz andere dabei. Irgendjemandem fehlt immer etwas." Manchen wollen mehr lateinische Gesänge, andere wiederum mehr aus Taizé. Aber es sei auch ein Zeichen von lebendiger Kirche, wenn sich ständig etwas weiterentwickle.

Welches Lied Schäfer-Krebs dennoch vermisst? Den evangelischen Schlager "Geh aus, mein Herz, und suche Freud" von Paul Gerhardt. Die Rottenburger Referentin für Ökumene findet es aber gut, dass über 50 ökumenische Lieder im Gotteslob enthalten sind, davon 21 Lieder aus Taizé. Diese werden im Inhaltsverzeichnis mit einem kleinen "ö" gekennzeichnet.

Schäfer-Krebs arbeitete in der diözesanen Arbeitsgruppe für den Eigenteil der Diözesen Rottenburg-Stuttgart und Freiburg mit. "Wir hatten eine Liste mit allen Liedern, die bereits für den Stammteil ausgesucht waren. So konnten wir für den Eigenteil unsere Wunschlieder dazu nehmen." Eine Synopse aus allen Eigenteilen zeigt, welche Lieder besonders häufig vorkamen. Das Taizé-Lied "Adoramus te, o Christe" findet sich in sieben diözesanen Eigenteilen. Das Trauerlied "Ach wie flüchtig ach wie nichtig" sogar in elf Anhängen. "Aller Augen warten auf dich Herr" ist in neun diözesanen Eigenteilen enthalten, "Danke für diesen guten Morgen" in 12 Eigenteilen, "Der Tag ist ausgegangen" sogar in 15 Anhängen. Das Neujahrslied "Das alte Jahr vergangen ist" ist in 31 diözesanen Eigenteilen zu finden, also auch in Österreich. Es wäre schon zu überlegen gewesen, solche bewährten Lieder auch in den Stammteil zu übernehmen, merkt Schäfer-Krebs an. Aber im Nachhinein sei man immer schlauer.

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Margret Schäfer-Krebs ist Fachreferentin für Liturgie und Ökumene in der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Dringender Handlungsbedarf wegen neuer Einheitsübersetzung

Die neue Einheitsübersetzung der Bibel bringe nun eine gewisse Zweigleisigkeit mit sich, so Schäfer-Krebs. Zum Beginn des Kirchenjahrs ist das Lektionar mit revidierter Einheitsübersetzung für das Lesejahr C in die Liturgie neu eingeführt worden. Weitere liturgische Bücher folgen. Das habe auch Auswirkungen auf das Gotteslob, wenn man etwa an die Psalmen und biblischen Texte denkt. In den Lektionaren und Ritualen sind die biblischen Texte als revidierte Einheitsübersetzung wiedergegeben und im Gotteslob in der Fassung der Einheitsübersetzung von 1980 erhalten. Damit wird man nun leben und umgehen müssen, so Schäfer-Krebs, die sogar ein eigenes Gebet für das neue Gotteslob geschrieben hat. Es heißt "Herr Jesus Christus, bleibe bei uns" und findet sich im Gotteslob unter der Nummer 5,5.

Momentan stehe keine Überarbeitung an, sagt Mailänder, die Arbeit am neuen Gotteslob sei endgültig abgeschlossen. Zwar gäbe es immer wieder Überarbeitungen oder Ergänzungsbände in einzelnen Bistümern, die Änderungswünsche berücksichtigen. Manchmal melden sich sogar einzelne Komponisten und wollen den Notensatz  korrigieren. "Wir sammeln das alles für die nächste Auflage und den nächsten Druck", erklärt Mailänder.

Wenn es einmal wieder ein neues Gotteslob geben sollte, dann werden das gewiss seine Studierenden im Fach Liturgiegesang übernehmen, vermutet Mailänder. Aus Erfahrung weiß er aber, dass kirchliche Bücher nur alle 30 bis 40 Jahre neu herausgegeben werden. Lieder geben schließlich emotional eine Heimat, so Mailänder, und zwar überall dort, wo man sie gerade anstimmt. Wie steht doch auf der ersten Seite des Gotteslobes: "Alles, was atmet, lobe den Herrn!"

Von Madeleine Spendier
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Video: © Benjamin Krysmann

Der Mädchenchor St. Marien singt in der katholischen Kirche Unbefleckte Empfängnis in Harsewinkel-Marienfeld das Adventslied.