Standpunkt

Die Kirche muss raus aus den Stuhlkreisen und rein in die Welt

Veröffentlicht am 27.01.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN

Bonn ‐ Die Kirche hat den Auftrag des Auferstandenen vergessen, findet Werner Kleine. Denn der sprach einst von Aufbruch, wo heute viel zu oft gesessen wird. Um die Menschen zu erreichen, müsse die Kirche ihren Radius erweitern und an neue Orte gehen.

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Selbst in der Krise beherrschen die, die in der Kirche den Dienst der Macht innehaben, die Kunst, das Augenscheinliche in verbale Schwaden aufzulösen, die wohlduftend wie Weihrauch den Geruch des Verfalls zu überdecken. In vielen Sitzungen haben die herrschenden Diener immer noch Visionen – wobei freilich oft genug der eigene Vogel mit dem Wirken des Heiligen Geistes verwechselt wird. Die so sitzende Kirche ist mit der Zeit fußlahm geworden. Sie hat den Auftrag des Auferstandenen vergessen: "Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung!" (Mk 16,15) Geht! – nicht: Sitzt!

Die Verkündigung des Evangeliums ist das Wesen der Kirche. Sie ist Medium, nicht Inhalt der Verkündigung. Ob da die Methoden von Marketing und Unternehmensberatung, die in vielen Bistümern bemüht werden, wirklich den Kern der Kirche treffen? Da kann die Erkenntnis des Religionssoziologen Detlef Pollack am Schluss einer ausführlichen Studie, dass kaum jemand religiös auf der Suche ist, nur desillusionieren.

In der allgemeinen Ratlosigkeit greift man gerne zu vertrauten Mitteln. Während der ewige Stuhlkreis im Synodalen Weg reüssiert, bei dem selbst optimistische Analysten mittlerweile vor allzu hohen Erwartungen warnen, empfiehlt der Strategieberater Erik Flügge, man solle doch Hausbesuche machen, um die Schäfchen in den pfarrlichen Pferch zu treiben. Das ist eine Methode, die nicht nur leicht als übergriffig empfunden werden könnte; auch versuchen die Zeugen Jehovas mit eher geringem Erfolg, die Menschen so vor dem drohenden Armageddon zu warnen. Sicher: Jesus war immer wieder in Häusern zu Gast – aber er wurde zuvor eingeladen, und stand nicht einfach mit seinen Jüngern in der Tür. Außer vielleicht bei Zachäus. Da hat er sich selbst eingeladen – und das noch in aller Öffentlichkeit!

Die Öffentlichkeit – das ist genau das, wo die Kirche sich immer weniger ereignet. Die Kirche hat den öffentlichen Kommunikationsraum verloren. Ihr Filialsystem aus Gottesdiensten wird im Ganzen von immer weniger Menschen aufgesucht. Wenn die Kirche den Auftrag des Herrn wieder erfüllen will, muss sich etwas ändern. Sie muss die Kommunikationsräume der Welt aufsuchen – und das sind, so stellt der Wuppertaler Professor für Mediendesign und seine Didaktik, Johannes Busmann, in einem am 15.1.2020 in der KHG Wuppertal gehaltenen Vortrag fest, vor allem die öffentlichen Straßen und Plätze der Stadt. Sicher: Wer sich da ausliefert, ist angreifbar. Er steht aber auch im Weg. Man muss sich zu ihm verhalten. Wer im Weg steht, ist immer relevant. Beispiele, wie das gelingen kann, gibt es schon: etwa in Schweinfurt, Fulda oder Wuppertal.

Statt im ewigen Stuhlkreis die Reise nach Jerusalem zu spielen, bis der letzte das Licht ausmacht, sollte die Kirche endlich wieder auf die Plätze in aller Welt gehen, um das Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden. Das ist die Zielgruppe: Alle!

Von Werner Kleine

Der Autor

Dr. Werner Kleine ist Pastoralreferent im Erzbistum Köln und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.