Das St. Hedwig-Krankenhaus ist eine der ältesten Kliniken Berlins

Eine katholische Oase im Herzen der Hauptstadt

Veröffentlicht am 18.05.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Mitten in der Spandauer Vorstadt, einem der touristischen Hotspots von Berlin, liegt das katholische St. Hedwig-Krankenhaus. Die Klinik lohnt einen Besuch – auch wenn man keine ärztliche Hilfe benötigt. Denn die Einrichtung vereint eine ereignisreiche Geschichte mit einer sehenswerten Architektur.

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Die Spandauer Vorstadt ist einer der touristischen Hotspots von Berlin. Mitten im Herzen der Hauptstadt gelegen sind in dem historischen Stadtviertel zahlreiche berühmte Sehenswürdigkeiten wie die Hackeschen Höfe, die Neue Synagoge und das Revuetheater Friedrichstadt-Palast beheimatet. Seit den Osterferien wird das Quartier zwischen Alexanderplatz, Friedrichstraße und Museumsinsel wie jedes Jahr wieder von Besuchern aus aller Welt bevölkert, die hier dem Puls Berlins nachspüren.

Mitten in der Spandauer Vorstadt liegt auch das St. Hedwig-Krankenhaus. Wohl die meisten Touristen gehen bei ihrem Streifzug durch das Viertel an der katholischen Klinik vorbei – doch kaum jemand geht hinein. Dabei würde sich ein Besuch durchaus lohnen, auch wenn man keine ärztliche Hilfe benötigt. Denn das Krankenhaus in der (in Wahrheit ziemlich kleinen) Großen Hamburger Straße vereint eine ereignisreiche Geschichte mit einer sehenswerten Architektur.

Wie eine Oase in der hektischen Großstadt

Wer das Klinikgelände durch das historische, efeubewachsene Hauptportal betritt, gelangt nach ein paar Schritten zunächst in einen parkähnlichen Innenhof, der mit seinen Bäumen und Blumenbeeten wie eine Oase in der hektischen Großstadt wirkt. Sollte man die zumeist am Empfang sitzende Ordensfrau von der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Karl Borromäus zuvor übersehen haben, merkt man spätestens hier, dass man sich in einem katholischen Krankenhaus befindet. Hinweisschilder weisen den Weg zu den verschiedenen Gebäuden – und die heißen gut katholisch unter anderem Haus Maria, Haus Karl Borromäus, Josefshaus und Elisabethhaus.

Bild: ©katholisch.de/stz

Der parkähnliche Innenhof des St. Hedwig-Krankenhauses mit dem Agathabrunnen.

Blickfang im Innenhof ist jedoch der kleine Agathabrunnen, der unmittelbar vor dem Haupthaus steht. Das mit Stiefmütterchen bepflanzte Bauwerk wurde am 150. Gründungstag des  Krankenhauses am 14. September 1996 vom damaligen Berliner Erzbischof, Kardinal Georg Sterzinsky, eingeweiht und zeigt eine Statue der heiligen Agatha. Der Brunnen geht auf ein Gelübde aus dem Zweiten Weltkrieg zurück: Inmitten des alliierten Bombenhagels auf Berlin gelobte der damalige Krankenhauspfarrer im November 1943, Agatha als Schutzpatronin der Feuerwehren eine Statue zu errichten, wenn das Krankenhaus von den Luftangriffen verschont bleiben sollte. Da das Hospital am Ende des Krieges tatsächlich weitgehend unversehrt war, wurde das Versprechen – wenn auch aus Geldmangel erst fünf Jahrzehnte später – eingelöst.

Vom Agathabrunnen sind es nur wenige Schritte bis zur Marienkapelle im Haupthaus der Klinik, von dessen Fassade Statuen der heiligen Hedwig und des heiligen Karl Borromäus über den Innenhof blicken. Im Inneren des im neogotischen Stil errichteten Gebäudes fühlt man sich angesichts roter Teppiche und großer Kunstwerke an den Wänden zunächst fast wie in einem Grandhotel, bevor man über einen weniger imposant gestalteten Flur schließlich zur Kapelle gelangt.

