Schränkt die Kirche die Freiheit von Journalisten ein?
Will die Kirche die Freiheit von Journalisten durch strenge Regeln für Film- und Fotoaufnahmen einschränken? Das befürchtet der Deutsche Journalistenverband, eine der beiden großen deutschen Journalistengewerkschaften. Die Pressemeldung klingt dramatisch, die der Verband am Montag veröffentlicht hatte: Die Kirche versuche, "Bildjournalisten vorzuschreiben, in welcher Weise bei kirchlichen Veranstaltungen fotografiert oder gefilmt werden darf". Außerdem werden "die geplanten Einschränkungen der Fotofreiheit" kritisiert. DJV-Chef Frank Überall fordert: "Es muss für Bildjournalisten weiterhin möglich sein, bei Veranstaltungen in Kirchen Aufnahmen zu machen."
Von welchen Plänen ist da die Rede, und welche Probleme gibt es bei der Berichterstattung über die Kirche? Sowohl bei der deutschen Bischofskonferenz wie bei der Konferenz der Diözesandatenschutzbeauftragten konnte man die Vorwürfe der Journalistengewerkschaft nicht einordnen; man prüfe den Sachverhalt noch, heißt es von der Bischofskonferenz.
Keine Einschränkungen der Pressefreiheit geplant
Auch die Pressestellen der Diözesen wissen nicht, wovor der DJV warnt. Das Bistum Münster etwa antwortet auf Anfragen knapp mit zwei deutlichen Neins: Weder sind dort entsprechende Pläne zur Einschränkung der Fotofreiheit bekannt noch Fälle von Journalisten, die durch kirchliche Stellen in ihrer Arbeit behindert wurden. So sieht es auch in Köln aus: "Das Erzbistum Köln verfolgt keine Pläne, die Rechte von Pressefotografen einzuschränken. Uns sind auch keine derartigen Bestrebungen bekannt", heißt es aus der Pressestelle; Beschwerden von Journalisten sind auch aus Pfarreien nicht bekannt. Mit den neuen Datenschutzgesetzen habe es auch keine neuen Bestimmungen für Fotografen im Dom gegeben, es werden nur allgemeine Verhaltensregeln aus "liturgischen oder organisatorischen Gründen, etwa bei Fotopoolbildung bei großen Gottesdiensten, z.B. mit Fernsehübertragung" benannt – mit kirchlichen datenschutz- und presserechtlichen Regelungen hätten die allerdings nichts zu tun.
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Außer dem DJV scheint auch keine andere Journalistenvereinigung Probleme wahrzunehmen: "Mir sind keine Fälle bekannt, in denen Fotografinnen und Fotografen sich beruflich durch kirchliche Instanzen eingeschränkt fühlen oder sind", sagte die Sprecherin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju), der Journalisten-Sparte der Gewerkschaft ver.di, auf Anfrage. Der Geschäftsführer von Freelens, einer Vereinigung freier Fotojournalisten, weiß davon ebenfalls nichts: "Von unseren Mitgliedern ist uns noch kein aktueller Fall einer Einschränkungen der Berichterstattung aus kirchlichen Räumen gemeldet worden", heißt es gegenüber katholisch.de.
Selbst der DJV kennt keine Beispiele für Konflikte
Wenigstens der DJV selbst sollte Fälle kennen. Auf Nachfrage wird eine Stellungnahme aus dem November 2018 genannt. Darin wird auf die Gottesdienst-Livestreams aus dem Freiburger Münster verwiesen: Dass die Pressestelle zunächst Probleme sah, weiterhin selbst aus der Bischofskirche ins Netz zu übertragen, ging im Mai 2018 durch die Presse. "Wir haben uns damals vor allem geärgert, dass wir als kirchliche Stelle in unseren eigenen Gottesdiensten scheinbar weniger dürfen als Presse und Rundfunk", beschreibt der Freiburger Pressesprecher Michael Hertl die Lage kurz nach Inkrafttreten des KDG: Denn, dass Gottesdienste im Rundfunk übertragen werden dürfen, war schon immer Konsens beim Erzbistum und bei den Fernsehsendern. Das Freiburger Problem ist mittlerweile aus der Welt geschafft, das Erzbistum ist schon vor Monaten zu der Auffassung gelangt, dass auch kirchliche Stellen Gottesdienste streamen dürfen – und die Fernsehgottesdienste laufen wie zuvor ohne Probleme weiter.
Linktipp: Kirchlicher Datenschutz: Das ist bei Fotos erlaubt
Bilder von der Fronleichnamsprozession veröffentlichen: Ist das nur erlaubt, wenn Hunderte Gläubige unterschreiben? Nein, stellen die kirchlichen Datenschützer jetzt klar – doch andere Regeln gelten weiter.Der DJV führt dieses rein kirchliche und längst gelöste Freiburger Problem nach wie vor als Kronzeugen für angebliche Einschränkungen der Fotofreiheit an und besteht auch auf Nachfrage darauf, von einem "abgesagten Rundfunkgottesdienst" zu sprechen, den es nie gab. "Weitere spektakuläre Fälle sind bislang zum Glück wohl ausgeblieben", schreibt der zuständige DJV-Fachreferent.
Verwirrung zwischen Bischofskonferenz und Journalistenverband
Bei den angeblichen "Plänen zur Einschränkung der Fotofreiheit" ist es komplizierter. Eigentlich ist unstreitig, dass Journalisten in ihrer Arbeit durch das Datenschutzrecht nicht eingeschränkt werden. Das regeln im staatlichen Bereich die Landespressegesetze, im kirchlichen ein Medienprivileg im KDG. Das kirchliche Gesetz kann aber nur für kirchliche Stellen gelten; daher bezieht sich der § 55 KDG auch nur auf die Datenverarbeitung "von kirchlichen Stellen" zu journalistisch-redaktionellen Zwecken – nicht, weil man dieses Privileg "weltlichen" Journalisten nicht zuerkennen will, sondern weil der kirchliche Gesetzgeber nur kirchliche Stellen durch Gesetze binden kann. Für alle anderen gelten die allgemeinen Gesetze – auch dann, wenn Journalisten über die Kirche berichten. Allenfalls in Wahrnehmung des Hausrechts können kirchliche Einrichtungen – wie jede andere Einrichtung auch – Regeln aufstellen. Die Anfragen an verschiedene Bistümer zeigen: So wird das auch tatsächlich in der Kirche gehandhabt, es sind keine Fälle bekannt, in denen es zu Konflikten kam.
Die Darstellung des DJV vom November erwähnt diesen wichtigen Punkt aber nicht: Dort wird das innerkirchliche Recht, das ausschließlich innerhalb der Kirche für kirchliche Stellen gilt, so dargestellt, als sollten das auch Richtlinien für alle Journalisten sein. Solche – ohnehin rechtlich gar nicht möglich – Richtlinien gibt es in der Kirche aber nicht. Das zeigen die Anfragen an die Pressestellen der Bistümer: Dort wird durchweg Entwarnung gegeben: Eine Einschränkung der Rechte von Journalisten ist nirgends in der deutschen Kirche geplant.