Theologe: Bischöfe sollten auf ein Viertel ihres Gehalts verzichten
Der Theologe und Psychotherapeut Wunibald Müller hat die deutschen Bischöfe im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des kirchlichen Missbrauchsskandals dazu aufgefordert, künftig auf ein Viertel ihres Gehalts zu verzichten. Das Geld solle stattdessen einer Stiftung für Missbrauchsopfer zukommen, sagte Müller am Montag in einem Interview der Würzburger "Main-Post". Die Bischöfe würden damit "endlich nachholen, was sie bisher versäumt haben". Er erwarte ein Zeichen, dass deutlich mache, dass die Bischöfe nicht länger im alten Trott verharrten.
Kritik an der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals
Mit Blick auf die bisherige Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der Kirche äußerte sich Müller ein Jahr nach der Vorstellung der kirchlichen Missbrauchsstudie kritisch. "Noch greifen die Maßnahmen nicht, auch weil die weitergehenden Konsequenzen, die sich aus der Missbrauchskrise ergeben, nicht gezogen werden", so Müller. Dazu gehörten etwa die Abschaffung des Pflichtzölibats sowie eine positive Einstellung zu Homosexualität und schwulen Priestern. "Wir wissen das alles schon seit vielen Jahren und es geschieht nichts"“, beklagte der langjährige Leiter des Recollectio-Hauses der Abtei Münsterschwarzach.
Zugleich würdigte Müller, dass die Kirche nicht erst seit der Missbrauchsstudie, sondern bereits in den vergangenen 20 Jahren dazugelernt habe: "Heute steht das Opfer im Mittelpunkt und nicht mehr nur das Ansehen der Kirche. Das Leid der Betroffenen wird gewürdigt." Dies habe jedoch zu lange gedauert. Müller beschrieb in diesem Zusammenhang eine Ungeduld, was die Umsetzung weiterer Konsequenzen angehe.
Beim "synodalen Weg" nicht vor dem Vatikan kneifen
Mit Blick auf den geplanten "synodalen Weg" forderte der Theologe die Bischöfe auf, sich durch Rom nicht von dem Vorhaben abbringen zu lassen. "Jetzt zeigt sich, ob die deutschen Bischöfe wieder einmal kneifen, wenn der Vatikan die Muskeln spannt", so Müller wörtlich. Kuschten die Oberhirten, offenbarten sie, dass sie immer noch nicht verstanden hätten, "dass es hier um nichts weniger als den letzten Versuch geht, ein wenig an Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen". Zugleich werde deutlich, dass die verheerende Situation, in der sich die Kirche derzeit befinde, dem klerikalen System geschuldet sei und die Kirche erst dann eine Chance zur Erneuerung habe, wenn diese Struktur zusammenbreche. "Eine Struktur, hinter der Machtinteressen, nicht aber die Liebe steht, die Gott selbst ist", sagte der 69-Jährige.
Müller war von 1991 bis 2016 Leiter des Recollectio-Hauses. Das Haus ist eine Einrichtung der Abtei Münsterschwarzach. Es will Priestern, Ordensleuten und Mitarbeitern in der Seelsorge die Möglichkeit geben, sich körperlich, psychisch und geistlich-spirituell zu sammeln, um sich für die pastorale Aufgabe zu stärken. Getragen wird das Haus von acht deutschen Bistümern. (stz)