Kurienkardinal drohen rechtliche Folgen wegen Protestaktion

"Strom-Rebell" Krajewski erhält Rückendeckung aus Vatikan

Veröffentlicht am 16.05.2019 um 12:10 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Mit einer beherzten Aktion hatte Kardinal Konrad Krajewski den Strom eines besetzten Hauses in Rom wieder freigeschaltet. Aus dem Vatikan erhält der "Robin Hood des Papstes" für seine Geste Unterstützung – doch er muss mit einer Anzeige rechnen.

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Nach seiner Protestaktion gegen die Stromsperre für römische Hausbesetzer hat Kurienkardinal Konrad Krajewski Rückhalt aus dem Vatikan erhalten. Dass Krajewski die seit sechs Tagen unterbrochene Versorgung eigenmächtig wieder einschaltete, sei eine notwendige Hilfe für die betroffenen Menschen gewesen, sagte Kardinal Peter Turkson am Dienstag dem Internetportal "Vatican Insider". Zur Kritik des illegalen Vorgehens sagte der päpstliche Menschenrechtsbeauftragte, den gleichen Vorwurf habe man auch Jesus gemacht.

Turkson sagte zum Thema Legalität, man müsse fragen, ob es legitim sei, Kinder, Alte oder auf medizinische Apparate angewiesene Kranke tagelang ohne Strom zu lassen. "Niemand wollte das Gesetz verletzen, aber man muss den Menschen helfen", so der Kardinal. Die von Krajewski geleitete päpstliche Armenfürsorge habe in den vergangenen Jahren rund drei Millionen Euro ausgegeben, "nicht für Leute, die im Vatikan leben, sondern für Italiener in Problemen und Elend", sagte Turkson. Er hob zudem hervor, dass der Kardinal dabei "nichts heimlich getan, sondern vor dem Weggehen seine Visitenkarte hinterlassen und die volle Verantwortung übernommen" habe.

Parolin betont "gute Absicht" des Almosenmeisters

Zuvor hatte Krajewski bereits Rückendeckung aus der Spitze des Vatikan erhalten: Mit der Entfernung von Sicherungsplomben eines gesperrten Stromanschlusses von römischen Hausbesetzern habe Krajewski die Aufmerksamkeit auf ein "reales Problem" gelenkt, das Menschen, auch Kinder und Alte, betreffe, sagte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin laut Medienberichten.

Parolin sprach von "vielen Interpretationen und Kontroversen" um die Geste des päpstlichen Beauftragten für Armenfürsorge. Er betonte dagegen die "gute Absicht" des Kardinals. In dem Sinn hätten sich jetzt auch die römischen Behörden in Gang gesetzt.

Der 55 Jahre alte polnische Kurienkardinal Krajewski hatte am Samstagabend eigenmächtig den Stromanschluss eines besetzten Hauses in Rom mit rund 420 Bewohnern freigeschaltet, nachdem der Netzbetreiber die Leitung wegen unbezahlter Rechnungen zuvor abgeklemmt hatte. Unter anderem Italiens Innenminister Matteo Salvini griff den Kardinal dafür an und warf dem Vatikan vor, Illegalität zu unterstützen.

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Die Aktion Krajewskis könne "Konsequenzen haben", sagte Salvini dem Sender Radio24 (Montag). Es gebe "Millionen Italiener, die aus Würde monatelang nicht einmal eine Pizza essen gehen, um ihre Rechnungen zu bezahlen". Wenn der Kardinal die Stromschulden der Hausbesetzer begliche, wäre dies "das Mindeste", so der Politiker von der rechten Lega. Andernorts sprach er von 300.000 Euro, die in dem besetzten Haus an Stromrechnungen aufgelaufen seien.

Krajewski sagte unterdessen der Tageszeitung "Corriere della Sera" (Montag), er sei bereit, die Stromrechnung für die 500 Bewohner des Hauses zu übernehmen. Für die Motivation zu seiner Tat verwies er auf den letzten Blackout in Rom: "Für wenige Stunden fehlte das Licht, und es war ein Drama. Jetzt stelle man sich vor, was es heißt, sechs Tage ohne Strom zu sein."

Das Energieunternehmen der italienischen Hauptstadt hatte einen seit 2013 besetzten Wohnblock am 6. Mai wegen nicht bezahlter Rechnungen von der Versorgung abgehängt. Nachdem eine ultimative Forderung Krajewskis zur Beendigung der Sperre unerfüllt blieb, stieg der 55-jährige Kardinal am späten Samstagabend persönlich in den Verteilerschacht, entfernte die Sicherungsplomben und stellte den Strom wieder an.

Vatikan unterstützt Hausbewohner seit längerem

Wie Krajewski dem "Corriere" weiter sagte, unterstützte der Vatikan die Hausbewohner, unter ihnen rund 100 Minderjährige, schon seit längerem mit medizinischer Hilfe und Lebensmitteln. Zwangsräumungen, Familien ohne Zuhause und Menschen, die kaum über die Runden kämen, seien in Rom eine Realität. Die erste Frage sei nicht die nach unbezahlten Rechnungen, sondern, wie es sein könne, dass Familien sich in solchen Situationen befänden, sagte der Kardinal.

Nachdem der römische Netzbetreiber Areti Anzeige gegen Unbekannt wegen Stromdiebstahls stellte, kündigte der Verbraucherschutzverband Codacons seinerseits eine Anzeige gegen den Versorgerbetrieb an. Der Vorwurf des Diebstahls erfülle aus Sicht des Verbands den Tatbestand der Verleumdung, da es sich um die Behebung eines Notstands gehandelt habe, erklärte Codacons am Dienstag. Die fast 100 Kinder und Minderjährigen in dem Wohnblock hätten unter keinen Umständen ohne Strom gelassen werden dürfen. Der Kardinal habe daher in Gefahrenabwehr gehandelt, so der Verband unter Verweis auf den entsprechenden Paragrafen im italienischen Strafgesetzbuch. In verschiedenen Medien wurde Krajewski für seine Protestaktion als "Strom-Rebell" oder "Robin Hood des Papstes" bezeichnet. (rom/KNA)