Serie: Aus dem Priesterseminar – Teil 5

Was sich bei der Priesterausbildung ändern muss – und was nicht

Veröffentlicht am 27.11.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Als Seminarist macht sich Johannes Köhler auch Gedanken über den Priestermangel und Priesterausbildung. Die allgemeine Diskussion über dieses Thema laufe allerdings oft an den Kandidaten und den Priestern selbst vorbei, findet er. Mancher Meinungsbeitrag sei befremdlich – unter anderem von Seiten des BDKJ.

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Dass die Kirche in der Krise steckt, ist kein Geheimnis. Wie die Diskussionen in ihr verlaufen und wie groß die Spaltung in ihr ist, auch nicht. In dieser Situation beginnt die Kirche in Deutschland einen "synodalen Weg". In dieser Situation machen sich aber auch immer noch Männer auf, um in der besonderen Nachfolge Jesu Priester zu werden. Vermutlich war das zu kaum einer Zeit so schwierig wie heute. Missbrauchsskandal, Bedeutungsverlust, zurückgehende Zahlen der Gläubigen, des Sakramentenempfangs, Spaltungen in der Kirche – und dazu die Anforderungen und Herausforderungen, die der Priesterberuf schon immer mit sich brachte. Dazu zählt das geistliche Leben, die Verantwortung für die anvertraute Gemeinde, die Schwierigkeit, allen Ansprüchen irgendwie zu genügen.

Bald mehr Bundesliga-Fußballprofis als Seminaristen

Es scheint nicht verwunderlich, dass die Anzahl der Priesterkandidaten so drastisch gefallen ist. Um die Lage zu verdeutlichen: Es gibt bald mehr Bundesliga-Fußballprofis als Seminaristen in Deutschland. Klar ist auch: Nicht jeder, der ins Priesterseminar eintritt, wird auch geweiht. Und auch die Berichte von Priestern, die ihren Beruf – und vielleicht auch ihre Berufung – aufgeben, scheinen immer mehr zu werden. In der Konsequenz werden die "pastoralen Räume" und Pfarreien immer größer, die Verwaltung immer schwieriger, die Zeit für die Seelsorge immer knapper. Unsere Ausbilder in den Priesterseminaren sind erschreckend ehrlich, wenn sie sagen, dass sie nicht wissen, für welche kirchliche Situation sie uns eigentlich ausbilden.

Blick auf den Altar in einer Kapelle umgeben von leeren Sitzreihen
Bild: ©privat

Die Kapelle der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt.

Was würde helfen? Öffnung des Weiheamtes für "viri probati"? Frauenordination? Aufgabe des Zölibats? Laien als Pfarrei-Leiter? Verwaltungsleiter für die Pfarreien? Bei einigen Themen sind die Antworten schon gefallen. Andere werden seit Jahren diskutiert. Leider oftmals völlig vorbei an den Priesterkandidaten und Priestern selbst. So hat zum Beispiel der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) "die Etablierung einer lebensnahen Priesterausbildung durch moderne Wohnformen, die an die Stelle der Priesterseminare treten" gefordert. Ich möchte dem BDKJ nicht verbieten, Forderungen zur Priesterausbildung zu formulieren. Wäre es nicht aber besser, wenn der BDKJ vorher mal bei den Seminaristen nachgefragt hätte?  Ähnlich sieht es mit der Behauptung aus, dass Sexualität in der Priesterausbildung zu wenig vorkomme und das Thema tabuisiert werde. Auf meine Erwiderung habe ich vom BDKJ nie eine Antwort bekommen.

Doch zurück zu den inhaltlichen Problemen: Natürlich finde auch ich die großen neuen Strukturen beängstigend. Ich hoffe zwar, dass es dann Verwaltungsangestellte gibt, die beim Managen der Großpfarrei unterstützen. Aber ich kann mir noch nicht vorstellen, wie man als Priester in ihr wirken soll. Da ist es letztlich gar nicht so entscheidend, ob Laien die kleineren Gemeinden oder Pfarreien leiten. So oder so ist man als Priester dann für einige tausend Gläubige verantwortlich. Wie das funktionieren soll, weiß ich nicht. Wirklich überzeugende Ideen sehe ich da noch nicht. Zudem sind die, die in diesen neuen Strukturen wirken werden, nicht unbedingt die, die jetzt über Modelle für Pfarreien und Seelsorge diskutieren und entscheiden.

Wer redet beim "synodalen Weg" über "Priesterliche Lebensformen"?

