Radio Vatikan – ein freies Medium?
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Eines vorweg, seit meiner letzten Kolumne über Geschick, Aufbau und Ethos von Radio Vatikan habe ich Neues zu vermelden: Wir heißen wieder Radio Vatikan. Und zwar dann, wenn Sie uns hören. Wenn Sie uns lesen, sind wir weiterhin Vatican News, wie wir es ungefähr zwei Jahre lang waren, nachdem wir vorher 85 Jahre lang Radio Vatikan waren. Fragen Sie nicht, wie wir das finden. Wir machen einfach. Vertrauen Sie uns.
Damit sind wir beim Thema. Vertrauen ist die Rutsche, auf der journalistisch aufbereitete Nachrichten ankommen oder eben nicht. Kirchliche Medien wie das, das Sie hier lesen, oder auch Radio Vatikan, für das ich sonst aktiv bin, müssen sich Ihr Vertrauen noch härter erarbeiten als andere. Wenn Sie das Gefühl haben, hier lässt ein Text vorsätzlich Informationen weg, die ihm nicht ins Bild passen, die Sie als Leser aber brauchen, um sich eine begründete Meinung über einen Sachverhalt zu bilden, dann sind Sie weg. Sie versehen nicht nur den Text, sondern gleich das ganze Medium, das Sie offenbar manipulieren will, mit einem Fragezeichen. Im schlimmsten Fall bestätigt das Ihr schon vorhandenes Misstrauen für die ganze Institution Kirche. Und dann hat die große, schöne Botschaft, um die es in Wahrheit geht, keine Chance mehr.
Dass auch Vatican News/Radio Vatikan manch Fragezeichen mangelnden Vertrauens produziert, weiß ich. Leider lässt sich das nicht ganz ausschließen. Denn nein, wir sind kein "unabhängiges Medium" (wobei die Frage zu stellen wäre, was ein unabhängiges Medium ist). Wir sind aber auch kein PR-Büro, das ausgewählte Inhalte nach Chefrezept verkocht, appetitlich anrichtet und nach außen durchreicht, zum Genuss durch andere Medienleute und versprengte wohlwollende Geister. Wir sind weder päpstliche Influencer noch freie Journalisten. Wir sind ein institutionelles Mischwesen. Sie ahnen schon, das gibt Knatsch. Reden wir darüber.
Auf der Gehaltsliste des Papstes
Wer bei Radio Vatikan arbeitet, steht beim Papst auf der Gehaltsliste. 13 Mal im Jahr kriegen wir Geld dafür überwiesen, dass wir Tag für Tag Informationen aus Vatikan und Weltkirche treu und zuverlässig bearbeiten und verbreiten. Das heißt in unserem Selbstverständnis, dass wir uns nicht darauf beschränken, nackte Informationen weiterzugeben, zu deren Verbreitung der Vatikan uns anhält, was weiß ich, einen der dürren Vierzeiler aus dem Pressesaal, eine wichtige Ernennung oder eine Papstrede. Wie verfahren wir? Wie alle anderen seriösen Medien auch: Wir schnitzen das Wichtigste heraus und setzen es in einen Rahmen. Wir lassen was weg und fügen was hinzu. Wir erklären, deuten und versehen das Ganze mit einem kleinen "Was bisher geschah", wie das früher die Fernsehserien machten, damit die Leute ja den Durchblick behalten und nicht etwa wegzappen.
