Mutter Kirche hält ihre Hand über jede Gebärmutter
Endlich greift sie, die franziskanische Wende, endlich nimmt der Papst dafür die Kurie mit, endlich werden die wichtigen Fragen Chefsache in der Kirche: Nah bei den Leuten sein. Den Geruch der Schafe annehmen. An die Ränder gehen und Barmherzigkeit üben.
Nirgends sieht man das besser als an der Glaubenskongregation, die langsam die richtigen Prioritäten setzt. Dort kennt man die Nöte der einfachen Menschen, dort weiß man, was den Gläubigen auf der Straße und in den Kirchenbänken drückt, dort hat man gleich verstanden, was der Papst in seiner Predigt zum Jahresbeginn gemeint hatte.
"Im aufgesplitterten Leben von heute, wo wir Gefahr laufen, den Faden zu verlieren, ist die Umarmung der Mutter wesentlich", war zu Neujahr im Petersdom zu hören. ("Zudem muss ein Priester väterlich sein", ergänzt der Kindswohl-Experte Kardinal Brandmüller.) Zwei Tage später (und auf den Dezember rückdatiert) liefern Ladarias Leute, die genau wissen, wo die mütterlichen Arme der Kirche und die väterlichen des Präfekten der Glaubenskongregation am meisten gebraucht werden – und wo die eigentliche kirchliche Kernkompetenz liegt: Nämlich an der Gebärmutter jeder einzelnen Gläubigen. "'Responsum' della Congregazione per la Dottrina della Fede ad un dubbio sulla liceità dell'isterectomia in certi casi" heißt das am Donnerstag veröffentlichte Dokument, das gewiss neben Laudato si und Amoris laetitia zu den großen programmatischen Schreiben dieses Pontifikats zählt und deshalb sofort (und nicht erst Wochen später) in fünf Sprachen übersetzt wurde. Zu Deutsch: "Antwort der Glaubenskongregation auf eine Anfrage über die Zulässigkeit der Gebärmutterentfernung in bestimmten Fällen."
Diese Antwort wurde sehnlich erwartet – von den Gläubigen wie von allen Menschen guten Willens. Nicht nur einzelne, sondern – so heißt es darin – "einige" entsprechende Anfragen sind bei der Glaubenskongregation zum Thema eingegangen. 1993 hatte sich die Glaubenskongregation zum letzten Mal in Sachen Gebärmutter an die Öffentlichkeit gewandt. Ein Vierteljahrhundert musste die Katholikin auf ein Update warten, obwohl kaum eine Frage zu "Handlung[en] gegen das bonum prolis" (das Wohl des Nachwuchses) in der Kirche drängender ist als die, ob und aus welchen Gründen man sich guten Gewissens die Gebärmutter entfernen lassen darf. (Antwort: Jedenfalls auf keinen Fall als Verhütungsmethode.)
Nicht auszudenken, wenn Katholikinnen hier ohne Rat aus Rom zur Gewissensbildung schreiten müssten – man kennt sie ja, die Frauen: Es drohen beiläufige Operationen, einfach so aus einer Laune heraus. Gut, dass die Glaubenskongregation sich die Mahnung jenes großen katholischen Medizinethikers endlich zu Herzen genommen hat: "Man muss es wohl immer wieder sagen: Das sind keine Smarties."