Geschichtliche Vorbilder für Maria 2.0?

Historikerin: Äbtissinnen haben im Mittelalter sogar Priester ernannt

Veröffentlicht am 01.10.2019 um 13:05 Uhr – Lesedauer: 

Fribourg ‐ Bis zu den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils hatten laut Historikerin Annalena Müller Frauen deutlich mehr Macht in der Kirche. Aber nicht alle Frauen konnten hohe Positionen erreichen.

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Geistliche Frauen hatten nach Angaben der Fribourger Historikerin Annalena Müller im Mittelalter deutlich mehr Macht als heute. "Äbtissinnen haben sogar Priester ernannt – für die Pfarreien, die ihrem Kloster unterstanden", sagte Müller am Montag in einem Interview dem schweizerischen Online-Portal kath.ch. "Wenn man mit Macht Einfluss, Gestaltungs- und Entscheidungsvollmachten meint, dann gab es sehr viele mächtige Klosterfrauen im Mittelalter, vor allem Äbtissinnen." Sie seien als Politikerinnen aufgetreten, hätten die Klöster nach innen und außen geleitet und hätten teilweise ein Stimmrecht im Reichstag gehabt.

Müller betonte weiter, dass nur adlige Frauen solche hohen Positionen erreichen konnten. "Eine Bauerntochter hingegen wurde weder Nonne noch Äbtissin eines mächtigen Klosters." Selbst die Messe feiern oder Priester weihen hätten die Frauen freilich nicht gekonnt, "denn die Weihevollmacht war immer Männern vorbehalten", sagte die Historikerin.

Vorbilder für "Maria 2.0"?

Abgenommen habe die Macht der geistlichen Frauen erst durch die großen Konzilien der Moderne. "Das Zweite Vatikanische Konzil hat die juristische Leitungsvollmacht an die Weihevollmacht gebunden. Seit den 1960er-Jahren kann also nur noch ein Bischof Priester ernennen, eine Äbtissin könnte das heute nicht mehr", so Müller.

Die Rolle von Frauen in der Kirche ist in der jüngeren Vergangenheit wieder verstärkt Gegenstand der Diskussion. Unter anderem beschäftigt sich der von den deutschen Bischöfen beschlossene "synodale Weg" mit dem Thema. Auch die Reformewegung "Maria 2.0" fordert mehr Beteiligung von Christinnen. Die Äbtissinnen, Nonnen und Beginen im Mittelalter könnten Vorbilder für die Initiative sein, da sie "selbstverständlich" Rechte, Verantwortung und Einfluss in der Kirche ausgeübt hätten, sagte Müller. "Darum geht es ja bei 'Maria 2.0' – dass weibliche Mitsprache die Norm und keine Ausnahme ist." (cbr)