Auch beim "synodalen Weg" frage ich mich, wer da über die "Priesterliche Lebensform" mitreden darf und soll. Zumindest im vorbereitenden Forum sind lediglich vier der 14 Teilnehmer selbst Priester. Aber keiner ist aktuell in der Priesterausbildung tätig. Und auch kein Priesteramtskandidat ist dabei. Ich hoffe, dass am weiteren Prozess auch Regenten, Spirituale, Priesterkandidaten, junge Priester, Tätige in der Berufungspastoral und vielleicht auch ehemalige Seminaristen eingebunden werden, die nachher nicht zum Priester geweiht wurden. Deren Perspektiven wären sicher spannend. Hinzu kommt die Frage, wie sich priesterliche Lebensformen noch einmal unterscheiden können – etwa in der Weltkirche oder in den Orden – priesterliche Lebensform gibt es nämlich nur im Plural.

Auch aus meiner Sicht müsste sich einiges verändern. Aber ich sehe die Lösung der Probleme weder  in der Öffnung des Priesteramtes für Frauen noch für Verheiratete. Zumal die Frage nach der Frauenordination definitiv beantwortet ist. Ich glaube, wir brauchen vor allem eine andere Atmosphäre in den Gemeinden, die Berufungen fördert. Vielleicht kann der "synodale Weg" dabei helfen, das Thema Berufung wieder mehr in den Blick zu nehmen. Vielleicht können so junge Menschen motiviert werden, ihrem Ruf mehr nach zu spüren. Vielleicht gelingt es in diesem Prozess, das Schöne und Erfüllende am Priesterberuf herauszustellen und mehr über die Freude am Glauben und an der Berufung zu sprechen, als nur über den Frust.

Der Eingangsbereich der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt
Bild: ©picture alliance/Silas Stein/dpa

Der Eingangsbereich der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt.

Ganz konkret sollte man beim "synodalen Weg" nochmal auf die Priesterausbildung in Deutschland schauen. So Unrecht hat der BDKJ nicht, wenn er darauf hinweist. Hier müsste sich durchaus etwas verändern. So braucht es für eine gute Priesterausbildung eine gewisse Anzahl an Seminaristen, die im Priesterseminar leben. Nur mit unterschiedliche Persönlichkeiten, Frömmigkeitsformen und Meinungen kann im Austausch und der Auseinandersetzung eine gute Persönlichkeitsbildung gewährleistet werden. Früher hieß es, Seminare mit unter dreißig Seminaristen seien zu klein. Nicht mal Sankt Georgen hat noch diese Größe. Ehrlicherweise müsste man noch mehr Seminare zusammenlegen. Ich verstehe nicht so recht, warum das mit Gemeinden geht, aber nicht mit Priesterseminaren. Da diese Frage tatsächlich das Gebiet der gesamten Bundesrepublik betrifft, wäre das meiner Meinung nach etwas, worüber der "synodale Weg" tatsächlich entscheiden könnte.

Mehr gemeinsam mit anderen Studenten

Meines Erachtens könnte außerdem viel mehr in der Priesterausbildung gemeinsam mit den anderen Studenten geschehen, die einen kirchlichen Beruf ergreifen wollen. Dann wären die Seminare auch viel weniger "Parallelwelten". Denn auch wenn wir in den Vorlesungen gemeinsam sitzen, ich glaube wir könnten noch deutlich mehr zusammen lernen. Auch wenn es spezifische Themen für Priester und Priesterkandidaten gibt, es gibt viel mehr, was zusammen gehen würde. Mit Fragen nach christlicher Spiritualität, der Zukunft in den Gemeinden oder missionarischer Pastoral kann man sich gemeinsam den anderen Studenten austauschen – und sollte es auch. Eine künstliche Trennung von Priesterkandidaten und "Laien-Theologen" finde ich unsinnig.

Kirche braucht gerade heute gute Priester und dafür braucht es neben einem fachlich guten Studium auch die persönliche Reife. Auch wenn keiner weiß, wie die Kirche in einigen Jahren aussehen wird: eine gute Priesterbildung ist – egal wie – unerlässlich.

Von Johannes Köhler

Linktipp: Meine Ausbildung im Priesterseminar ist mehr als nur Theorie

Die ersten Jahre im Priesterseminar sind vom Theologiestudium geprägt und legen damit in der Ausbildung einen Schwerpunkt auf die Theorie. Doch die Zeit als Seminarist hat auch praktische Anteile, weiß Johannes Köhler im vierten Teil der katholisch.de-Serie zu berichten.