Dogmatikerin an Bischöfe: Deutsche Kirche hat jeden Kredit verspielt
Die Deutsche Bischofskonferenz hat die Referate veröffentlicht, die am Mittwoch von Experten bei einem Studientag zur Aufarbeitung des Missbrauchsskandals im Rahmen der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe in Lingen gehalten wurden. Die Beiträge zu dem Tag unter dem Titel "Die Frage nach der Zäsur. Studientag zu übergreifenden Fragen, die sich gegenwärtig stellen" sind auf der Internetseite der Bischofskonferenz abrufbar (siehe Linktipp). Die Veröffentlichungen umfassen das Einführungsreferat der Erfurter Dogmatikerin Julia Knop sowie die Vorträge des Pastoraltheologen Philipp Müller (Mainz), des Fundamentaltheologen Gregor Maria Hoff (Salzburg) und des Moraltheologen Eberhard Schockenhoff (Freiburg).
Insbesondere Knop fand in ihrem Referat vor den versammelten Bischöfen deutliche Worte. Die im vergangenen Herbst vorgestellte Studie zum sexuellen Missbrauch an Minderjährigen in der katholischen Kirche in Deutschland habe "grauenhafte und widerwärtige Untaten von Klerikern in einem Ausmaß ans Licht gebracht, dass die katholische Kirche in Deutschland jeglichen Kredit verloren hat". Es gehe bei den in der Studie aufgelisteten Missbrauchsfällen nicht um "priesterliche Sünden gegen die Keuschheit oder den Zölibat", sondern um Gewalt und ihre Vertuschung im Raum und im Namen der Kirche.
Professorin mahnt Übernahme von Verantwortung an
Die Erfurter Dogmatikerin kritisierte, dass die Diskussion über Macht in der Kirche, den Zölibat als verpflichtende priesterliche Lebensform und die kirchliche Sexualmoral über Jahrzehnte hinweg innerkirchlich nicht gewünscht und sogar tabuisiert worden sei. "Ich gehe davon aus, dass einige von Ihnen diese Tradition der Tabuisierung gern fortgeschrieben hätten", sagte Knop laut dem veröffentlichten Redemanuskript an die Adresse der versammelten Bischöfe. Sie hoffe, dass die Debatte durch den Studientag endlich auch unter den Bischöfen eröffnet sei. Knop mahnte die Bischöfe in diesem Zusammenhang zur Übernahme von Verantwortung: "Sie bekleiden in dieser Kirche einen Leitungsposten. Sie repräsentieren eine Kirche, deren systemische Defekte offenkundig geworden sind."
Mit Blick auf den Themenkomplex Macht, Zölibat und Sexualmoral betonte Knop, dass keines der Themen neu sei. "Aber neu ist, dass ihr destruktiver Zusammenhang nicht mehr zu leugnen ist. Dass sie nicht mehr als Lieblingsthemen der katholischen Linken abgetan werden können. Dass sie nicht mehr tabuisiert werden können", so die Professorin. Neu sei zudem die Erkenntnis, dass eine ernsthafte kirchliche Selbstkorrektur notwendig sei. (stz)
13.03.2019, 19.15 Uhr: ergänzt um die Zusammenfassung des Beitrags von Professorin Julia Knop