Kirchen rufen zu Engagement für die Demokratie auf
Dreizehn Jahre nach ihrem ersten Gemeinsamen Wort zur Demokratie haben die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am Donnerstag in Berlin erneut eine gemeinsame Stellungnahme zu diesem Thema vorgelegt. In dem Papier mit dem Titel "Vertrauen in die Demokratie stärken" rufen die beiden großen Kirchen zu mehr Engagement für die Demokratie auf. "Wir leben in Zeiten, in denen es an Vertrauen mangelt", sagte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck bei der Präsentation.
In der 51-seitigen Schrift warnen die beiden großen Kirchen vor einer Erosion der Demokratie in Deutschland und Europa. "30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges ist unser Blick auf die politische Ordnung von einer neuen Besorgnis geprägt", heißt es in dem Text. Die "Wiederkehr von autoritärem Denken und skrupelloser Machtpolitik" machten deutlich, dass Frieden, Demokratie und die Herrschaft des Rechts keine Selbstverständlichkeit seien.
Kirchen sehen vier zentrale Herausforderungen
Das Gemeinsame Wort habe das Ziel, Herausforderungen der Demokratie zu thematisieren und die ihnen zugrunde liegenden Ursachen anzugehen, schreiben der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm im Vorwort. Die beiden Kirchen benennen in der Schrift die in ihren Augen vier zentralen Gründe für Verunsicherung und Anfälligkeit für Populismus: Globalisierung, wirtschaftliche Ungleichheit, Migration sowie Digitalisierung.
Zugleich betonen die Kirchen ihren Willen, an Lösungen dieser Herausforderungen mitzuwirken. Das Selbstverständnis der Kirchen, zu dem auch der Auftrag gehöre, sich in und für die Gesellschaft zu engagieren, sei der Antrieb für die in dem Gemeinsamen Wort angestellten Überlegungen zum politisch notwendigen Handeln.
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Das Gemeinsame Wort "Vertrauen in die Demokratie stärken" ist als Broschüre in der Reihe "Gemeinsame Texte" (Nr. 26) erschienen und ist unter anderem auf der Internetseite der Deutschen Bischofskonferenz abrufbar.Overbeck verwies vor Journalisten darauf, dass Vertrauen in die Demokratie nichts Selbstverständliches sei. Er betonte: "Es braucht die Einhaltung ungeschriebener Voraussetzungen der Demokratie in Form einer demokratischen Sittlichkeit. Dies umfasst wesentlich den Respekt des jeweils anderen, die Anerkennung demokratischer Spielregeln, eine Bereitschaft zum Kompromiss sowie die Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen, selbst wenn man anderer Meinung ist."
Wer verantwortlich handle, so der Bischof weiter, stärke Vertrauen. Dies gelte sowohl im nationalen als auch im europäischen Kontext: "Wir Kirchen in Deutschland stehen ein für ein multilaterales, subsidiär geordnetes Europa, das solidarisch auf den Ausgleich der verschiedenen Interessen hinwirkt." Die Kirchen verstünden Europa nicht nur als Union von Staaten oder als wirtschaftliche Kooperation von Unternehmen. "Vielmehr ist das Friedensprojekt Europa für uns eine Union der Bürgerinnen und Bürger, die für unser gemeinsames europäisches Haus Verantwortung übernehmen“, sagte Overbeck, der in der Bischofskonferenz Vorsitzender der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen ist.
Demokratie als Ordnung der Freiheit
Der Vorsitzende der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD, Reiner Anselm, betonte, dass die Kirchen zu einer lebendigen Demokratie beitragen wollten. "Wir sehen eine wichtige Aufgabe als Kirchen darin, für eine vitale Kultur des Christentums und einen lebendigen Glauben als Stützen der Demokratie zu werben", so der in München lehrende evangelische Theologe. Die Botschaft von der Versöhnung motiviere dazu, einander als Gleichberechtigte anzuerkennen und immer wieder nach Kompromissen zu suchen. "Wir sind überzeugt, dass eine lebendige Glaubenspraxis auch maßgeblich dazu beiträgt, die Demokratie als Ordnung der Freiheit lebendig bleiben zu lassen", so Anselm.
Anfang 2017 hatten die Bischofskonferenz und der Rat der EKD die Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen und die Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD beauftragt, zehn Jahre nach dem Erscheinen des Gemeinsamen Wortes "Demokratie braucht Tugenden" eine neue Stellungnahme zur Demokratie zu erstellen. Der jetzt vorgestellte Text wurde von einer Arbeitsgruppe unter der Leitung Overbecks und Anselms erarbeitet und war Anfang des Jahres verabschiedet worden. Weitere Mitglieder der ökumenische Gremiums waren unter anderem der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), Diakoniepräsident Ulrich Lilie und der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten. (stz)