Zeitung über Pell: Sein Leben als Christ hat sich als Lüge erwiesen
Auch einen Tag nach der Verurteilung von Kardinal George Pell zu sechs Jahren Gefängnis wegen sexuellen Missbrauchs will die katholische Bischofskonferenz Australiens das Strafmaß nicht kommentieren. "Zu diesem Zeitpunkt gibt es dazu keine Stellungnahme", teilte Pressesprecher Gavin Abraham am Donnerstag auf Anfrage der Katholische Nahrichten-Agentur (KNA) mit.
In australischen Medien wurden unterdessen am Tag nach dem Urteil sowohl Pell als auch die katholische Kirche scharf kritisiert. Schon die Enthüllungen der staatlichen Missbrauchskommission über das Ausmaß des Missbrauchs in der Kirche hätten viele Australier schockiert und entrüstet, schrieb der liberale "Sydney Morning Herald". "Jetzt gibt es Wut, aber es geht nicht nur um Pell", hieß es in dem Kommentar weiter. "Er ist ein Sinnbild für die Wut gegen die Kirche, das stimmt. Aber er ist auch ein Sinnbild für die Wut darüber, dass mächtige Menschen Macht missbrauchen, heuchlerisch handeln, dem Rest der Gesellschaft sagen, was zu tun ist, und zusammenhalten, wenn etwas falsch läuft." Pell stehe für eine Kultur der Geheimhaltung und Vertuschung in der Kirche. "Sein Leben als Christ hat sich als Lüge erwiesen."
Konservatives Portal: Pell hat gelogen
Das konservative Nachrichtenportal news.com.au des Murdoch-Medienimperiums schlägt mit einem Artikel über den Umgang Pells mit einer von Missbrauch betroffenen Familie einen ähnlichen Tenor an. In dem Beitrag schreibt der Autor, dass Pell die Öffentlichkeit belogen habe. In einem Interview mit dem Politmagazin "60 Minutes" des TV-Senders Nine Network habe Pell gesagt, das Ehepaar Christie habe ihm niemals Fotos ihrer Tochter mit aufgeschnittenen Pulsadern gezeigt. Zehn Jahre später habe Pell vor einem Untersuchungsausschuss des Parlaments des australischen Bundesstaates Victoria jedoch eingeräumt, das Foto gesehen zu haben.
Ein Gericht hatte für den 77 Jahre alten Kardinal am Mittwoch eine sechsjährige Haftstrafe festgelegt. Er war im Dezember von einer Geschworenen-Jury für schuldig befunden worden, 1996 als Erzbischof einen 13 Jahre alten Jungen in der Sakristei der Kathedrale von Melbourne missbraucht und einen anderen belästigt zu haben. Der Geistliche beteuert seine Unschuld. Seine Verteidiger kündigten Berufung an. In australischen Medien und den Sozialen Netzwerken kritisierten Missbrauchsopfer das Urteil als "zu milde".
Unterdessen droht Pell ein weiteres Verfahren. Ein 50-jähriger Mann plant laut australischen Medien eine Zivilklage gegen ihn. In dem weiteren Fall geht es um Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens in einem Schwimmbad in Pells Heimatort Ballarat in den 70er Jahren. (tmg/KNA)