Ständiger Diakonat: Ein Weiheamt auf Identitätssuche
Am Wochenende haben wohl nicht wenige Diakone aufgehorcht: Papst Franziskus hat Kurien-Mitarbeiter davor gewarnt, Laien zu klerikalisieren. Als Beispiel für seine Befürchtungen schilderte das Kirchenoberhaupt eine Begebenheit, die ihm in seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires anscheinend öfters passiert ist: "Ein Pfarrer kam und sagte zu mir: 'Ich habe einen wunderbaren Laien, er weiß, wie man alles macht, alles. Machen wir ihn zum Diakon?'" Franziskus wollte mit dieser Anekdote herausstellen, dass Laien eine eigene Berufung haben und nicht erst geweiht werden müssen, um in der Kirche etwas zu gelten.
Den Diakonen schrieb der Papst zudem die Besinnung auf ihre spezifische Berufung ins Stammbuch, indem er sie davor warnte, weder "Messdiener erster Klasse" noch "Priester zweiter Klasse" zu sein. Franziskus ging in seinen Äußerungen sogar noch einen Schritt weiter, indem er verriet, Bischöfen stets zu raten, die Diakone "vom Altar fernzuhalten". Sie dürften keine "verhinderten Priester" sein. Spricht sich Papst Franziskus damit also gegen den liturgischen Dienst von Diakonen aus?
"Der liturgische Dienst der Diakone ist wichtig und gerechtfertigt"
Davon geht Diakon Thomas Nixdorf nicht aus. "Der Kontext der Formulierungen des Papstes war ja die Berufung der Laien und leider etwas missverständlich mit dem Auftrag der Diakone verknüpft", findet der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Ständiger Diakonat. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Franziskus den Platz der Diakone am Altar generell in Frage stellt." Dann wären sie lediglich so etwas wie "geweihte Sozialarbeiter". "Der liturgische Dienst der Diakone ist wichtig und gerechtfertigt", so Nixdorf. Schließlich würden sie durch ihre Weihe Christus repräsentieren und am Altar als "Stellvertreter der Armen" stehen. "Doch die Rolle des Diakons und auch der anderen pastoralen Dienste wird heute immer noch zu sehr vom Priester her gedacht", klagt Nixdorf. Dabei sei es ihre eigentliche Aufgabe, "Hüter des Dienstes" in der Kirche zu sein, besonders an den Armen, wie der Papst ebenfalls am Wochenende gesagt hatte.
Die Unschärfen im Profil des Diakonats haben sich im Lauf seiner Geschichte ergeben, die von großen Veränderungen geprägt ist. Waren Diakone in der Alten Kirche mit der Sorge für die Armen betraut und direkt dem Bischof zugeordnet, verkümmerte ihr Amt im Frühmittelalter zu einer Durchgangsstufe zur Priesterweihe. Zuvor waren viele der ursprünglichen Aufgaben der Diakone, wie Armenfürsorge, Verwaltung der Finanzen und Assistenz bei der Taufe, bereits an die Priester übertragen worden. Auf dem Konzil von Trient (1545-1563) wurde versucht, den Diakonat zu neuem Leben zu erwecken, was jedoch scheiterte. Erst das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) bereitete den Boden für die erneuerte Einführung des Ständigen Diakonats durch Papst Paul VI. im Jahr 1967. Ein Jahr später fand die weltweit erste Weihe von Ständigen Diakonen im Kölner Dom statt.
"Das Amt des Diakons hat wieder einen festen Platz in der Kirche, auch wenn die theologische Entwicklung des Diakonats sicher noch nicht ans Ende gekommen ist", sagt Günter Riße. Derzeit gebe es im Wesentlichen drei Modelle, die versuchen, die Beziehungen zwischen den Weiheämtern darzustellen, erklärt der Leiter des Diakoneninstituts des Erzbistums Köln, der auch selbst Diakon ist. "Das 'sacerdotale Modell' verortet den Diakon in der kirchlichen Hierarchie an der untersten Stelle, also auch unter dem Amt des Priesters", so Riße. "Das 'komplementäre Modell' besagt, dass Diakon und Priester in je eigenständiger Weise auf den Bischof hingeordnet sind." Schließlich gebe es auch das "bipolare Modell", das die Dienste des Priesters im Kontext der Verkündigung des Evangeliums und die des Diakons entsprechend im Zusammenhang mit seiner Sorge um die Notleidenden sieht. "Die Aufgaben beider Ämter verdichten sich zudem in der Liturgie." Die verschiedenen Sichtweisen auf den Diakonat würden zeigen, dass die theologische Grundsatzfrage letztlich seine Verortung innerhalb des Weiheamtes sei.
