Standpunkt

Im Gottesdienst steht das Selbstverständnis der Kirche zur Debatte

Veröffentlicht am 09.05.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Gläubigen sollen "aktive Teilnehmer" an der Feier der Heiligen Messe sein. So wollte es die Liturgiereform. Was das genau bedeutet, ist bis heute Streitpunkt. Und das ist gut so, kommentiert Julia Knop.

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Die Liturgiereform, welche die Anliegen des II. Vatikanischen Konzils für die Erneuerung des Gottesdienstes konkretisiert und umgesetzt hat, sollte die Gläubigen befähigen, die Liturgie „möglichst leicht [zu] erfassen und in voller, tätiger und gemeinschaftlicher Teilnahme mit[zu]feiern“ (SC 21). "Participatio actuosa" hieß das Gebot der Stunde, und zwar aus doppeltem Grund: Weil das "Wesen der Liturgie" (SC 14) es verlange und weil die Taufe unter den Gläubigen "wahre Gleichheit" (c. 208 CIC) begründe. Was "aktive Teilnahme" allerdings konkret bedeutet, darüber streiten sich seither die Geister. Das ist gut so. Denn im Gottesdienst steht das Selbstverständnis der Kirche zur Debatte: ihr Leben und Beten, ihre Lehre und Struktur.

Angesichts der massiven Krise und des offenkundigen Reformbedarfs der Kirche stellen sich heute weiter reichende Fragen als vor 50 Jahren: Ist, wenn von "tätiger Teilnahme" die Rede ist, wirklich die gemeinsame Verantwortung der Gläubigen für Gegenwart und Zukunft der Kirche im Blick? Oder sollen die Gläubigen bloß mit Sinn und Verstand statt "als stumme Zuschauer" (SC 48) der Klerikerliturgie einer Klerikerkirche beiwohnen? Das entspräche alter katholischer Gewohnheit: Gottesdienst, Lehre und Leitung der Kirche blieben Priestern und Bischöfen vorbehalten. Die einen (die so genannten "Laien") hören, was die anderen (die Kleriker) lehren; die einen beraten, worüber die anderen entscheiden.

Wenn der anstehende synodale Prozess nicht nur fromme Worte bringen, sondern zu einer tragfähigen Erneuerung der Kirche beitragen soll, muss auch die Konzilsidee der "tätigen Teilnahme" zeitgemäß fortgeschrieben werden. Dass die Gläubigen "möglichst leicht erfassen" (SC 21), was in der Kirche geschieht, und "mit geistlichem Gewinn daran teilnehmen" (SC 11), reicht heute nicht mehr aus. Im Leben, in der Struktur und im Gottesdienst der Kirche muss vielmehr sichtbar werden, dass in ihr "wahre Gleichheit" besteht: durch geteilte Macht auf allen Ebenen, kompetenzbasierte Übernahme von Ämtern und Rechenschaftspflicht über Entscheidungen.

Von Julia Knop

Die Autorin

Julia Knop ist Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.