Drewermann: Kirche muss Missbrauchstäter mit "Sanftmut Jesu" begleiten
Der Paderborner Theologe und Psychoanalytiker Eugen Drewermann kritisiert den Umgang der Kirche mit Missbrauchstätern. In schuldig gewordenen Priestern müsse sie auch Opfer sehen und diese "mit der Sanftmut Jesu" begleiten, sagte er am Montagabend in Paderborn. Psychoanalyse und Neurologie könnten zeigen, dass solche Verbrechen nicht in Freiheit verübt werden.
Wo sich Missbrauch zutrage, "da haben sie es mit einer Tragödie zu tun", so Drewermann. Er sprach von einer Unreife in der sexuellen Entwicklung und einem "Durchbruch von verdrängten Trieben, die unbeherrschbar werden". Drewermann kritisierte, dass die Kirche aus Angst vor der Öffentlichkeit die Fälle bekannt mache. Sie sollte sie lieber da halten, wo sie begangen worden seien, und nach dem Grundsatz "helfen statt strafen" handeln. Auf die Frage nach der Verantwortung der Täter für ihre Opfer antwortete Drewermann, für Verbrecher sei es ein langer Weg, bis sie ein Gefühl dafür bekommen, was sie getan haben.
Skepsis gegenüber "synodalem Weg"
Weiter zeigte sich Drewermann skeptisch gegenüber dem "synodalen Weg" der katholischen Kirche in Deutschland. "Ich kann verstehen, dass die Menschen damit Hoffnungen verbinden", sagte Drewermann. "Doch was warten wir auf Synoden, anstatt dem Leben zu erlauben, dass es menschlich wird." Der Reformprozess war am Sonntag offiziell erföffnet worden. Die eigentlichen Debatten beginnen mit der ersten Synodalversammlung in Frankfurt vom 30. Januar bis zum 1. Februar 2020.
Der Kirchenkritiker Drewermann, dem die katholische Kirche 1991 die Lehrerlaubnis entzog, trat nach Jahrzehnten erstmals wieder an seiner früheren Wirkungsstätte, der Theologischen Fakultät Paderborn, auf. Zu der Veranstaltung im Rahmen der Montagsakademie, bei der er auch Fragen des Journalisten Joachim Frank beantwortete, kamen rund 400 Zuhörer. Nach den Worten des Leiters der Montagsakademie, Stefan Kopp, ging es darum, im theologischen Diskurs und ohne unangenehme Zensuren aufeinander zu hören und voneinander zu lernen.
Drewermann verbindet in seinen Werken Theologie und Tiefenpsychologie. In Paderborn zum katholischen Priester geweiht, geriet er ab den 1980er Jahren in Konflikt mit der Kirche. Der Theologe lehnt zentrale Lehraussagen ab. Nach dem Entzug der Lehrerlaubnis 1991 verzichtete er - im Vorgriff auf weitere Maßnahmen - auf die Ausübung des Priesteramts. 2005 trat Drewermann aus der Kirche aus. Seine Werke wurden hunderttausendfach und in zahlreichen Sprachen veröffentlicht. (tmg/KNA/epd)