Kapelle mit zahlreichen Ausstattungsgegenständen

Die Kapelle wurde zusammen mit dem Haupthaus in den Jahren 1851 bis 1854 nach Plänen des Kölner Kirchenbaumeisters Vincenz Statz errichtet. Sie dient heute den Ordensschwestern, Krankenhausangestellten und Patienten als Gottesdienstraum, ist tagsüber aber auch für Besucher geöffnet. Zu den Ausstattungsgegenständen zählen unter anderem eine Schnitzfigur der Gottesmutter mit dem Jesuskind, farbige Bildtafeln, die den Kreuzweg Jesu illustrieren, sowie ein schmiedeeiserner Kronleuchter. Die Pietà, die ursprünglich ebenfalls in der Kapelle stand, wurde vor einigen Jahren neben der Haupttreppe des Haupthauses platziert.

Bild: ©katholisch.de/stz

Die Marienkapelle wurde vom Kirchenbaumeister Vincenz Statz errichtet.

Wer die Kapelle des St. Hedwig-Krankenhauses besucht, ist quasi im katholischen Zentrum des Klinikkomplexes angekommen. Spätestens hier dürften sich Besucher die Frage stellen, warum im 19. Jahrhundert mitten im damals durch und durch protestantisch geprägten Berlin überhaupt ein katholisches Krankenhaus gegründet wurde.

"Wir pflegen Eure Brüder und Schwestern"

Die Antwort findet sich bei einem Blick in die Berliner Stadtgeschichte: In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs die Bevölkerungszahl der preußischen Hauptstadt rasant an. Dementsprechend stieg auch der Bedarf an medizinischer Versorgung – auch beim kleinen katholischen Teil der Bevölkerung. Die rund 20.000 Katholiken der Stadt beantragten schließlich die Genehmigung für ein eigenes Krankenhaus, die sie 1844 tatsächlich von König Friedrich Wilhelm IV. erhielten.

Am 14. September 1846 begannen vier aus Trier gekommene Barmherzige Schwestern mit dem Aufbau einer Krankenstation, für die zunächst verschiedene Privaträume angemietet wurden. Das Leitmotiv für den Dienst der Ordensschwestern in diesen ersten Jahren formulierte Oberin Xaveria Rudler gegenüber der Bevölkerung so: "Wir pflegen Eure Brüder und Schwestern. Wir halten es mit unseren Armen und Kranken." Da die Nachfrage nach Krankenbetreuung und damit die erforderliche Bettenzahl rasch anstieg, erwarb die katholische Gemeinde schon bald das Areal an der Großen Hamburger Straße, das trotz der beengten Innenstadtlage im Laufe der Zeit mit immer neuen Gebäuden erweitert wurde.

Bild: ©katholisch.de/stz

Der Agathabrunnen im Innenhof des Krankenhauses. An der Fassade des Gebäudes im Hintergrund sind Statuen der heiligen Hedwig und des heiligen Karl Borromäus zu sehen.

Damit wird verständlich, warum die einzelnen Häuser auf dem Klinikgelände so verschachtelt angelegt sind und das reizvolle Gebäudeensemble mehrere Architekturstile in sich vereint. Als jüngste Erweiterung des Krankenhauses kam im Jahr 2012 das Haus Vinzenz von Paul dazu. Der vieretagige Neubau mit seiner rotbraunen Klinkerfassade, der bis an das Grundstück der Neuen Synagoge heranreicht, orientiert sich an den historischen Bauten und fügt sich gut in den denkmalgeschützten Komplex ein.

Fester Bestandteil der Berliner Gesundheitsversorgung

Nationalsozialismus und DDR-Zeit überstand das konfessionelle Krankenhaus weitgehend glimpflich. Unter dem Hitler-Regime blieb die Einrichtung von der Schließung verschont – wovon auch Propagandaminister Joseph Goebbels profitierte, der sich dort Nierensteine entfernen ließ. In der DDR wiederum wurde die Klinik in erster Linie von der westdeutschen Caritas unterstützt und war dadurch auch technisch gut ausgestattet. Teilweise ließen sich auch SED-Mitglieder im St. Hedwig-Krankenhaus behandeln.

Heute verfügt die Klinik, die seit 1999 von der Alexianer GmbH der katholischen Alexianerbrüder betrieben wird, über rund 430 Betten. Damit ist sie ein fester Bestandteil der Gesundheitsversorgung Berlins und leistet auch nach mehr als 170 Jahren einen wichtigen Beitrag zur Notfallversorgung in der Stadt.

Von Steffen Zimmermann