Kontroverse um Johannes-Paul-Institut: Säuberung oder Neuausrichtung?
Seit einigen Monaten ist eine kleine kirchliche Hochschuleinrichtung in Rom großen Anfeindungen ausgesetzt: Kritiker werfen in erster Linie der Leitung des "Päpstlichen Theologischen Instituts Johannes Paul II. für Ehe- und Familienwissenschaften" vor, eine "Säuberung" der Einrichtung durchgeführt zu haben. So jedenfalls bezeichneten verschiedene konservative Blogs die inhaltliche und administrative Umgestaltung des Instituts. Um das Institut, das zur päpstlichen Lateran-Universität gehört, aber weitgehend eigenständig agiert, hat sich eine Auseinandersetzung entwickelt, die Einblicke in die Zerwürfnisse im Vatikan und die kirchenpolitischen Richtungsstreitigkeiten innerhalb der Gesamtkirche bietet.
Der Ausgangspunkt für die aktuelle Kontroverse liegt zwei Jahre zurück: Im September 2017 gründete Papst Franziskus mit seinem Motu proprio "Summa familiae cura" das in der Kritik stehende Familien-Institut. Es ersetzte in einem nahtlosen Übergang eine Einrichtung mit einem nahezu gleichlautenden Namen: das "Päpstliche Institut Johannes Paul II. für Studien zu Ehe und Familie". Hierbei handelte es sich um ein Herzensanliegen von Papst Johannes Paul II., der das Institut 1981 ins Leben gerufen hatte, um die von ihm entwickelte "Theologie des Leibes" zu etablieren, die in einer zeitgemäßen Begründung der traditionellen kirchlichen Lehre zu Sexualität und Ehe besteht.
Franziskus wollte mit der Neugründung die kirchliche Ehe- und Familienpastoral in andere Bahnen lenken – weg von einer zu sehr am Ideal der kirchlichen Lehre orientierten Seelsorge, hin zu einem größeren Ernstnehmen der persönlichen Lebensumstände der Gläubigen. Nach den beiden Familiensynoden 2014 und 2015 hatte der Papst im darauffolgenden Jahr sein Schreiben "Amoris laetitia" veröffentlicht, um die von ihm geforderten neuen Akzente in der Familienpastoral detailliert darzulegen.
Eine zentrale Rolle bei dieser Neuausrichtung sollte das Familien-Institut Johannes Pauls II. als Multiplikator auf akademischer Ebene spielen. Doch Franziskus war die bisherige Ausrichtung des Instituts zu konservativ: Er forderte angesichts neuer komplexer Herausforderungen für Ehepaare und Familien "einen analytischen und breitgefächerten Ansatz, der es nicht erlaubt, sich auf eine Praxis der Seelsorge und der Mission zu beschränken", wie es in seinem Erlass heißt. Eine zeitgemäße Pastoral dürfe sich nicht damit zufrieden geben, Familienmodelle der Vergangenheit widerzuspiegeln.
Um sein Anliegen durchzusetzen, tauschte Franziskus die Leitung des Instituts aus: Im August 2016 setzte er, noch in der alten Einrichtung, den Präfekten des neugeschaffenen Dikasteriums für Laien, Familie und Leben, Erzbischof Vincenzo Paglia, als Großkanzler ein. Präsident wurde der Fundamentaltheologe Pierangelo Sequeri. Die beiden hatten von Franziskus die Aufgabe erhalten, das Institut zu einem Thinktank für die Ideen von "Amoris laetitia" umzuwandeln – ein recht schwieriger Auftrag, den der machtbewusste Papst ihnen gegeben hatte.
Papst fordert persönlich zu Neuausrichtung auf
Denn der bisherige Präsident Livio Melina – ein Ziehsohn des Franziskus-Kritikers und Dubia-Kardinals Carlo Caffarra – hatte sich in der Vergangenheit mehrfach kritisch zum Papstschreiben geäußert. Er hatte den Kurs des Instituts auf die Beschäftigung mit den klassischen moraltheologischen Themen Fortpflanzung und Verhütung fokussiert. Im Oktober forderte Franziskus die Einrichtung persönlich zu einer Neuausrichtung auf: Es müsse "die nötige Öffnung der Intelligenz des Glaubens für die pastorale Aufgabe" der Kirche vorantreiben, sagte der Pontifex bei der Eröffnungsfeier des Akademischen Jahres. Die Unterstützung für seine neue seelsorgliche Linie war ihm wohl zu gering ausgefallen.
Ein Jahr später kam es schließlich zur Neugründung des Instituts, die außer der Namensänderung zunächst keine spürbaren Veränderungen mit sich brachte. Großkanzler Paglia und Präsident Sequeri blieben wie alle weiteren Mitarbeiter und Dozenten auf ihren Posten. Mit der Zeit machte sich jedoch die inhaltliche Neuausrichtung bemerkbar: 2018 wurde ein neuer Lehrstuhl mit dem Namen "Gaudium et spes" gegründet. So wie der Titel auf das gleichnamige Konzilsdokument aus dem Jahr 1965 verweist, das einen positiven Zugang der Kirche zur Moderne grundlegte, soll auch der neue Lehrstuhl eine Pastoral entwickeln, die sich mit den zeitgenössischen Problemen der Ehe- und Familienseelsorge auseinandersetzt.
