Theologin Knop: Die Gläubigen erwarten zu Recht belastbare Reformen
An diesem Sonntag wird der "synodale Weg" der katholischen Kirche in Deutschland offiziell gestartet. Doch welche Chancen bietet der von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) getragene Reformdialog? Darüber spricht die Erfurter Dogmatikerin Julia Knop, die selbst am "synodalen Weg" beteiligt ist, im Interview mit katholisch.de. Außerdem äußert sich Knop zum bestehenden Reformdruck in der Kirche, zur personellen Zusammensetzung der Synodalversammlung und zu den Sonderrechten der Bischöfe bei der Versammlung.
Frage: Frau Knop, obwohl viele Gläubige seit Jahrzehnten auf Reformen in der Kirche hoffen, kann man den Eindruck gewinnen, dass eine Mehrheit der Basis dem "synodalen Weg" weitgehend gleichgültig gegenübersteht. Woran liegt das?
Knop: Mein Eindruck ist ein anderer. Ich bin in den letzten Monaten sehr häufig auf den Prozess angesprochen worden und habe mit vielen Menschen darüber diskutiert. Der "synodale Weg" findet breite Beachtung. Allerdings spüre ich auch viel Skepsis. Das liegt vor allem daran, dass die Hoffnung auf Reformen in der Vergangenheit immer wieder enttäuscht wurde. Viele Gläubige fragen sich, warum es diesmal anders laufen sollte.
Frage: Und, warum sollte es anders laufen?
Knop: Weil der Druck im kirchlichen Kessel enorm ist. Der Reformstau ist riesig. Und durch den Missbrauchsskandal hat die Amtskirche massiv an Glaubwürdigkeit verloren. Es muss etwas geschehen. Ansonsten läuft die Kirche Gefahr, zumindest als Institution schon in wenigen Jahren in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.
Frage: In den vergangenen Monaten wurde von Befürwortern und Kritikern eine kontroverse und teilweise sogar unversöhnliche Debatte über den "synodalen Weg" geführt. Inwieweit hat das dem Prozess schon vor seinem offiziellen Start geschadet?
Knop: Dass kontroverse Diskussionen ein Schaden wären, würde ich nicht sagen. Im Gegenteil: Wir müssen in der Kirche noch viel stärker lernen, Konflikte ehrlich und ergebnisorientiert auszutragen. Und außerdem haben die Debatten der vergangenen Monate eines doch sehr deutlich gezeigt – nämlich, dass es beim "synodalen Weg" wirklich um etwas geht.
Frage: Mit Blick auf die personelle Zusammensetzung ist wiederholt der Vorwurf geäußert worden, der "synodale Weg" sei vor allem eine Veranstaltung der Bischöfe und einiger führender Funktionäre des ZdK. Kommen die einfachen Gläubigen zu kurz?
Knop: Nein, das sehe ich nicht so. Dass die Gläubigen vor allem über das ZdK am Prozess beteiligt sind, finde ich nicht kritikwürdig; schließlich sind mandatierte Volksvertreter auch in der parlamentarischen Demokratie die Regel. Aber ich finde es schade, dass jenseits der Verbände und Berufsgruppen keine Möglichkeit vorgesehen ist, sich initiativ für die Synodalversammlung zu bewerben – das ist nur für 15 junge Leute unter 30 Jahren geplant.
„Dass die Beschlüsse für die Bischöfe nicht bindend sind, halte ich für einen Fehler.“
Frage: Aber jenseits dessen sind Sie mit der personellen Zusammensetzung insbesondere der Synodalversammlung zufrieden?
Knop: Ich will es mal so formulieren: Ich kann erahnen, wie es zu dieser Zusammensetzung gekommen ist. Das Grundproblem ist, dass auch die Synodalversammlung stark klerikal geprägt ist. Bei 69 Bischöfen und knapp 40 weiteren Geistlichen ist fast die Hälfte der Delegiertenplätze mit Klerikern besetzt. Der Frauenanteil ist auch deshalb peinlich gering. Vertreter der Missbrauchsopfer wurden nicht strukturell berücksichtigt. Wissenschaftler sind in der Synodalversammlung kaum vorgesehen. Und es fehlen die Religionslehrer, die vielleicht wichtigste Personengruppe an der Schwelle von Kirche und Gesellschaft.
Frage: Gleiches gilt für die Kritiker des "synodalen Wegs". Hätte man etwa versuchen sollen, das Forum Deutscher Katholiken in den Prozess einzubinden?
