Kolumne: Mein Religionsunterricht

Der Islam im katholischen Religionsunterricht – geht das?

Veröffentlicht am 05.07.2019 um 13:05 Uhr – Lesedauer: 

Kusel/Bonn ‐ Auf dem Pult befinden sich ein muslimischer Gebetsteppich, eine Ausgabe des Korans und eine Gebetskette: Was hier gerade stattfindet? Katholischer Religionsunterricht. Lehrer Maximilian Golumbeck berichtet von seiner "Islam-Reihe" – und deren Erfolgen.

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Es ist Montagmorgen in der Berufsfachschule. Auf dem Pult befinden sich ein muslimischer Gebetsteppich, eine Ausgabe des Korans und eine Gebetskette. Ein Schüler schaut mich mit großen Augen an und fragt noch vor dem Begrüßungsritual mit hektischer Stimme: "Was machen wir heute genau?" Der Schüler war neugierig und aufmerksam und hat sich womöglich auch auf den Unterricht gefreut. Es ist schön zu sehen, wenn manche Themen des Religionsunterrichts diese Art von Neugier erzeugen und die Spannung im Klassenraum regelrecht spürbar wird. Aber kann dies immer funktionieren? Wie werden Schülerinnen und Schüler neugierig und aufmerksam für das, was im Religionsunterricht passiert?

Ich möchte einen kleinen Einblick geben: Im Rahmen der Themenreihe zu den Weltreligionen äußerten die Schülerinnen und Schüler den Wunsch, sich intensiver mit dem Islam zu beschäftigen. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt: Okay, das wird nicht einfach! Zum einen wird das Thema Islam in den Medien sehr kontrovers behandelt, und zum anderen befinden sich in der Klasse selbst vier gläubige Muslime, was einen sehr sensiblen Umgang mit der Religion voraussetzt. Das Thema lässt die Klasse jedoch nicht los: "Darüber wollte ich schon immer mal mehr wissen!" Zudem kommen den Schülern Schlagwörter wie Islamismus und Terror über die Lippen und sie versuchen diese einzuordnen. Alles schon mal gehört! Aber was ist der Islam eigentlich?

In der folgenden Woche macht sich die Klasse eifrig ans Werk und bearbeitet das durchaus anspruchsvolle Infomaterial zur Glaubensvorstellung des Islams: die fünf Säulen des Islams, der Prophet Mohammed, der Koran,… Mehrere Teams übernehmen verschiedene Themenschwerpunkte und berichten sich gegenseitig über das, was sie entdeckt haben. Als Highlight der Unterrichtsreihe halten die vier muslimischen Schülerinnen und Schüler gemeinsam einen Vortrag darüber, wie sie ihre Religion im Alltag erleben. Unaufgefordert bringen sie einen Gebetsteppich, einen Koran sowie eine Gebetskette mit und stellen der Klasse anschaulich dar, was dies für sie bedeutet. Die Klasse staunt nicht schlecht darüber, wie selbstverständlich die zum Teil streng religiös geprägten Klassenkameraden von ihrer Religion erzählen und überfällt die Gruppe gleich mit mehreren, sehr persönlichen Rückfragen:

"Wie geht es euch im Fastenmonat Ramadan? Könnt ihr wirklich den ganzen Tag auf Essen und Trinken verzichten?" "Dürft ihr eigentlich eure Partner selbst aussuchen?" "Glaubt ihr so richtig an Gott – mit Beten und so?"

Freude über das Interesse an ihrem Glauben

Auch die muslimischen Schülerinnen und Schüler freuen sich über die vielen Fragen und antworten ehrlich und mit viel Geduld. Ist es eigentlich denkbar, dass die Klasse nach einer Unterrichtsstunde Beifall applaudiert? Um ehrlich zu sein, das passiert uns Lehrkräften in der Regel nicht. In diesem Fall jedoch erntete die Präsentationsgruppe am Ende der Stunde lauten Applaus, da sie ihre Religion offen, anschaulich und zudem humorvoll präsentierten.

Nicht jedes Thema des Religionsunterrichts führt dazu, dass die Schülerinnen und Schüler so neugierig und wissenshungrig werden, dass sie an den Lippen des Lehrers hängen. Eine aktivierende Unterrichtsgestaltung könnte vielleicht bei den prüfungsrelevanten Themen zum Babylonischen Exil sowie zum Nicänokonstantinopolitanum zur Herausforderung werden, da die Schüler hier meistens per se keine direkten Anknüpfungspunkte zu ihrem Leben in den Unterricht mitbringen.

Ich habe in der Nachbereitung zur Islam-Reihe länger darüber nachgedacht, was dazu führte, dass die Schüler der Berufsfachschule an diesem Tag so zufrieden den Klassensaal verließen. War es eine innovative Unterrichtsmethode oder Unterricht an einem besonderen Ort? – In diesem Fall sicher nicht! Oder war es schlicht der Bezug des Themas zur Gegenwart, der nach dem Erziehungswissenschaftler Wolfgang Klafki zu jedem guten Unterricht zwingend dazugehört? Zu einem aktivierenden Religionsunterricht gehört aber vielleicht auch eine gute Portion persönliche Betroffenheit seitens der Schüler. Wenn ich die Themen im Religionsunterricht geschickt auswähle, kann ich erreichen, dass die Heranwachsenden sich mit für sie existenziell wichtigen Fragen auseinandersetzen. Womöglich wird in einer Religionsstunde ihr Weltbild komplett auf den Kopf gestellt. Hören wir den Schülerinnen und Schülern also genau zu, was sie heute bewegt und woran sie glauben, und begeben wir uns im Religionsunterricht immer wieder auf eine möglichst spannende Entdeckungsreise.

Von Maximilian Golumbeck

Der Autor

Maximilian Golumbeck ist Religionslehrer am Kaufmännischen Berufsbildungszentrum (KBBZ) Neunkirchen/Saar.

Linktipp: Kolumne "Mein Religionsunterricht"

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