Kirchenrechtler sieht Scheindiskussion um Kirchensteuer

Lüdecke: Kritik an Bischöfen und ZdK wegen Missbrauchsentschädigung

Veröffentlicht am 11.12.2019 um 12:13 Uhr – Lesedauer: 

Frankfurt ‐ Noch haben sich die deutschen Bischöfe nicht entschieden, welche Summen sie Missbrauchsbetroffenen in Zukunft zahlen wollen. Kirchenrechtler Norbert Lüdecke wirft ihnen nun vor, eine Scheindiskussion um die Kirchensteuer zu führen.

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Der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke wirft den deutschen Bischöfen und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) vor, höhere Entschädigungszahlungen an Missbrauchsopfer zu verhindern. Eine Kirchensteuerdebatte werde von den Bischöfen angestoßen und von den Laien "gegen die Missbrauchsbetroffenen ausgespielt", schreibt Lüdecke am Dienstag in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Rundschau". "Statt mit gutem Beispiel voranzugehen, wollen sie auf andere Täterorganisationen warten, wohl wissend, dass damit eine Entschädigung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben ist."

Lüdecke bezieht sich damit auf eine Stellungnahme des für Missbrauchsfragen zuständigen Trierer Bischofs Stephan Ackermann. Dieser hatte mit Blick auf mögliche höhere Entschädigungsleistungen für Missbrauchsopfer gesagt, er sehe keine Alternative dazu, diese Zahlungen aus Kirchensteuermitteln zu bestreiten. Einige Bistümer hatten daraufhin bekräftigt, für solche Zahlungen nicht auf die Kirchensteuer zurückgreifen zu wollen. Lüdecke nennt das eine "interessante Güterabwägung", die auf eine Stützung des Kirchensteuersystems abziele. Wer aus der Kirche austrete, werde kirchenrechtlich automatisch fast völlig entrechtet, während für Missbrauchstäter bis heute "keine konkreten Sanktionen" gelten würden.

Kritik an Aussage Heßes

Er kritisiert ebenso die Haltung des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße bei der Herbstvollversammlung des ZdK in Bonn. Dieser hatte gesagt, dass Missbrauchsentschädigungen mit der evangelischen Kirche und anderen gesellschaftlichen Gruppen abgestimmt werden müssten, damit Betroffene kirchlichen Missbrauchs nicht mehr Geld bekämen als diejenigen anderer Organisationen. Lüdecke bezeichnet das als wiederholte "Einebnung des kirchlichen Missbrauchsskandals in ein gesamtgesellschaftliches Problem". Dadurch werde die institutionelle Verantwortung der Kirche "überblendet oder unterlaufen". Dieses Gerechtigkeitsverständnis zeige, "wie weit es her ist mit dem besonderen Profil des Sozialträgers katholische Kirche, das an anderer Stelle ja dazu dient, ein eigenes Arbeitsrecht zu rechtfertigen". Statt Widerspruch habe es vom ZdK dafür Applaus gegeben. Mit ihrem Vorgehen wollten die Oberhirten die Zeit für sich arbeiten lassen, so Lüdecke. "Sie führen die Verschleppung strategisch oder gedankenlos einfach fort und finden in den katholischen Funktionärslaien willige Helfer."

Bei der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe in Fulda im September hatte eine Arbeitsgruppe zwei Entwürfe für zukünftige Entschädigungszahlungen für Missbrauchsbetroffene vorgestellt. In der Empfehlung ist von Zahlungen bis zu 400.000 Euro pro Person die Rede. Momentan bekommen Betroffene 5.000 Euro, in Einzelfällen auch mehr – jedoch nicht als Entschädigung, sondern als "Anerkennung des Leids". Eine Entscheidung der Bischöfe zu dem Entwurf gibt es noch nicht. (cph)