Knop: Ich denke nicht, dass die Kritiker zu kurz gekommen sind. Immerhin wurden vor allem aufgrund ihrer Einsprüche zahlreiche Sicherheitsmechanismen in das Statut des "synodalen Wegs" eingebaut. Das Forum Deutscher Katholiken hätte sich wie andere katholische Verbände und Gemeinschaften auch über eine ZdK-Mitgliedschaft beteiligen können. Dass es das nicht wollte, ist nicht dem "synodalen Weg" anzulasten.
Frage: Sie sprechen mit Blick auf das Statut von Sicherheitsmechanismen. Sind Enttäuschungen am Ende des "synodalen Wegs" dadurch nicht schon vorprogrammiert?
Knop: Vorprogrammiert nicht. Aber am Ende wird es entscheidend darauf ankommen, wie sich die Bischöfe zu den Beschlüssen des "synodalen Wegs" verhalten und was ihr Versprechen gilt, "auf Augenhöhe" zu "verbindlichen Beschlüssen" kommen zu wollen. Wenn sie die eingebauten Sicherheitsmechanismen ausreizen, sind Enttäuschungen tatsächlich kaum zu vermeiden.
Frage: Sie meinen etwa das Recht jedes einzelnen Bischofs, die Beschlüsse des "synodalen Wegs" in seinem Bistum zu ignorieren?
Knop: Genau. Dass die Beschlüsse für die Bischöfe nicht bindend sind, halte ich für einen Fehler. Glaubwürdiger wäre es gewesen, wenn die Bischöfe sich im Statut dazu verpflichtet hätten, die Beschlüsse des Prozesses auf jeden Fall umzusetzen. Gerade weil der "synodale Weg" ein Format sui generis ist, wäre das möglich gewesen. Aber eine solche Selbstverpflichtung können die Bischöfe – einzeln oder als Bischofskonferenz – natürlich noch nachholen.
Frage: Fürchten Sie angesichts möglicher bischöflicher Vetos bei der Umsetzung der Beschlüsse einen Flickenteppich?
Knop: Eine gewisse Pluralität ist in der katholischen Kirche doch normal, unter den Gläubigen wie unter den Bischöfen. Problematisch wird es immer dann, wenn Konflikte autoritär "gelöst" werden: Wenn ein Bischof allein oder sogar gegen die Gläubigen seines Bistums die Geschicke vor Ort bestimmt und er sich nicht als Repräsentant seiner Ortskirche versteht. Er sollte die Stimme der Katholiken vor Ort kennen und zu Gehör bringen, im "synodalen Weg" wie in der Weltkirche. Wenn die Reformen, die der "synodale Weg" anstoßen kann, vom Veto einer bischöflichen Minderheit oder vom kleinsten gemeinsamen Nenner abhängig sind, auf den sich die Bischöfe untereinander einigen können, wird am Ende nur Symbolpolitik geschehen. Da wäre sogar ein Flickenteppich besser – zumindest wäre das ehrlicher.
Frage: Die Bischöfe haben laut Satzung nicht nur die Möglichkeit, die Umsetzung der Beschlüsse in ihrem Bistum zu verhindern. Auch bei den Abstimmungen in der Synodalversammlung sind ihre Stimmen mehr wert als die Stimmen der anderen Delegierten. Wird dieses Ungleichgewicht den Prozess belasten?
Knop: Das ist schwer vorherzusagen. Es ist tatsächlich gravierendes Ungleichgewicht. Um es in Zahlen auszudrücken: Es braucht lediglich 24 Bischöfe, um das Votum von rund 200 Delegierten zu torpedieren. Das ist aus demokratischer Perspektive eigentlich nicht zu akzeptieren. Zumal es doch darum gehen soll, Konsequenzen aus den systemischen Faktoren von Missbrauch und Vertuschung zu ziehen: Da müssen problematische hierarchische Strukturen und ungerechte Machtverhältnisse in der Kirche auf den Prüfstand. Sie können nicht einfach so weitergeführt werden. Das wird beim "synodalen Weg" intensiv thematisiert werden – aber es hätte bereits den Prozess bestimmen sollen.
Frage: Angesichts der von Ihnen genannten Defizite und Unwägbarkeiten: Wie soll eigentlich verhindert werden, dass der "synodale Weg" am Ende das Schicksal des allgemein als gescheitert angesehenen Dialogprozesses erleidet?
Knop: Beim Dialogprozess ging es darum, überhaupt miteinander ins Gespräch zu kommen; die Kommunikation selbst war schon ein Ziel. Das ist jetzt anders: Für den "synodalen Weg" wurden sehr konkrete Themen vereinbart, bei denen seit Jahrzehnten Reformstau benannt wird. Die MHG-Studie hat die Dringlichkeit dieser Themen untermauert. Man wird sich deshalb nicht nur freundlich über Macht, Sexualmoral und Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche austauschen können. Die Gläubigen erwarten zu Recht belastbare Reformen.
