Der Reformprozess im Mittelpunkt: Das passiert 2020 in der Kirche
Aus katholischer Sicht fangen neue Jahre meist mit der immer gleichen Routine an: Am 1. Januar, dem Hochfest der Gottesmutter Maria, begeht die Kirche seit 1968 alljährlich den von Papst Paul VI. initiierten Weltfriedenstag – 2020 unter dem Leitwort "Der Frieden als Weg der Hoffnung: Dialog, Versöhnung und ökologische Umkehr". Wenige Tage später ziehen dann in Deutschland die Sternsinger durchs Land und machen unter anderem auch dem Bundespräsidenten (am 6. Januar) und der Bundeskanzlerin (am 7. Januar) ihre Aufwartung. So weit, so vorhersehbar.
Jenseits dieses traditionellen Auftakts dürfte 2020 für die Kirche in Deutschland jedoch ein deutlich weniger erwartbares Jahr werden. Dafür sorgt vor allem der "synodale Weg", der nach dem eher symbolischen Start am ersten Advent mit der ersten Synodalversammlung am 31. Januar und 1. Februar in Frankfurt am Main seine inhaltliche Arbeit aufnimmt. Damit begibt sich die Kirche in Deutschland zehn Jahre nach der Aufdeckung des kirchlichen Missbrauchsskandals und zehn Monate nach dem Beschluss von Lingen auf einen Weg, von dem noch weitgehend unklar ist, wohin er am Ende führen wird.
Zwei Synodalversammlungen im Jahr 2020
Die Synodalversammlung ist das oberste Organ des "synodalen Wegs" und fasst die Beschlüsse. Ihr gehören die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz, 69 Vertreter des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) sowie Vertreter geistlicher und kirchlicher Dienste, junge Menschen und Einzelpersönlichkeiten an. Insgesamt umfasst die Versammlung 230 Personen, deren Namen im Dezember bekanntgegeben wurden. Geplant ist, dass sie 2020 zweimal zusammenkommen – neben dem Treffen Ende Januar/Anfang Februar noch einmal vom 3. bis 5. September ebenfalls in Frankfurt.
Zwischen diesen beiden Tagungen wird die inhaltliche Arbeit des zunächst auf zwei Jahre angelegten "synodalen Wegs" vor allem in den vier Synodalforen geleistet. Sie widmen sich bekannten "heißen Eisen", bei denen viele Gläubige schon seit Jahrzehnten sehnsüchtig auf Reformen warten und die jede Menge Sprengstoff beinhalten. Ob die Frage nach Macht und Gewaltenteilung, die Sexualmoral, die priesterliche Lebensform oder die Rolle der Frau in der Kirche – bei den Debatten der vier Foren dürfte es insbesondere zwischen Bischöfen und Laien mitunter turbulent zugehen. In welche Richtung sich die Reformdebatte dabei entwickeln wird, ist noch nicht absehbar – nach der zweiten Synodalversammlung im September sollte aber zumindest eine Tendenz erkennbar sein.
Vom Verlauf der Debatten beim "synodalen Weg" dürfte auch abhängen, wie sich die innerkirchliche Stimmungslage im neuen Jahr entwickelt. 2019 hatte es diesbezüglich mit der von Frauen getragenen Bewegung "Maria 2.0" und ihrem Kirchenstreik ein bundesweit beachtetes Zeichen des Protests gegeben. Ob und wie die Frauen ihren Protest im neuen Jahr fortführen werden, bleibt abzuwarten – für den Abend vor der ersten Synodalversammlung hat "Maria 2.0" jedoch bereits einen Wortgottesdienst sowie eine Nacht- und Mahnwache angekündigt.
Kann der "synodale Weg" den kirchlichen Mitgliederschwund bremsen?
Auswirkungen wird der "synodale Weg" vermutlich auch auf die Zahl der Kirchenaustritte haben. Nachdem 2018 rund 216.000 Menschen die Kirche verlassen hatten, dürfte es in der Bischofskonferenz die Hoffnung geben, dass das Signal für den Reformprozess den dramatischen Mitgliederschwund 2019 zumindest verlangsamt hat. Ob sich diese Hoffnung bewahrheitet, wird sich bei der Vorstellung der Jahresstatistik im Juli zeigen.
Schließlich wird der "synodale Weg" sicher auch ein zentrales Thema bei den beiden Vollversammlungen der Bischofskonferenz sein. Vom 2. bis 5. März treffen sich die Bischöfe in Mainz und vom 21. bis 24. September in Fulda. Bei den Treffen dürfte auch die Frage einer Änderung bei den Entschädigungszahlungen für Missbrauchsopfer wieder auf der Tagesordnung stehen – ein Thema, das ebenfalls Sprengkraft besitzt.
Personell dürfte 2020 mit Blick auf die Bischofskonferenz kaum Veränderungen bringen. Lediglich das Bistum Augsburg, dessen Bischofsstuhl seit vergangenem Juli vakant ist, kann sich berechtigte Hoffnungen machen, im Laufe des Jahres einen neuen Oberhirten zu bekommen. Alle anderen deutschen Bischofsstühle sind derzeit jedoch besetzt, und in den kommenden zwölf Monaten erreicht kein Diözesanbischof die Altersgrenze von 75 Jahren. Einen prominenteren Stabwechsel hat es dagegen direkt zum Jahreswechsel beim ZdK gegeben. Hier übernahm Marc Frings zum 1. Januar den Posten als Generalsekretär.
Auf diözesaner Ebene werden sich im neuen Jahr wohl manche Blicke nach Trier richten. Dort sollte zum 1. Januar eigentlich ein großer Prozess zur Zusammenlegung der bislang 887 kleinen Pfarreien zu nur noch 35 Großpfarreien starten. Dieser Prozess wurde jedoch vom Vatikan im Herbst wegen kirchenrechtlicher Bedenken vorerst gestoppt. Es bleibt abzuwarten, wie das Bistum und Bischof Stephan Ackermann mit dem Veto umgehen werden – und sicher werden viele andere deutsche Bistümer mit ähnlichen Plänen den weiteren Fortgang in dieser Angelegenheit genau beobachten.
Mit Spannung erwartete Archivöffnung im Vatikan
Grund zur Freude haben im neuen Jahr die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt und Pater Anselm Grün. Die einzige katholische Universität im deutschsprachigen Raum wird 40 Jahre alt, und der bekannte Benediktinerpater feiert am 14. Januar seinen 75. Geburtstag.
Auf weltkirchlicher Ebene sind für das neue Jahr bislang nur wenige Termine absehbar. Eine große Bischofssynode wird es 2020 nicht geben, und Auslandsreisen von Papst Franziskus sind bislang auch noch nicht terminiert. Trotzdem dürfte im Vatikan in den kommenden Monaten kaum Langeweile aufkommen, was unter anderem an der immer noch ausstehenden Kurienreform liegt. Im Februar soll sich der Kardinalsrat letzter Rückmeldungen zu einem erneuerten Entwurf der künftigen Kurienverfassung annehmen. Schon Ende 2018 war erwartet worden, dass der Papst die Konstitution bald veröffentlichen würde, nun soll es 2020 endlich klappen. Spannend zudem: Am 2. März werden die vatikanischen Akten zur Amtszeit von Papst Pius XII. (1939-1958) freigegeben. Historiker erhoffen sich von diesem Schritt weiteren Aufschluss über die Haltung des Papstes und der katholischen Kirche während des Zweiten Weltkriegs.