Bereits damals hatte es unter den Professoren des Instituts und konservativen Katholiken Unmut über die Veränderungen gegeben. Sie befürchteten einen "Verrat am Erbe Johannes Pauls II." und beklagten das Vordringen einer "relativistischen Moral". Doch seit der Genehmigung der neuen Statuten durch den Vatikan im Juli dieses Jahres hat sich die Situation verschärft. Denn im Zuge von personellen Umgestaltungen verloren zwei Professoren ihre Lehrstühle, die für das konservative Profil des alten Instituts maßgebend gewesen waren.
Zum einen geht es um den früheren Präsidenten Melina, dessen Forschungsgebiet Fundamentalmoral in den neuen Studiengängen nicht mehr vorgesehen ist. Die Leitung begründete diese Entscheidung damit, dass sich die Einrichtung an Studenten richtet, die bereits einen Abschluss in Theologie vorweisen können und damit schon mit dieser Disziplin vertraut sind. Zum anderen empören sich die Kritiker über den Fall von José Noriega: Der Spanier war Professor am Familien-Institut, aber seit einigen Jahren auch Generaloberer seiner Ordensgemeinschaft. Die Statuten der vorigen wie der aktuellen Einrichtung lehnen die gleichzeitige Ausübung beiden Ämter von Beginn an jedoch ab, weshalb Noriega seinen Hut nehmen musste.
Entlassungen als Angriff auf die Identität des Instituts?
Im Anschluss wurde Kritik an den als "Säuberungen" bezeichneten Entlassungen inner- und außerhalb des Instituts laut. Der stellvertretende Präsident der Einrichtung, José Granados, sieht die Entlassung der beiden langjährigen Professoren als Angriff auf die Identität des Instituts. Sie sei "schwer gefährdet". Deshalb schlug er einen Kompromiss vor: Der Fundamentalmoral-Lehrstuhl Melinas solle als Ergänzung zu einem bereits bestehenden moraltheologischen Angebot neu gegründet werden. Beide Professuren könnten sich "gegenseitig bereichern", schlug er vor kurzem vor.
Konservative Theologen und katholische Intellektuelle aus aller Welt zeigten sich schockiert angesichts der Neuerungen. Der vom US-Theologen George Weigel geäußerte Vergleich mit dem Sturm der Vandalen auf Rom im Jahr 455 zeigt anschaulich, wie groß die Verunsicherung einiger Katholiken ist, die sich wohl die Zeit der Pontifikate Johannes Pauls II. und Benedikts XVI. zurückwünschen. Andere beklagten eine Mentalität wie an einem "absolutistischen Hofstaat" oder fühlten sich an totalitäre Systeme erinnert, in denen unliebsame Personen kurzerhand geschasst werden. Sie sehen dadurch die akademische Freiheit in Gefahr.
Doch die Verantwortlichen des Familien-Instituts verwehren sich gegen solche Anschuldigungen. Die "Theologie des Leibes" sehen sie nicht in Gefahr, denn die Neuausrichtung habe nicht das Ziel, die familien- und moraltheologische Lehre des Wojtila-Papstes zu nivellieren, sondern sie zu ergänzen und zu aktualisieren, heißt es. Auch deshalb habe man die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Humanwissenschaften intensiviert. Großkanzler Paglia beruft sich darauf, bei den Entlassungen der beiden Professoren nach klaren Gesichtspunkten vorgegangen zu sein und sich an den Statuten orientiert zu haben. Zudem habe man die anderen zehn der insgesamt zwölf Lehrstuhlinhaber erneut berufen. Aber auch die finanzielle Lage sei ein Beweggrund gewesen: Das Institut sei mit anderthalb Millionen Euro im Minus und müsse sparen. Aus dem gleichen Grund habe man die Studiengänge neu geordnet – zumal es in einigen nicht einmal zwei Dutzend Studenten gegeben, die von 40 Dozenten betreut wurden. Diese Zustände seien nicht mehr tragbar gewesen.
Trotz aller Beteuerungen der Institutsleitung, die versichert, dass es nicht um kirchenpolitische Inhalte geht: Die teilweise sehr emotionalen Auseinandersetzungen zeigen, wie groß die Gegensätze zwischen Anhängern der Linie von Franziskus und denjenigen sind, die sich den Neuerungen in Kirche, Seelsorge und Theologie entgegensetzen. Letztere sind damit konfrontiert, vertraute Strukturen aufgeben und einer anderen pastoralen Praxis Platz machen zu müssen. Für den Papst stellt das einen steinigen Weg dar, den er mit dem baldigen Abschluss der Kurienreform und seiner Aufwertung der Bischofssynoden jedoch festen Schrittes weitergeht.