Kirchenaustritt rechtfertigt Kündigung
Zuvor hatte auch schon das Landesarbeitsgericht Stuttgart die Entlassung des heute 60-jährigen Sozialpädagogen als rechtmäßig bezeichnet und auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen verwiesen.
Kläger erwägt Gang nach Karlsruhe
Der Vorsitzende Richter Burghard Kreft bekräftigte in seiner mündlichen Urteilsbegründung, dass es sich bei einem Kirchenaustritt um einen "schwerwiegenden Loyalitätsverstoß" handele. Gleichwohl räumte er ein, dass man sich in einem verfassungsrechtlich "sensiblem Gebiet" bewege. Es gebe keineswegs einen Automatismus. Nach weltlichem Recht müsse es immer zu einem konkreten Interessenausgleich der Rechte der Kirche und des Einzelnen kommen. Der Anwalt des Klägers, Hilmar Hoppe, erklärte, sein Mandant erwäge eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe.
Der beim Mannheimer Caritasverband beschäftigte Sozialpädagoge hatte seinen Kirchenaustritt damit begründet, dass er von seinem Grundrecht auf Gewissensfreiheit Gebrauch gemacht habe. Er könne unter anderem wegen der Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen und den Vorgängen um die erzkonservative Piusbruderschaft nicht länger in der Kirche bleiben.
Zudem wirke sich sein Kirchenaustritt nicht auf die konkrete Arbeit in der Betreuung von Schulkindern aus. Der 60-Jährige stand seit 1992 in Diensten des katholischen Wohlfahrtsverbands.
Caritas: Urteil dieser Art erwartet
Als Reaktion auf das Urteil sagte Barbara Fank-Landkammer, stellvertretende Pressesprecherin des Deutschen Caritasverbands, gegenüber katholisch.de: "Wir haben ein solches Urteil erwartet". Wer bei der Caritas arbeite, der wisse, dass die Mitgliedschaft in der Kirche Voraussetzung für das Arbeitsverhältnis sei. Es gehe aber keineswegs darum, per se Kritik zu unterbinden: "Kritik, auch an der Kirche, ist durchaus gewollt. Aber nach unserer Sicht wäre es wünschenswert, wenn der betreffende Mitarbeiter in der Kirche bleibt und wir gemeinsam daran arbeiten können, dass es etwa beim Thema Missbrauchsskandal keine weiteren Fälle mehr gibt", so Fank-Landkammer.
Bischofskonferenz sieht sich bestätigt
Der Pressesprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp, erklärte, die Bischöfe sähen sich in ihrer Rechtsauffassung bestärkt.
Katholische Mitarbeiter im kirchlichen Dienst könnten den Sendungsauftrag der Kirche nur dann glaubhaft vermitteln, wenn sie sich selbst zur katholischen Kirche bekennen. "Wer seinen Austritt aus der Kirche erklärt, verstößt gegen das Gebot der Mindestloyalität. Er distanziert sich öffentlich von der Kirche, was als Aufkündigung der kirchlichen Treuepflicht zu bewerten ist", erläuterte Kopp.
Auch für Georg Hupfauer, den Vorsitzenden der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung, ist das Urteil nicht überraschend: "Man kann sich nicht einerseits der Kirche durch den Austritt entziehen, aber gleichzeitig sagen, dass man für die Kirche arbeiten will", erklärt Hupfauer katholisch.de. Zwar gebe es in kirchlichen Einrichtungen auch Beschäftigte, die mit der Verkündigung des Glaubens nichts zu tun hätten – etwa ein Techniker in einem Krankenhaus. Aber auch für solche Mitarbeiter gelte, dass sie eine gewisse Loyalität gegenüber ihrem Arbeitgeber zeigen müssten.
Dass Katholiken wegen eines Kirchenaustritts gekündigt wird, gleichzeitig aber Anders- oder Nichtgläubige in kirchlichen Betrieben arbeiten, ist für ihn kein Widerspruch: "Mit dem Beginn ihres Arbeitsverhältnisses bekennen sich solche Mitarbeiter ganz bewusst zur Kirche als Arbeitgeber und unterstützen sie", so Hupfauer.
Einige Urteile in der vergangenen Zeit
Das durch das Grundgesetz gedeckte kircheneigene Arbeitsrecht war zuletzt mehrfach von Gerichten überprüft und auch im Bundestag debattiert worden.
Im November hatte das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass Streiks in kirchlichen Betrieben unter stark eingeschränkten Bedingungen erlaubt sein können. Grundsätzlich stärkten die Richter aber das kirchliche Arbeitsrecht.
Gegenüber katholisch.de hatte der Bochumer Jura-Professor Jacob Joussen den Kirchen nahegelegt, sich in ihrem Arbeitsrecht zu bewegen. "Ein weltlicher Richter unserer Zeit versteht beispielsweise die Möglichkeit einer Kündigung eines wiederverheiratet-geschiedenen Arbeitnehmers nicht mehr", sagte der Experte für kirchliches Arbeitsrecht.
Zugleich hob Joussen hervor, dass das besondere Recht der Kirchen kein Arbeitsrecht zweiter Klasse sei. "Es beachtet die Besonderheiten der Kirche, die auch von der Verfassung anerkannt sind." (gho/meu/KNA)