Nach Minen-Räumung: Klöster an Taufstelle Jesu wieder offen
Das Steinkreuz über dem Altar ist noch intakt. Viereckige Säulen an den gelben und blauen Wänden tragen das Kirchendach. Doch der Boden des Gotteshauses ist mit Schutt und Staub bedeckt. Schränke - oder das, was noch von ihnen übrig geblieben ist - liegen kreuz und quer am Boden. Fast 50 Jahre lang hat niemand die Kirche und die angrenzenden Schlafräume mehr betreten. Das äthiopische Kloster ist eines von dreien, das an der Taufstelle Jesu am Fluss Jordan nun erstmals wieder zugänglich ist.
Israelische Armee wollte Sperrzone schaffen
Die britische Halo-Stiftung befreit das Gebiet um Kasr Al Jahud (Arabisch: das jüdische Schloss) und seine Klöster am Jordan mit Unterstützung des israelischen Verteidigungsministeriums von Minen und Sprengfallen. Nun sind außer dem äthiopischen Kloster auch das Franziskaner-Kloster und das griechisch-orthodoxe Kloster wieder offiziell minenfrei. "Die Räumung der Ländereien und die Möglichkeit, sie ihren religiösen Gemeinden zurückzugeben, ist ein Projekt, das uns sehr stolz macht", sagt Marcel Aviv, Direktor der israelischen Minenräumungsbehörde.
Die Stätte, an der Jesus Christus nach Überlieferung aus der Bibel vor gut 2.000 Jahren getauft worden sein soll, liegt im Westjordanland nahe der Grenze zu Jordanien. Im Sechstagekrieg hatte die israelische Armee hier Minen ausgelegt, um eine militärische Sperrzone zum Nachbarland zu schaffen. Auch die Klöster versah sie mit Sprengfallen. "Terroristen hätten sich hier verschanzen und israelische Siedlungen angreifen können", erklärt Aviv.
Wüstensand über Schränken und Stühlen
Wüstensand bedeckt alte Schränke und Stühle, die die Bewohner im Krieg eilig zurückgelassen haben. "Die Mönche, die hier gelebt haben, haben Acker- und Weinbau betrieben", sagt Mosche Hillman von der israelischen Minen-Aufsichtsbehörde. Im äthiopischen Kloster liegt noch eine Zeitschrift aus dem Jahr 1967, die an die Existenz der Mönche erinnert. Inzwischen bedeckt klumpiger Schmutz ihre Seiten.
"Nach der Räumung geben wir alle Klöster an ihre Besitzer zurück", sagt Aviv. Bereits in einem Jahr könnte es soweit sein. Auch vor den christlichen Gemeinden liegt dann noch eine Menge Arbeit: Zerborstene Fenster, demoliertes Inventar und Einschusslöcher an den Fassaden müssen repariert werden.
Georgische Minenräumer der Halo-Stiftung begannen im März dieses Jahres mit ihrer Arbeit auf dem Areal. Auch Israelis und Palästinenser sind daran beteiligt. Die Arbeiten bedeuteten "nicht nur, die tödliche Altlast eines Konflikts zu beseitigen, sondern auch, eine Brücke zwischen den zerstrittenen Gemeinschaften zu bauen", schreibt die Stiftung auf ihrer Internetseite. "Sowohl unsere israelischen als auch unsere palästinensischen Arbeiter fühlen sich dem Projekt tief verbunden," sagt Ronen Schimoni von der Stiftung.
Kasr Al Jahud ist für die Christen ebenso wie die Geburtskirche in Bethlehem und der Grabeskirche in Jerusalem ein wichtiger Ort. Aber auch für das Judentum ist die Stätte von großer Bedeutung: Hier soll das Volk Israel den Jordan auf dem Weg ins gelobte Land Kanaan überschritten haben.
Auch für die Palästinenser sei die Taufstelle "ein besonderer Ort", sagt der Direktor des palästinensischen Minenräum-Zentrums, Issa Gneimat. "Die christlichen Pilger und Touristen sind für die palästinensische Führung von großer Bedeutung."
Etwa 800.000 Pilger kamen Aviv zufolge in diesem Jahr zu der Taufstelle. Auf den gesicherten Wegen müssen sie vorerst weiter Stacheldrahtzäune und gelbe Hinweisschilder passieren, die vor den Minen warnen. Denn immer noch sind nach neuesten Zahlen des Verteidigungsministeriums bis zu 5.000 Kriegsüberreste in Kasr al Jahud vergraben: vor allem Antipanzer-Minen, Sprengfallen und Mörsergranaten. Etwa 1500 sind bisher geräumt worden.
Bischofskonferenz: Pilgerstätte statt Touristenmagnet
Die britische Halo-Stiftung hat nach Angaben von Aviv bislang etwa 2,6 Millionen Dollar (rund 2,3 Millionen Euro) für die Räumung bereitgestellt, die israelische Regierung gut 2 Millionen Dollar (rund 1,6 Millionen Euro).
Als "erfreuliche Entwicklung" bezeichnet die Deutsche Bischofskonferenz die Räumungsarbeiten an der Taufstelle. "So wird der Ort nicht nur ein Tourismusmagnet, sondern vor allem eine Pilgerstätte", sagt Sprecher Matthias Kopp. "Gerade am Jordan ist es gut, Plätze der Ruhe und Besinnung zu finden."