Frage: Aber selbst wenn eine Mehrheit in der Synodalversammlung für umfangreiche Reformen stimmen sollte: Gerade bei den sogenannten "heißen Eisen" – etwa dem Zölibat oder der Sexualmoral – muss am Ende der Vatikan entscheiden. Und auch unter Franziskus sind hier doch keine wirklich umwälzenden Reformen zu erwarten ...
Knop: Da wäre ich nicht so pessimistisch. Wir haben zuletzt bei der Amazonas-Synode gesehen, dass auch bei einst in Stein gemeißelten Themen etwas in Bewegung geraten kann. Insofern habe ich durchaus die Hoffnung, dass der "synodale Weg" eine Dynamik über Deutschland hinaus auslöst – zumal die Themen dieses Wegs ja weltweit virulent sind.
„Wir werden nicht zwei Jahre diskutieren können, ohne am Ende konkrete Ergebnisse vorzulegen.“
Frage: Aber selbst im günstigsten Fall werden Reformen bei zentralen Fragen noch viele Jahre auf sich warten lassen.
Knop: Das bleibt abzuwarten. Für den "synodalen Weg" ist aber klar: Wir werden nicht zwei Jahre diskutieren können, ohne am Ende konkrete Ergebnisse vorzulegen. Und zu denen wird sich auch der Vatikan verhalten müssen. Es kann natürlich sein, dass Ergebnisse in der Kurie scheitern oder während des Prozesses mahnende Briefe aus Rom kommen. Aber deswegen können wir die strittigen Fragen beim "synodalen Weg" doch nicht ausklammern. Wir haben als deutsche Kirche schließlich auch eine Verantwortung für die Weltkirche.
Frage: Wie meinen Sie das?
Knop: Wir verfügen in Deutschland über eine Theologie auf höchstem wissenschaftlichem Niveau. Wir sind ökumenisch erfahren und demokratisch geschult. Wir sind wirtschaftlich stark und haben einen Laienkatholizismus, der weltweit beispiellos ist. Wir sind nicht zuletzt in der wissenschaftlichen Analyse von Missbrauch und Vertuschung gut aufgestellt. Wir sollten diese Kompetenzen und Ressourcen kraftvoll in die weltkirchlichen Debatten einbringen.
Frage: Überschätzen Sie angesichts der sich dramatisch verschiebenden Kräfteverhältnisse in der Weltkirche da nicht die Möglichkeiten der deutschen Kirche?
Knop: Ich denke nicht. Angesichts unserer Möglichkeiten haben wir auch eine Verantwortung, bei bestimmten Fragen voranzudenken und voranzugehen. Nehmen Sie etwa unsere europäischen Nachbarländer: Die Kirchen dort haben dieselben Probleme wie wir und verfolgen den "synodalen Weg" mit großem Interesse. Gerade aus Osteuropa habe ich viele ermutigende Worte gehört; man setzt dort auf uns.
Frage: Ende Januar findet in Frankfurt die erste Synodalversammlung statt, eine weitere Versammlung ist für Herbst geplant und enden soll der ganze Prozess nach zwei Jahren. Viel mehr ist über den zeitlichen Ablauf des "synodalen Wegs" bisher nicht bekannt. Reicht das, um sich guten Gewissens auf diesen schwierigen Weg zu begeben?
Knop: Ja, ich denke schon. Ich glaube, dass es gut ist, den Prozess nicht schon am Anfang in ein zu enges Korsett zu stecken. Dass es für das Format des "synodalen Wegs" keine Vorbilder gibt, ist ja auch eine Chance. Vieles wird sich erst im Laufe des Prozesses ergeben. Vielleicht kommen neue Themen auf. Auch die große Zahl der Delegierten und die Komplexität der vereinbarten Themen erfordern eine gewisse Flexibilität. Ob die Dauer von zwei Jahren realistisch ist, muss sich zeigen. Ich finde zwei Jahre für diesen Prozess eigentlich zu kurz.
Frage: Was erhoffen Sie sich persönlich vom "synodalen Weg"? Was sollte am Ende des Prozesses anders sein?
Knop: Ich hoffe, dass wir lernen, Konflikte in der Kirche auszutragen und Formen geteilter Verantwortung zu entwickeln. Ich wünsche mir, dass die Verbundenheit und Solidarität der Bischöfe mit den Gläubigen vor Ort wächst. Dass der sensus fidelium strukturelle Bedeutung gewinnt. Dass man wirklich gemeinsam Entscheidungen trifft und dass Mehrheitsbeschlüsse als legitime Form synodaler Willensbildung auch in der katholischen Kirche Gewicht erlangen.