Jahrbücher zu Christenverfolgung und Religionsfreiheit vorgestellt

Wo Gläubige in Bedrängnis sind

Veröffentlicht am 24.10.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Irakische Christen beten in Qaraqush
Bild: © KNA

Berlin ‐ Anschläge auf Gotteshäuser, systematische Vertreibungen von Gläubigen, stillschweigende Zustimmung zu Unterdrückung: Zwei aktuelle Berichte thematisieren die weltweite Situation der Religionsfreiheit. Besonders im Fokus: die Lage in der Türkei.

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Der Einmarsch der Türkei in Nordsyrien vor zwei Wochen hat den internationalen Blick auf die Lage der ethnischen und religiösen Minderheiten in der Region gelenkt. Menschenrechtler warnen davor, dass die Türkei in Syrien und im eigenen Land Christen und andere Minderheiten vertreibe. Von "ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen, insbesondere der Vertreibung von Kurden, Christen und Jesiden", spricht die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM).

Zusammen mit der Deutschen Evangelischen Allianz hat die Organisation am Mittwoch in Berlin ihre aktuellen Jahrbücher zur weltweiten Christenverfolgung und Religionsfreiheit vorgelegt. Quintessenz: Die Glaubensfreiheit ist weltweit in arger Bedrängnis, nicht nur in der Türkei – auch wenn darauf derzeit ein Fokus liegt.

Die IGFM und der Bundestagsabgeordnete Michael Brand forderten bei der Vorstellung der Berichte mehr Einsatz vom Auswärtigen Amt (AA) gegenüber der Türkei. Es sei wichtig, gerade in der jetzigen Lage keine falsche Rücksicht zu nehmen und Themen wie Menschenrechtsverletzungen und Christenverfolgung deutlich anzusprechen, sagte der CDU-Politiker. "Regime – ob sie in Russland, China oder der Türkei sind – schauen sehr genau darauf, zu welchen Zeitpunkten man schweigt oder den Finger in die Wunde legt."

Türkische Militäroffensive in Nord-Syrien
Bild: ©picture alliance / AP Photo

Türkischer Einmarsch in Nordsyrien: Menschenrechtler warnen davor, dass die Türkei dort und im eigenen Land Christen und andere Minderheiten vertreibe.

Dazu gehört auch aus Sicht der IGFM die Lage in der Türkei selbst. Ausweisungen und Einreiseverbote für engagierte Christen hätten dort seit dem Putsch im Juli 2016 ein immer größeres Ausmaß angenommen und nun ihren bisherigen Höhepunkt erreicht, kritisierte die Gesellschaft. Insgesamt seien bereits rund 70 Menschen betroffen. Etliche hätten Klage eingereicht. Die Bundesregierung müsse diese Verfahren beobachten und dafür Vertreter der Botschaften und Konsulate entsenden. Der Herausgeber der Jahrbücher und Präsident des "Council of the International Society of Human Rights", Thomas Schirrmacher, warnte davor, dass es der Türkei darum gehe, auch die Gemeinden selbst zu schwächen.

Mehr Einsatz für Glaubensfreiheit verlangt auch der Vorsitzende des Stephanuskreises der Unionsfraktion im Bundestag, Heribert Hirte (CDU). Religionsfreiheit müsse in der deutschen Außenpolitik stärker implementiert werden, schreibt er in einem Beitrag für die Jahrbücher. Der Stephanuskreis tritt nach eigenen Angaben für Toleranz und Religionsfreiheit ein.

Die beiden Berichte thematisieren neben der Türkei auch die mitunter dramatische Situation in vielen anderen Ländern. So geht es etwa um die Verfolgung von Christen, Uiguren, Tibetern und anderen Gläubigen in China oder die Angst von Christen im Irak. Auch die Lage der größten nicht-muslimischen Glaubensgemeinschaft im Iran, der Bahai, oder die Gefährdung christlicher Frauen in Nigeria kommen zur Sprache.

Passagen zur Situation in Europa

Zu europäischen Ländern enthalten die Berichte ebenfalls Passagen. So befasst sich ein Text mit Brandanschlägen auf Kirchen in Frankreich, ein anderer mit drohenden Einschränkungen durch eine Novellierung des bulgarischen Religionsgesetzes. Zudem fanden größere Anschläge wie die Bombenattentate auf Kirchen und Hotels in Sri Lanka an Ostern 2019 oder der Terroranschlag auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch im März Eingang in die Berichte.

Herausgeber Schirrmacher betonte, wenn die Religionsfreiheit in einem Land nicht von den herrschenden Kräften geschützt werde, nehme auch die Gewalt von Minderheiten untereinander zu. In Deutschland könne man nicht einfach sagen, als christliches Land könne man nichts dafür, wenn etwa Muslime eine Synagoge ansteckten. "Zur Religionsfreiheit gehört, dass wir eine Synagoge vor unseren eigenen Leuten schützen und vor jedem anderen", mahnte der Theologe. Und: "Religionsfreiheit kriegt man nie für lau."

Neben den Berichten der IGFM und der DEA gibt es viele weitere zur Religionsfreiheit – zum Beispiel vom renommierten Washingtoner Pew Research Center. In der kommenden Woche stellt das Hilfswerk Open Doors einen Bericht zum Umgang mit Konvertiten und verfolgten Christen in Deutschland vor. Der Beauftragte der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit, Markus Grübel, will seinen Bericht Anfang kommenden Jahres vorlegen.

Von Alexander Riedel (KNA)