Das sieht auch Nixdorf so, denn "zwischen dem Amt des Diakons und des Priesters gibt es einige Überschneidungen". Beide können sich gemäß ihrem kirchlichen Auftrag sowohl für Bedürftige einsetzen und in der Glaubensweitergabe engagieren als auch liturgische Dienste vollziehen. So dürfen Diakone Taufgottesdienste feiern, bei Eheschließungen assistieren und Beerdigungen leiten – alles Dienste, die im Notfall oder mit besonderer Erlaubnis des Bischofs jedoch auch von Laien übernommen werden können. Im Unterschied zum Bischof und zum Priester fehlt dem Diakon ein ausschließlich ihm vorbehaltener Dienst, den man als Kern seiner Wesensbestimmung ausmachen könnte.
Nach Nixdorfs Erfahrung sehen die meisten Diakone in Deutschland ihren besonderen Auftrag gerade auch im karitativen Bereich, etwa in der Arbeit für Obdachlose, der Seelsorge an Migranten oder der Begleitung von Sterbenden. "Es gibt viele Diakone, die sehr engagiert sind und an die Ränder der Kirche und der Gesellschaft gehen wollen", berichtet er. Manche würden jedoch innerhalb der Pfarreien dazu gedrängt werden, sich stärker für die "Kerngemeinde" und ihre Erwartungen an Gottesdienst und Katechese einzusetzen – nicht zuletzt wegen des großen Priestermangels in den deutschen Diözesen. Hier sieht Nixdorf ein Einfallstor für Klerikalismus, wie ihn auch der Papst in seiner Äußerung vom Wochenende kritisiert hat. "Franziskus hat dabei sicherlich auch an die Einseitigkeit gedacht, den Dienst des Diakons vor allem liturgisch zu verstehen."
Diakone klagen über zu häufige liturgische Dienste
Diese Befürchtung teilen viele Diakone. Erst im vergangenen Monat haben über 100 Ständige Diakone aus Österreich ein Manifest verabschiedet, in dem sie ihre Angst über einen "schleichenden Identitätsverlust" ihres Dienstes ausdrücken. "Es erfüllt uns mit Sorge, dass die spezifisch diakonale Ausrichtung unseres Weiheamtes Schaden leidet", heißt es in dem Dokument. Die Diakone klagen darüber, dass sie in den Pfarreien zunehmend liturgische Dienste übernehmen müssen. Doch sie seien keine "Ersatzpriester". Ihre "diakonische Sendung in Gesellschaft und Kirche" dürfe nicht verdunkelt werden, heißt es im Manifest der Diakone.
Doch trotz der Furcht der Diakone vor einem Dasein als "Lückenbüßer", gebe es in vielen Pfarreien ein gutes und respektvolles Verhältnis zu Gläubigen und Pfarrern, weiß Nixdorf zu berichten. "Das Miteinander von Priestern und Diakonen hat sich in den letzten Jahrzehnten gut entwickelt." Und viele Priester würden die karitative Berufung der Diakone unterstützen. Doch bei einigen Laienmitarbeitern gebe es auch Tendenzen, den Diakonen ihren Platz am Altar gewissermaßen zu neiden. Denn Pastoral- und Gemeindereferenten haben nur begrenzte Möglichkeiten im liturgischen Dienst, insbesondere in der Eucharistiefeier haben sie keinen definierten Platz. Für die Diakone ist der Einsatz in der Liturgie im Konzilsdokument "Ad gentes" jedoch ausdrücklich erwünscht: Wer einen diakonalen Dienst ausübe, solle durch die "überlieferte Handauflegung gestärkt und dem Altare enger verbunden werden". Dem wird wohl auch Papst Franziskus zustimmen können – trotz seiner harschen Kritik an der Überbetonung der Liturgie im Dienst des Diakons.