Wunibald Müller: Pflichtzölibat wird nun fallen
Der Psychotherapeut und Theologe Wunibald Müller hält die am Sonntag beendete Amazonas-Synode für historisch. Sie "wird in die Geschichte eingehen als die Synode, mit der das Ende des Pflichtzölibats eingeläutet wurde", erklärte Müller am Sonntag in Würzburg. "Mit der Empfehlung, bewährte verheiratete Männer zu Priestern zu weihen, ist endgültig der Damm gebrochen, der bisher eine Aufhebung des Pflichtzölibats verhinderte."
Der frühere Leiter des Recollectio-Hauses in Münsterschwarzach sprach in diesem Zusammenhang von einer "wahrhaft frohen Botschaft" für Männer, die sich zum Priestertum, nicht aber einem zölibatären Lebensstil berufen fühlten. Zugleich dürften auch die vielen Priester, die trotz Zölibat in Beziehungen lebten, auf eine Veränderung ihrer Situation hoffen. Ohne Pflichtzölibat könnten Priester künftig offener, realistischer und ehrlicher mit ihrer Sexualität umgehen. "Diese muss dann nicht länger in einem Dunkelbereich gelebt werden, was sie anfällig macht für ein unreifes und missbräuchliches sexuelles Verhalten." Damit würde dann auch ein wichtiger Beitrag zur Prävention sexualisierter Gewalt durch Kleriker geleistet.
Der Theologe und Psychotherapeut erklärte, Papst Franziskus habe in der letzten Zeit "durch manche unklugen Äußerungen und sein Zögern, was konkrete Reformen betrifft, an Glaubwürdigkeit und Sympathie verloren". Nun erweise er sich "als ein Mann der kleinen Schritte". Dies sei "vielleicht die einzigmögliche Weise, tatsächlich in der Kirche etwas zu verändern, ohne eine Kirchenspaltung heraufzubeschwören".
Mertes: Vom Zölibat nicht ableiten, dass Sexualität "unrein" sei
Unterdessen äußerte sich auch der Jesuit Klaus Mertes zum Zölibat und sprach sich für ein neues Nachdenken über dessen theologischen Sinn aus. Es greife zu kurz, die Ehe- und Familienlosigkeit von katholischen Priestern und Ordensleuten nur als notwendigerweise zu zahlenden Preis zu verstehen, um sich ganz "auf das Himmelreich konzentrieren zu können", schreibt Mertes in einem Beitrag für die in Freiburg erscheinende Zeitschrift "Stimmen der Zeit" (November). "Die schmerzende Leerstelle hat vielmehr einen eigenen theologischen Sinn. Gott ist nicht nur gegenwärtig, er fehlt auch."
Damit sei der Zölibat selbst ein "theologisches Zeichen, eine existenzielle Darstellung des paradoxen Charakters der Gegenwart Gottes in der Welt". Zugleich betont Mertes, auch verheiratete Frauen und Männer könnten sich ganz "in den Dienst des Himmelreichs stellen". Auch sei es falsch, vom Zölibat die Vorstellung abzuleiten, wonach Sexualität "unrein" sei.
Umgekehrt beschreibt Mertes den Priesterzölibat als über Jahrhunderte praktiziertes Zeichen für die "Sphäre des Sakralen", als eine "Markierung von Alterität" des Priesters. Wenn nun über ein Ende des Priesterzölibats gesprochen werde, so Mertes, brauche es auch ein Nachdenken darüber, wie diese "Alterität", das Anderssein des Priesters, künftig ausgestaltet werden könnte. "Denn so viel ist ja auch klar: Den Priester bloß auf den Kultdiener herabzustufen, ohne dass dieser Dienst auch übergreift auf sein existenzielles Selbstverständnis, wäre falsch." (tmg/KNA)