Forscher: Muslimische und katholische Jugendliche am gewaltbereitesten
Religion hat laut einer Umfrage unter Schweizer Jugendlichen Einfluss auf die Gewaltbereitschaft. Wie die "Aargauer Zeitung" am Dienstag berichtete, äußerten bei einer Befragung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften überdurchschnittlich viele muslimische und katholische Jugendliche Verständnis für Gewalt in der Familie. 19,4 Prozent der befragten Muslime und 7,1 Prozent der befragten Katholiken hätten den in der Umfrage genannten Aussagen "Wenn eine Frau ihren Mann betrügt, darf der Mann sie schlagen" und "Der Mann ist das Oberhaupt der Familie und darf sich notfalls auch mit Gewalt durchsetzen" zugestimmt. Unter konfessionslosen und protestantischen Jugendlichen habe die Zustimmung dagegen nur bei 4,8 Prozent und 4,5 Prozent gelegen.
Befragung zum Themenkomplex "Toxische Männlichkeit"
Den Angaben zufolge nahmen an der schon im Jahr 2017 erfolgten Befragung 8.300 Jugendliche im Alter von 17 und 18 Jahren in zehn Kantonen der Schweiz teil. 50 Prozent der Befragten seien männlich gewesen. Die Aussagen zur Gewalt in Familien seien Teil eines größeren Fragebogens gewesen; die Antworten der Befragten seien nun zum Themenkomplex "Toxische Männlichkeit" neu ausgewertet worden. Überdurchschnittlich viele Jugendliche hätten bei der Befragung auch angegeben, kürzlich eine Gewaltstraftat verübt zu haben.
Mit Blick auf das leicht überdurchschnittliche Gewaltpotential unter katholischen Jugendlichen vermutete Studienleiter Dirk Baier gegenüber der "Aargauer Zeitung" ein auch in typisch katholischen Ländern wie Italien verbreitetes Macho-Denken. Der Islam und der Katholizismus lieferten recht klare Bilder davon, wie Männer und Frauen sein sollten. Den Männern, so Baier, werde zugestanden, Gewalt anzuwenden. Relevant sei aber nicht, was im Koran oder in der Bibel stehe, sondern wie diese Geschlechterrollen vorgelebt und übernommen würden. Baier: "Und hier denke ich, dass das konservative Rollenmodell im Islam und Katholizismus noch stärker vorgelebt wird. Personen ohne Religionszugehörigkeit haben entsprechend ein weniger eindeutiges Geschlechterbild."
Nationale Herkunft ein weiterer Einflussfaktor
Als weiterer Einflussfaktor wird laut der Zeitung in der Studie die nationale Herkunft identifiziert. Unter den Schweizern befürwortet demnach nur jeder zwanzigste junge Mann Gewalt in der Familie. Unter den Gleichaltrigen, die aus Sri Lanka, Mazedonien und dem Kosovo stammten, denke hingegen jeder fünfte so. Interessant sei zudem, dass der soziale Status einer Person dagegen keinen Einfluss auf die Gewaltbereitschaft habe. Weder das Bildungsniveau der Eltern noch der Bezug von Fürsorgegeldern spielen eine Rolle. Einen Stadt-Land-Unterschied gebe es ebenfalls nicht.
"Toxische Männlichkeit" ist ein Konzept, das ursprünglich aus der soziologischen Geschlechterforschung stammt und nach der "MeToo"-Debatte auch in der breiteren Öffentlichkeit diskutiert wurde. Die Zürcher Forschungsgruppe ist nach eigenen Angaben die erste im deutschsprachigen Raum, die das Thema wissenschaftlich bearbeitet hat. Der "toxische Mann" sei die Steigerung des Machos. Sein negatives Verhalten werde nicht nur belächelt, sondern als gefährlich eingestuft. Das Rollenbild gilt als gefährlich, weil es Gewalt gegen Frauen befürwortet. (stz)