So simpel das klingt, so tricky ist es im Einzelnen, schließlich arbeitet man im Vatikan, einem – seien wir ehrlich – ziemlich komplexen Gefüge aus Behörden, Kompetenzen und Befindlichkeiten. Radio Vatikan vermittelt Vatikan-Inhalte aus einer Position des "Zwischendrin": Als Medienleute gehören wir dazu, aber nicht wirklich. Auch unsere Chefetage steht nicht täglich mit Kurienkardinälen und dem Papst im Austausch. Zwischen einigen ist ein kurzer Draht installiert, das ist gut. Aber grundsätzlich ist da zwischen uns Medienschaffenden und dem Rest der Kurie eine Distanz. Wohl auch weil unsere Aufträge so unterschiedlich sind. Ein Regierungsapparat braucht Vertraulichkeit, Journalisten schielen auf die große Glocke. Sowie man sie lässt, stellen sie Fragen, gerne auch unpassende. Kuriale finden das befremdlich. Die Distanz zwischen Vatikanmedien und Vatikanbehörden ist freilich dem journalistischen Ergebnis nicht per se abträglich. Ich komme aus Österreich, wo die "Verbrüderung" zwischen Macht und Medien auch nicht immer die edelsten Früchte getragen hat. Wir brauchen kurze Drähte, um Dinge nicht falsch interpretiert weiterzugeben. Wir brauchen Distanz, damit wir den Wald und die Bäume gleichermaßen sehen.
Unterschiedlich viel Spielraum
Jede Sprachredaktion bei Radio Vatikan hat Spielraum bei der Gestaltung ihres Programms. Im Vergleich zu anderen im Haus genießt die deutschsprachige Redaktion, so empfinden wir das immer noch, etwas größere Freiheiten. Das hat innere und äußere Gründe. Zu den äußeren zählt, dass sich in unseren Ländern und Kirchen eine gewisse Debattenkultur herausgebildet hat, etwas Frankes, das auf uns im Vatikan abfärbt. Ließe unser journalistischer Zugang dieses Franke so ganz und gar vermissen, würde kaum noch jemand im deutschen Sprachraum unser vatikanisches Medienangebot für voll nehmen.
So kommt es, dass wir auch einmal kontroversielle Nachrichten und – nüchtern dargebotene – Aufregerthemen bringen. Wir trauen unseren Leserinnen und Hörern da eine eigene Urteilskraft zu. Wenn wir über die Anliegen der Frauenbewegung Maria 2.0 berichten und zuvor schon jene der konservativen Gegenbewegung Maria 1.0 erörtert haben, dann unterstellen wir unserem Publikum die Reife zu erkennen, dass wir für keine der beiden "Werbung machen" (wie eine Hörerin beanstandete), uns aber sehr wohl aus römischer Warte für beide interessieren. 1.0 oder 2.0 wegzulassen, würde Fragezeichen aufwerfen und Vertrauen schmälern.
Wenn allerdings Radio Vatikan im Vatikan selbst nicht von allen geliebt wird, dann liegt das genau daran, dass wir eben mehr machen als Pressemeldungen zu übersetzen. Solches Unbehagen an uns wird dann bevorzugt mit dem Kostenargument verquickt. Wir seien zu viele und zu teuer, heißt es im Vatikan hinter nicht sehr vorgehaltener Hand. So bescherte uns die Reform der Papstmedien eine vorübergehende Umbenennung und bleibende Einsparungen. Es stimmt, im gesamten vatikanischen Medienbereich sind wir derzeit an die 580 Leute, 13 Prozent aller Papstangestellten. Und im Gegensatz zu den Vatikanischen Museen, die 700 Leute beschäftigen, bringen wir kein Geld ein, sondern kosten welches. Wie das eben so ist mit professioneller institutioneller Kommunikation. In 40 Sprachen.
Das führt uns zu guter Letzt noch zu den internen Gründen unserer deutschen Freiheiten im Vatikan. Einer ist ausgerechnet unser Erfolg. Als die kleinste der sechs großen Redaktionen von Vatican News punkten wir bei Klickzahlen, Öffnungsraten, Verweildauer und solchen Sachen. Würde sich nachweislich niemand interessieren für das, was wir so bringen, hätten wir es schwer mit der Freiheit. Unsere Chefitäten sehen ein, dass frank und frei bei uns wesensmäßig zusammengehören.