Heutiger Papst Franziskus soll Vorstoß verhindert haben

Buch: Vatikan wollte unter Benedikt XVI. Jesuiten-Leitung übernehmen

Veröffentlicht am 22.01.2020 um 12:39 Uhr – Lesedauer: 

Madrid ‐ Alle Jesuiten versprechen dem Papst ihren besonderen Gehorsam. Doch nicht immer waren die Beziehungen zwischen dem Orden und Rom frei von Konflikten: So soll der Vatikan vor mehr als zehn Jahren versucht haben, die Leitung der Gesellschaft Jesu zu übernehmen.

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Der Vatikan wollte einer neuen Darstellung zufolge in den Jahren 2006 und 2007 die Leitung des Jesuitenordens übernehmen. Den Vorstoß unter dem damaligen Papst Benedikt XVI. habe Jorge Mario Bergoglio verhindert, heißt es in einem Buch des Historikers Gianni La Bella, das am Dienstag in Madrid vorgestellt wurde. Der damalige Erzbischof von Buenos Aires und heutige Papst Franziskus sollte demnach als Apostolischer Delegat im Auftrag von Benedikt XVI. den Orden übergangsweise leiten. Doch Bergoglio "weigerte sich beharrlich dagegen", so der Autor von "Die Jesuiten. Vom Zweiten Vaticanum zu Papst Franziskus". Der heutige Papst und selbst Jesuit sei ein "entschiedener Gegner der Idee einer päpstlichen Intervention" gewesen, die seiner Meinung nach zu großen Problemen innerhalb der Gesellschaft Jesu geführt hätte.

Kolvenbach war "bestürzt und fassungslos"

Der Vorschlag, Bergoglio zum Übergangsleiter der Jesuiten zu ernennen, sei vom damaligen Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone gekommen, so La Bella weiter. Es stünde jedoch fest, dass Papst Benedikt dagegen "nichts einzuwenden" hatte. Bertone wandte sich an den damals amtierenden Generaloberen der Jesuiten, Peter-Hans Kolvenbach, der kurz zuvor seinen Rücktritt eingereicht hatte. Kolvenbach sei über Bertones Vorschlag "bestürzt und fassungslos" gewesen, informierte aber Bergoglio, der das Leitungsamt entschieden zurückwies. Der Jesuitengeneral konnte daraufhin Papst Benedikt dazu bewegen, keinen Apostolischen Delegaten einzusetzen. Das Kirchenoberhaupt nahm den Rücktritt Kolvenbachs an und die Generalkongregation der Jesuiten wählte 2008 schließlich den Spanier Adolfo Nicolás an die Spitze des Ordens.

Nach den Ordensstatuten der Jesuiten wird das Amt des Generaloberen auf Lebenszeit gewählt. Deshalb wird der Jesuitengeneral im Volksmund auch als "schwarzer Papst" bezeichnet. Ein Rücktritt ist jedoch mit Zustimmung des Papstes und der Generalkongregation möglich. Von 1981 bis 1983 hatte Papst Johannes Paul II. die Leitung des Ordens übernommen und den Jesuiten Paolo Dezza als Apostolischen Delegaten eingesetzt. Grund dafür war der angeschlagene Gesundheitszustand des damaligen Jesuitengenerals Pedro Arrupe, der zuvor einen Schlaganfall erlitten hatte. Außerdem gab es während dieser Zeit Spannungen zwischen dem Orden und dem Vatikan, der nicht mit der Fokussierung Arrupes auf soziale Anliegen einverstanden war. Sein 1983 gewählter Nachfolger Kolvenbach konnte das Verhältnis wieder beruhigen. Bei der nun bekannt gewordenen verhinderten Vatikan-Intervention in den Jahren 2006 und 2007 werden ähnliche Spannungen zwischen Kurie und Orden als Grund vermutet. (rom)

Weitere Informationen zum Buch

Das Buch "Los Jesuitas. Del Vaticano II als papa Francisco" ("Die Jesuiten. Vom Zweiten Vaticanum zu Papst Franziskus") von Ganni La Bella wurde 2019 im spanischen Verlag "Mensajero" des Jesuitenordens verlegt. Es kostet 25 Euro.